Ein Herz für den Schmerz dieser Welt
Das Leben von Elsbeth Rutishauser (70) ist mit Sicherheit nicht als langweilig zu bezeichnen. Nach einer herausfordernden Kindheit ist sie seit 50 Jahren verheiratet, Mutter von fünf Kindern und zwölf Enkeln. Mit 26 Jahren kam sie zum Glauben an Jesus und mit über 40 begann sie nochmals eine Ausbildung zur Pflegefachfrau. Doch ihre Freude am neuen Beruf wurde durch eine (Zufalls-)Diagnose jäh erschüttert: Nierenkrebs! Eine Niere musste entfernt werden. «Im Gebet stellte ich Gott die Frage: Was soll das, warum Krebs in der Niere?»
Liebevoll zeigte ihr Gott, wie sie Menschen mit Worten vergeben hat, ihre Emotionen jedoch noch tief zugeschüttet waren. «Du hast noch viel Wut in deinem Herzen!» Ja, Elsbeth hatte schlimme Dinge erfahren, doch Gott wollte ihre Erinnerungen und Emotionen heilen. In der Folge fühlte sie nicht mehr Wut, sondern Erbarmen und Schmerz für die Menschen, die ihr Leid angetan hatten. Durch diese Erfahrungen lernte sie viel über das Entstehen von Abhängigkeiten und wurde sensibilisiert für Betroffene.
Eine Mutter für Migranten
Elsbeths Freikirche in Kreuzlingen setzte sich für Migranten ein und öffnete beispielsweise Samstagnachmittags einen Treff. «Es gab Kaffee und Kuchen. Die Migranten erhielten auch Zugang zum Internet. So kam ich in die Migrantenarbeit rein.» Lange Zeit glaubte sie, für diese Arbeit ungeeignet zu sein. «Ich liess mich durch die Tatsache limitieren, dass ich keine Fremdsprachen spreche.» Mittels Google-Übersetzung begann Elsbeth, sich mit ihnen zu verständigen. «Später lud ich sie nach Hause ein – zum Beispiel zum Kochen.» Es waren Menschen aus verschiedenen Ländern und Hintergründen, die meisten waren Iraner.
Langsam wurde Elsbeth zu einer Mutter für diese Migranten und durfte erleben, wie zahlreiche zum Glauben an Jesus fanden. Der Kurs «Komm, folge mir nach», der in verschiedenen Sprachen angeboten wird und speziell für Muslime zugeschnitten ist, war eine grosse Hilfe. Nach einer Umstrukturierung des Migrantenwesens sah Elsbeth ihren Platz zum Anpacken nicht mehr vollumfänglich in dieser Arbeit und zog sich zurück.
«Herr, gib mir Gelegenheit, Menschen zu dienen!»
Da Elsbeth jetzt zusätzliche Zeit zur Verfügung hatte, betete sie, dass Gott ihr neue Möglichkeiten schenkt, um Menschen zu dienen. Und tatsächlich taten sich bald neue Tätigkeitsfelder auf. Diesmal geschah es durch Kontakte zu Suchtkranken. «Mein Herz brennt für Menschen mit Suchtproblemen, vor allem Alkoholproblemen!»
Eine Beziehung mit einer ehemals alkoholkranken Frau, welche erste Glaubensschritte ging, vertiefte sich schnell zu einer intensiven Freundschaft. Elsbeth hat auch sehr viel von ihr gelernt. «Die Frau war so hungrig nach Gottes Wort, dass ich ihr einen Glaubenskurs vorschlug.» Es dauerte nicht lange, bis die Frau sagte: «Elsbeth, ich möchte mich taufen lassen.» Zusammen suchten sie eine christliche Gemeinde und zur Taufe lud sie Menschen aus ihrer AA-Gruppe ein. Diese wurden im Gottesdienst berührt und ihre Herzen öffnen sich jetzt langsam für den Glauben. Und schon steht Elsbeth wieder mittendrin und hat alle Hände voll zu tun, Menschen zu begleiten.
Dann kam Corona
Dann wurde die Welt von Corona überrollt. «Plötzlich hiess es, ältere Menschen müssten geschützt werden.» Aufgrund verschiedener Krankheiten und einer Gefährdung der Atemwege gehört Elsbeth zusätzlich der sogenannten Risikogruppe an. «Da stellte sich die Frage, wie ich Menschen überhaupt noch begegnen kann.» Während sie sich diese Frage stellte und vor Gott brachte, wurde sie innerlich ruhig. «Ich hatte die tiefe Gewissheit, dass Gott mich schützt», erzählt sie und besuchte weiterhin notleidende Menschen. «Ich bin dabei immer im Gespräch mit Jesus und bitte ihn, mir zu zeigen, wen ich besuchen soll.»
Im Moment nutzt Elsbeth vermehrt WhatsApp und Telefon, um Menschen zu ermutigen und mit ihnen beten. Sie will aber auch weiterhin die eigene Türe für Menschen offen halten, auch wenn das für sie ein Risiko bedeutet. Den göttlichen Impulsen Folge zu leisten, hat Elsbeth seit vielen Jahren geübt. Dabei kam sie einmal gerade noch rechtzeitig, um eine Person am Selbstmord zu hindern.
Das Wichtigste ist, Gottes Willen zu tun
«Wenn ich Menschen um mich herum habe, die in Not sind, ist es wichtig, dass ich Zeit für sie habe.» Elsbeth ist dankbar, als Pensionierte Zeit zu haben, um sich Menschen anzunehmen. «Sie sollen merken, welche Wirkung es hat, wenn jemand da ist, der sie liebt, wertschätzt und für sie betet. In diesen Kontakten erkennen die meisten Menschen, dass dahinter Gottes Liebe steht.» Das Wichtigste ist, Gottes Wille zu tun. Hierzu braucht es ein Leben in enger Gemeinschaft mit Jesus.
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Datum: 08.12.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet