Ein Opfer des saudischen Wahhabismus
Zerstückelte Gliedmassen mit Folterspuren in einer Zisterne – Die grausame Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi in Istanbul zeigt das wahre Gesicht der im Namen Allahs regierenden Gewaltherrscher in Riad. Dort lässt sich Kronprinz Muhammad Bin Salman nachsagen, dass er alle Finger, die gegen ihn zu schreiben wagen, gnadenlos abschneiden lässt – wie jetzt an Khashoggi praktiziert.
Vergeistigter oder zugespitzter Islam
Obwohl der Islam als solcher eine gewalttätige politische Ideologie ist, lässt er sich in der Praxis unter dem Einfluss persönlicher Frömmigkeit oder ganzer mystischer Derwischschulen, des Sufismus, auch mildern und vergeistigen. Wenn hingegen zur Härte des islamischen Religionsgesetzes noch eine sadistische Auslegung tritt, haben wir es mit einer besonders extremen Entwicklung zu tun. Schon im Mittelalter wurde sie vom Muslim-Rechtslehrer Ibn Hanbal doziert und seit dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart von Abdel Wahhab und seinen Nachfolgern verkündet. Der «Wahhabismus» entzündete sich im Inneren der Arabischen Halbinsel an der Streitfrage, ob eine vor- oder ausserhalb der Ehe schwanger gewordene Frau sofort mit dem Kind im Leib gesteinigt werden muss oder damit bis nach ihrer Entbindung gewartet werden darf. Abdel Wahhab entschied für das Mitsteinigen der Leibesfrucht.
Macht durch Pilgerstätten und Petrodollars
Weil andere das ablehnten, musste er vom eigenen zum fremden Stamm der Saudis fliehen, denen er durch den Kauf von Gewehren anstelle der bisherigen Lanzen, Schwerter sowie Pfeil und Bogen zu militärischer Überlegenheit verhalf. Später trugen die Eroberung der Muslim-Pilgerstätte Mekka und Medina sowie der Erdölsegen dazu bei, Saudi-Arabien die islamische Führung zu verschaffen und es zu einer Wirtschaftsweltmacht zu machen.
Wahhabismus und Salafismus
Was sich dabei nicht änderte, war der Ungeist einer besonders abstossenden Ausprägung des Islams. Ausserhalb Saudi-Arabiens, wo er bis heute als Staatsideologie dient, entwickelte sich der Wahhabismus zu einem anarchistischen Untergrund und erhielt den Namen Salafismus. Dazu gehören gefürchtete Terrororganisationen wie Al-Kaida, IS oder in Afrika Boko Haram, Schebab und andere. Ihnen allen ist zusammen mit den Saudis nackte Gewalt gegen Andersgläubige oder auch nur Andersdenkende gemeinsam.
Der Scheinreformer
Das zeigt sich gerade jetzt unter dem tatsächlichen Machthaber in Riad, Kronprinz Muhammad Bin Salman, bekannt unter dem Kürzel MBS. Er hatte sich nach seiner Machtergreifung im Königshaus 2017 als Reformer getarnt, Frauenbefreiung, Religions- und Gedankenfreiheit verheissen. Die Emanzipation der weiblichen Welt blieb beim Autofahren und Kinobesuchen stecken, während Frauenrechtlerinnen bald wieder verhaftet wurden und jetzt sogar von Hinrichtung bedroht sind. Die Glaubens- und Geistesfreiheit, als deren Symbol eine frühchristliche Kirchenruine zum Dialogzentrum ausgebaut werden sollte, kam überhaupt nicht zum Tragen.
Im Visier: Schiiten und Christen
Im Gegenteil werden die Schiiten im erzsunnitischen Reich der Saudis unter Bin Salman jetzt schlimmer verfolgt denn je. Für die schätzungsweise fünf Millionen Gastarbeiter – meist evangelische westliche Fachkräfte oder katholische Hausangestellte aus den Philippinen, orthodoxe Eritreer oder Inder – bleiben sogar der Besitz einer Bibel, einer Ikone und gemeinsames Beten in Privaträumen streng verboten. Wer dagegen verstösst, wird mit Auspeitschung und menschenunwürdiger Haft bestraft. Die Vergewaltigung von Christinnen ist für Saudi-Herren ein Kavaliersdelikt. Der Khashoggi-Mord bildet nur die Spitze eines Eisbergs!
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Datum: 24.10.2018
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet