Seebeben: So reagieren christliche Werke

Verschiedene christliche Hilfswerke aus der Schweiz engagieren sich nach dem Seebeben im Krisengebiet. Livenet sprach mit drei Schweizer Organisationen über ihre Tätigkeit: Hoffnungsnetz, Überseeische Missionsgemeinschaft und Tear Fund.
Das Leid in den betroffenen Ländern ...
... ist nahezu unermesslich.
Die Welle zerstörte in kürzester Zeit ...
... und löschte Existenzen aus.

«Die halbe Welt rennt nach Aceh.» Andere, schwer erreichbare Inseln erhielten hingegen verhältnismässig wenig, wie Linus Pfister, Mitkoordinator des „Hoffnungsnetzes“ 1), zu bedenken gibt. Das „Hoffnungsnetz“ konzentriere sich darum auf die südwestlich von Aceh gelegene indonesische Insel Nias. Ansprechpartner seien dort 50 Pastoren und eine Bibelschule, die schon seit längerem unterstützt würden. Auch die Schweizerische Glückskette leiste gute Arbeit. „Weh tut uns, dass evangelikale Werke bei der Glückskette eher kleine Chancen haben, Projekte genehmigt zu erhalten.“ Dabei kennt das Hoffnungsnetz sehr viele Partner vor Ort. Unsere Leute leben dort. Es sind fast nur Einheimische.»

Das «Hoffnungsnetz» auf der Insel Nias

Ähnlich äußert sich Willem Hekman, ein weiterer Mitarbeiter dieses Werkes: «Nias zählt im Westen viele Tote, Verletzte und Vermisste. Die Städte Simburu und Mandrehe sind total weggewischt. Im Süden der Insel gab es zudem enorme Materialschäden. Hilfe von aussen kommt fast keine. Ich bin von den grossen Hilfswerken sehr enttäuscht.» Die konkurrieren miteinandern im moslemischen Aceh. Nias aber sei christlich. «Da denken die Werke vermutlich, die Kirchen würden die Hilfe alleine übernehmen. Aber wir brauchen dringend Unterstützung!» Moslemische Staaten wie Indonesien, Malaysia und die Malediven sollten besser von Ländern wie dem überreichen Saudi-Arabien durchgetragen werden.

Die Hilfe für Nias sei allgemein gering, sagt Pfister. «Die Insel hat keinen Flughafen. Darum ist die Anreise mühselig, und man trifft dort auch auf keine Fernsehteams.» Für die Soforthilfe auf Nias wurden 12'000 Franken eingesetzt.

«Einen Tag nach dem Beben waren wir da»

Neben Indonesien ist Sri Lanka von der Flut am schwersten betroffen. Es hat mindestens 25'000 Tote und Zehntausende von Verletzten und Obdachlosen zu beklagen. Pfister: «In Sri Lanka waren unsere Helfer bereits einen Tag nach dem Seebeben vor Ort im Einsatz.» Darum wurde entschieden, zuerst in Sri Lanka mit der Hilfe einzusetzen. Schon am 29. Dezember erhielt das Land 70'000 Franken an Soforthilfe. Die Erste Hilfe bestand aus Essenspaketen, Milchspeisen, Trinkwasser, Kochutensilien, Schlafmatten und Kleidern. «Als Hoffnungsnetz helfen wir Tausenden von Menschen, die alles, aber wirklich praktisch alles ausser ihrem Leben verloren haben.» Hinzu kämen die seelsorgerischen Dienste von vielen hunderten christlichen Ehrenamtlichen. Mit dem Evangelium täten sie Gutes an den Seelen der Opfer; eine Hilfe, die sonst andere kaum erbringen könne. Das Spendenvolumen des „Hoffnungsnetzes“ liegt bei über 100'000 Franken.

ÜMG-Kinderheim ist dabei

In Thailand seien Vertreter der Regierung auf die Überseeische Missionsgemeinschaft zugegangen. Sie wandten sich «an unsere Kinderheime von Baan Nok Kamin und haben sie um Hilfe gebeten für die vielen Waisenkinder. Die Leitung des Heims hat daher sofort 20 Plätze für Waisenkinder zur Verfügung gestellt.» Spendenaufrufe mache die ÜMG prinzipiell keine, erklärt Armin Keller, Schweizer Leiter dieses Werkes, und man habe auch keine eigenen Leute in die Region geschickt. Denn die sind bereits vor Ort, wie das Beispiel des Kinderheims zeigt.

Im indonesischen Aceh hätten einheimische ÜMG-Mitarbeiter auch einen Hilfstransport durchgeführt. Keller: «Dafür standen aber vor Ort genügend Hilfsgüter und Mittel zur Verfügung. Wir haben sowohl in Thailand als auch in Indonesien Möglichkeiten für begrenzte direkte Hilfe.» Die ÜMG sei aber kein ausgesprochenes Hilfswerk und verfüge auch nicht über die nötige Infrastruktur und Erfahrung. Eingegangene Gelder gingen darum an Partnerorganisationen. Und weil derzeit enorme Geldsummen für die Soforthilfe zur Verfügung stünden, würden «Gaben, die über unsern "Hilfsfonds Indonesien" einbezahlt werden, vor allem für die spätere Aufbauhilfe benutzt».

Tear Fund»: Hilfe für 30'000 Familien

«Wir engagieren uns ins Sri Lanka, Indien und Indonesien», sagt der Leiter von Tear Fund Schweiz, Gerhard Bärtschi 2). «In Sri Lanka sind wir eines von 13 internationalen Werken und arbeiten unter dem Dachverband Integral.» Die Arbeit wird unter anderem mit der Evangelischen Allianz Sri Lankas und Medair durchgeführt. Tear Fund engagiert sich so im Osten des Landes, einem der am schwersten betroffenen Gebiete. «Integral kümmert sich um 30'000 Familien, die in Camps leben.»

Insgesamt existieren rund 800 solche Notcamps. In jedem Bezirk betätigt sich Integral in mehreren dieser Camps, und zwar mit Wasser und allgemeinen Maßnahmen zu Überlebenshilfe. Zusätzlich leiste man «psychologisch-seelsorgerliche Betreuung. Neben der Soforthilfe ist uns hier auch die langfristige Hilfe wichtig.»

Von Überlebenspaketen zu Fischerbooten

Gleiches gilt für Indien und Indonesien. «20'000 Familien helfen wir in Indien.» Als Teil von Integral engagiert sich Tear Fund mit der einheimischen Organisation EFICOR 3). «Nach der Soforthilfe setzen wir auf Rehabilitation. Das können dann zum Beispiel Boote für die Fischer sein.» In den Projektgebieten Andhara Pradesh, Tamil Nadu und Andaman Icobar sei EFICOR eine der wenigen Organisationen, die überhaupt präsent sind.

In Indonesien sei es schwer, vor Ort Partner zu finden. Mit Nothilfe und Landwirtschaftsprojekten will Tear Fund dabei sein und arbeitet dafür mit „Medancare“ zusammen. Hinter diesem Werk stehen ihrerseits 38'000 indonesische Gemeinden. Täglich würden jetzt 2000 Menschen mit Nahrung und Wasser versorgt. Die Überlebenden erhalten Taschenlampen und Tabletten zur Wasseraufbereitung. Im Bundesstaat Tamil Nadu und auf den Inselgruppen der Andamanen und Nikobaren erhalten rund 20'000 Familien Überlebenspakete mit Kleidern, Zeltplanen, Decken, Hygieneartikeln und Medikamenten.

Gefährliche Unterstützung

Tear-Fund-Mitarbeiter Bärtschi warnt jedoch vor der direkten Unterstützung von einheimischen christlichen Gemeinden. Sie könnten mit großen Geldsummen völlig überfordert sein, und die Wirkung wäre kontraproduktiv. «Gibt man da 10'000 Franken, sprengt das womöglich deren Kapazität.»

Tear Fund arbeite «nach den Richtlinien des Roten Kreuzes und den Sphere-Standards». Bislang hat dieses Werk rund 270'000 Franken gesammelt.

Auf die Knie, fertig, los!

In einem Schreiben weist Tear Fund auf die Wichtigkeit des Gebets hin: «Neben Spenden muss unsere Solidarität mit den Menschen im Krisengebiet auch die Fürbitte einschliessen. Ajith Fernando, ein bekannter christlicher Leiter in Colombo, hat über die Konsequenzen der Katastrophe in seinem Land nachgedacht. Er weist auf die Dringlichkeit des Gebetes für die Katastrophenhelfer hin. Sie sind oft Tag und Nacht, ohne viel Schlaf, für die Katastrophenopfer beschäftigt. Einige der Helfer haben selber Familienmitglieder verloren. «Engagement im Sozialen kann oft zu einer Krise in der persönlichen Moral führen», meint Fernando. «Viele der Opfer sind traumatisiert und in einem Schockzustand. Innerhalb weniger Sekunden hat sich alles in ihrem Leben verändert. Sie benötigen seelsorgerliche Betreuung und unsere Fürbitte.»

1) Dem hoffnungsnetz gehören zur Zeit fünf Werke an: AVC – Aktionskomitee für verfolgte Christen, COM – Christliche Ostmission, HMK – Hilfsaktion Märtyrerkirche, Licht im Osten und Intermission.
2) tearfund ist das Hilfswerk der Schweizerischen Evangelischen Allianz.
3) EFICOR heisst Evangelical Fellowship of India Committee on Relief.

Mehr zum Thema: www.flutkatastrophe.livenet.ch

Datum: 13.01.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung