Beziehung vor Intellekt

Livenet-Talk: Was gibt der jungen Generation Orientierung?

Nach acht Jahren hat Jonathan Bucher die Leitung des Jugendbereichs «Shine» bei Campus für Christus an Jana Meister abgegeben. Im Livenet-Talk sprechen sie über Erfahrungen, Beobachtungen und Trends in der Jugendarbeit.
Jonathan Bucher und Jana Meister (Bild: Livenet)

«Was ist der Shine Lifestyle?», will Livenet-Redaktionsleiter Florian Wüthrich von Jana Meister wissen. «In Matthäus, Kapitel 5, Vers 14 steht, wir sollen ein Licht in der Welt sein», erklärt sie. Und weiter schlüsselt Jana Meister auf, dass sich Shine aus fünf Begriffen zusammensetze: Share faith: teile den Glauben, Hug people: umarme, schenk Nähe, Inspire yourself: wie lebst du deine Beziehung zu Gott?, Njoy fellowship: geniesse Gemeinschaft,  Equip others: unterstütze andere, rüste sie aus.

«Neue Hoffnungsträger fördern»

Diese Shine-Werte sollen im Alltag umgesetzt werden, so die neue Leiterin des Campus-Jugendbereichs. «Unser Hauptziel ist es, Jugendliche so zu trainieren, dass ihr Glaube Alltagsrelevanz bekommt. Wir wollen neue Hoffnungsträger fördern.»

In allem sei der Beziehungsaspekt deutlich wichtiger geworden, stellt Jonathan Bucher mit Blick auf die letzten Jahre fest. «Die Zeit, in der jemand bei Christen nach Antworten suchte, ist vorbei», findet der 39–Jährige. Eine Person wolle wahrgenommen und mit ihren Fragen ernst genommen werden: «Wie stellst du dir ein erfülltes Leben vor?» Die Beziehungsebene habe die des Intellekts abgelöst.

Jonathan Bucher ist weiterhin beim PraiseCamp als Programmleiter in wichtiger Funktion engagiert. Doch insgesamt hat sich sein Fokus von der Jugend- auf die Studierendenarbeit verlagert. Zudem ist er neu Geschäftsleitungsmitglied bei Campus für Christus.

Hier und jetzt

Das Thema Evangelisation war für Jana Meister lange nicht wichtig. Ihrem Umfeld mitzuteilen, dass es ohne Jesus in die Hölle geht, hat die 27-Jährige abgeschreckt. «Dass der Glaube an Gott im Hier und Jetzt einen Unterschied macht, das hat mich beim Glauben gehalten», erklärt sie. «Kann ich damit umgehen, dass eine Freundin depressiv ist oder was macht der Krieg in der Ukraine mit mir?» Es gehe nicht nur darum, was nach dem Tod geschieht, sondern um das Leben vorher. «Die Liebe Gottes zu reflektieren bedeutet nicht, in die Zukunft zu leuchten, sondern aufzuzeigen, wie sie jetzt spürbar und auch erlebbar ist.»

Was muss man ändern?

«Sich beteiligen zu können ist viel wichtiger geworden», erklärt Jonathan Bucher. Sowohl bei Erwachsenen wie auch sehr deutlich bei den Jungen. Jana nennt ein Beispiel: Ein Jugendpastor habe ihr erzählt, dass er seine Predigt immer seriös vorbereitet habe. «Einmal hatte er den Eindruck, er solle den Text mit den Jugendlichen zusammen ganz offen besprechen». Sie waren begeistert von diesem Vorgehen. Das sei einer der krassesten Abende, die sie zusammen erlebt hätten, meldeten sie danach. «Die Jugendlichen wollen einen Raum, in dem sie ihre Gedanken teilen, dem Glauben begegnen können», stellt Jana fest. «Sie wollen Leuten begegnen, die ihre Überzeugung nicht beschreiben, sondern leben.»

Soziale Medien gehören dazu

Heute suchten junge Menschen als Vorbilder solche, die in einem ähnlichen Alter sind, beobachtet Jana weiter. Jana erwähnt die O'Bros, zwei deutsche, rappende Brüder, die extrem gut ankommen bei der jungen Generation. Dies habe mit der hohen Authentizität und Nahbarkeit zu tun. «Nach eineinhalb Stunden auf der Bühne stehen sie nachher gleich lang daneben und reden mit ihren Fans. Sie sind echt. Wenn Jugendliche dies spüren, und einen Raum bekommen für Begegnung, dann bleiben sie da.»

Dennoch gibt es auch ältere Persönlichkeiten, die durchdringen zu den jungen Menschen, etwa Johannes Hartl. Dazu Jana Meister: «Er ist ein paar Schritte voraus und redet sehr verständlich. Er ist kein typischer Influencer mehr, doch seine Themen sprechen an.»

Entsprechend dem Trend werden es am PraiseCamp 2022 vorwiegend junge Vorbilder sein, die auf der Bühne stehen, erklärt Jonathan Bucher im Livenet-Talk.

Übermorgenland

Zum Schluss des Gesprächs, das am Standort Bern von Campus für Christus aufgezeichnet wurde, spricht Livenet-Chefredaktor Florian Wüthrich die Gäste auf einige globale Entwicklungen an, mit denen die Jugend konfrontiert ist. Er bezieht sich dabei auf Fakten und Analysen des Historikers und Journalisten Markus Spieker aus dem Buch Übermorgenland. Dieser stellt die These auf, dass Freundeskreise «die Kathedralen des 21. Jahrhunderts sein werden, also Orte, wo sich Menschen miteinander und mit Gott verbinden». Bucher und Meister bestätigen das. Globalisierung und Individualisierung forderten nicht nur junge Menschen enorm heraus. Diese Spannung werde sich auch in den Kirchen zeigen. «Jugendliche sind Zukunftsforscher», hält der vierfache Vater Jonathan Bucher fest. Gemeindeleiter sollten auf sie hören, ihre internen und externen Stürme ernst nehmen. Zuzuhören statt Lösungen zu präsentieren sei wichtig. Grund für seine Hoffnung auf die Zukunft sei die persönliche Jesus–Beziehung. Er fragt sich: «Wie kann meine Hoffnung noch mehr bei anderen andocken?». Hier neue, wirkungsvolle Wege zu finden ist das Ziel der beiden Talk-Gäste.

Zur Website von Shine Schweiz

Sehen Sie sich hier den gesamten Livenet-Talk an:


Zum Thema:
«Steps»: Neue Impulse für die Jugendarbeit
BlessBern: Wie Jugendliche und junge Erwachsene sich herausfordern lassen
Ein Ding der Unmöglichkeit?!: Jüngerschaft in der Jugendarbeit

Datum: 19.08.2022
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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