Der Beitrag der Deutschschweizer Landeskirchen an die allgemeine Sozialhilfe kann kaum in Zahlen ausgedrückt werden. Zu unterschiedlich sind die Leistungen, die von den einzelnen Kirchgemeinden und kirchlichen Werken erbracht werden. Sie gehen von kirchlicher Seniorenarbeit über Beratungsangebote für Familien bis hin zur Gassenarbeit. Die Kantonalkirchen haben bisher kaum in die diakonischen Tätigkeiten der Kirchgemeinden eingegriffen und diese auch kaum statistisch untersucht. Die kantonalkirchlichen Institutionen selber sind im Bereich der direkten Sozialhilfe nur wenig aktiv. Am ehesten finanzieren sie Beratungsstellen oder leisten Beiträge an kirchennahe Organisationen, die in bestimmten diakonischen Bereichen tätig sind. Von der Landeskirche des Kantons Aargau erhalten beispielsweise die aargauische Frauenhilfe oder die Fachstelle für Schuldenfragen Beiträge. Zudem führt die Kirche einen Ferienhilfefonds für Familien, die Sozialhilfe empfangen. Im Thurgau unterstützt die Kirche Arbeitslosenprojekte des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen (Heks). Die Kirche von Basel-Stadt hat Angebote eher im Bereich der Beratung. Durch vermehrte Zusammenarbeit mit anderen Konfessionen (katholische Kirche und Heilsarmee) und in Kontakt mit der staatlichen Sozialhilfe reagiert man auf die ständig steigenden Bedürfnisse. In den Kantonen Zürich und Bern liegt Sozialhilfe ebenfalls in erster Linie in der Verantwortung der Kirchgemeinden. Von Jahr zu Jahr steigen die Zahlen der ratsuchenden Stellenlosen im Kanton Thurgau. So haben sich im Jahr 2002 bei der kirchlichen Arbeitslosenberatung 97 Personen gemeldet, im Jahr 2003 waren es bereits 131. Interessanterweise seien es bei den kirchenfernen Personen eher die Frauen, die Hilfe bei der Beratungsstelle suchten; Männer, die in die Beratung kämen, hätten meistens einen Bezug zur Kirche, sagt dazu Hans Jürg Gnehm von der Diakoniestelle der Thurgauer Landeskirche. Auch bei der Sozialberatung der kirchlichen Diakonie in der Stadt Zürich haben die Beratungsgespräche im Jahr 2004 im Vergleich zum Vorjahr um über zehn Prozent zugenommen. Einen zunehmenden Druck auf die Sozialhilfe spürt die kirchliche Diakonie jedoch vor allem an der Basis. Sie höre immer wieder, wie der Druck in der Gemeindediakonie steige, sagt Anna Luchsinger, Leiterin der Stelle für Sozialdiakonie bei der Berner Landeskirche. Entschieden wehrt man sich bei kirchlichen Diakoniestellen dagegen, die Aufgabe des Staates zu übernehmen und bedeutende finanzielle Unterstützung von Einzelpersonen und Familien zu übernehmen. „Es kann doch nicht sein, dass andere Kassen dafür aufkommen müssen, wofür der Staat geradestehen müsste“, sagt Gnehm. Man wolle die staatliche Hilfe allenfalls ergänzen, sagt auch Luchsinger. Bei den stark restriktiven staatlichen Beiträgen werde dies allerdings immer schwieriger. Jürg Stäheli ist Präsident des kantonalen Diakonatskapitels und sozialdiakonischer Mitarbeiter in der Kirchgemeinde im Stadtquartier Bern Bethlehem. In den letzten Jahren hat er bei der kirchlichen Diakonie einen massiv gestiegenen Bedarf an Sozialleistungen beobachtet. Die Klagen der diakonisch tätigen Mitarbeitenden in den Kirchgemeinden hätten stark zugenommen. Man spüre einen zunehmenden Druck, leiste immer mehr und habe doch das Gefühl, es nicht mehr zu schaffen. Der Abbau von Pfarrstellen in Bern habe die Arbeitsbelastung der Diakone zusätzlich erhöht. Die Arbeitsbedingungen für Berufsleute der Diakonie seien so schlecht geworden, dass sich vielerorts ein Demotiviertsein breit mache. In seiner Kirchgemeinde in Bern Bethlehem nehme die Zahl der Menschen, die ihre Existenz kaum noch sichern könnten, ständig zu, sagt Stäheli. Immerhin gebe es hier mit fünf diakonischen Stellen gut funktionierende Sozialdienste. Die Angebote der Kirche umfassen Hilfen zum Einstieg ins Berufsleben, Quartierfragen, Beratung und Unterstützung von Müttern und einen Kindertreff. Das Ziel der Arbeit sei vor allem eine Hilfe zur Selbsthilfe, wobei viel Gewicht auf die Partizipation der Quartierbewohner gelegt werde. Gefördert wird in diesem Sinne besonders auch die Freiwilligenarbeit. Die Angebote im Quartier mit einem hohen Anteil an Migranten, Working Poor und Erwerbslosen müssten besonders niederschwellig sein. Vor allem müsse man auf die Menschen zugehen und ihnen Angebote machen. Im Büro auf sie zu warten, nütze nichts. Auf die Leute zuzugehen, sei heute besonders wichtig, findet auch eine Sozialarbeiterin in der Stadt Zürich. Sie baut zurzeit Kontakte zu Lehrpersonen und Elternvereinen auf, um Familien ausfindig zu machen, die dringend auf Unterstützung angewiesen sind. Eine Unterstützung, die dann in Form von Lebensmittelgutscheinen gewährt wird.Für Familien und Arbeitslose
Begehrte Beratung
Belastete Diakone
Hilfe zur Selbsthilfe
Datum: 03.05.2005
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz