Wie ein Lied ein Leben rettete
«Ich verbinde das, was ich erlebe, mit dem, was in der Welt geschieht», hielt Jürgen Werth vor 40 Gästen in Weinfelden TG fest. Der Autor, Journalist und Sänger begleitet seine Lieder mit der Gitarre und teilt so seine Gedanken. «Die Welt ist im permanenten Krisenmodus», konstatierte der 71-Jährige. Dies führe dazu, dass die Guten besser, die Schlechten noch schlimmer würden. «Aber Gott ist noch da und kümmert sich, er ist an unserer Seite.» Und dann singt er: «Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert, das über unseren Häuptern schwebt, doch aufzuhalten.»
Gott hat nur unsere Hände
Dabei hätten aber wir alle den Auftrag, Gottes Hände, Füsse, Augen und Ohren zu sein. «Gott will uns zu Menschen machen, die anderen Licht und Leben bringen.» Und manchmal wisse der Beschenkte dann nicht, ob es vielleicht ein Engel war, der ihm begegnet sei.
Als sein Sohn Christopher vier Jahre alt war, ging er mit seiner Oma einkaufen. Auf dem Heimweg wurden die Taschen immer schwerer für die alte Dame. Da erklärte der Kleine zuversichtlich: «Oma, wir schaffen das!» Es sei also niemand zu klein, ein Engel zu sein, schmunzelt der heute siebenfache Grossvater.
Von guten Mächten wunderbar geborgen
Bevor er starb, sagte Dietrich Bonhoeffer zu seinen Peinigern: «Dies ist das Ende – für mich ist es der Anfang.» Diesen Mut des Pfarrers, der kurz vor Kriegsende erhängt wurde, bewundert Werth. Er singt dessen Gebet «Von guten Mächten wunderbar geborgen» aus dem Kirchengesangbuch. Und gibt zu, dass er nicht sicher ist, ob er den Kelch des Leidens ebenfalls ohne Zittern aus Gottes Hand nehmen könnte. Doch dann singt er von Jesus als seinem Freund, der da ist in der Not. «Du bist da, das tut mir gut.»
Eine unvergessliche Begegnung bescherte ihm sein Lied «Du bist Du», das in der Schweizer Hitparade dreimal auf dem ersten Platz landete. Eine Frau kam nach einem Konzert mit ihrer Tochter auf ihn zu und erklärte: «Dieses Lied hörte ich am Abend vor meiner geplanten Abtreibung. Doch nachdem ich den Text gehört hatte, konnte ich das nicht mehr tun. Hier ist das Kind, das damals gerettet wurde.» Mit einem Segenslied beendete Jürgen Werth sein Konzert, das sein Publikum sichtlich berührt hat.
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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: IDEA Schweiz