«Voll Porno»

Ein Buch über das Nein-Sagen

Pornografie ist im Web allgegenwärtig. Erwachsene, aber auch viele Jugendliche kennen und nutzen erotische Angebote im Internet. Christoph Pahl hat die Macht der erotischen Bilder und Filme am eigenen Leib erfahren. In seinem Buch «Voll Porno» beschreibt er die vielen Facetten der Pornofalle.
Voll Porno

Christoph Pahl ist Jugendreferent bei «Crossover», der Jugendarbeit des Marburger Kreises, in Leipzig. Er nutzt Freizeiten und Männerabende gerne als Gelegenheit, um das Thema Pornografie anzusprechen. Dabei ist der 29-Jährige niemand, der die Moralkeule schwingt oder mit dem Zeigefinger auf seine Geschlechtsgenossen zeigt. Im Gegenteil: Christoph Pahl weiss, worüber er spricht, denn er hat selbst jahrelang heimlich Pornos konsumiert. Seine Erfahrungen nutzt der verheiratete Jugendmitarbeiter, um Betroffenen und deren Angehörigen zu helfen.

Cybersex ist einfacher als echte Liebe

Regelmässiges Ansehen von Pornografie hat Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein, auf die Beziehungen, den Umgang mit Sexualität und das Bild vom anderen Geschlecht, schreibt er in seinem Buch «Voll Porno». «Das Bild der Pornos versetzt uns in eine Scheinwelt, die oft eine grosse Erwartungshaltung an Frauen mitbringt», schreibt Pahl. Nüchtern betrachtet er die Auswirkungen von Pornokonsum und zitiert einen 21-Jährigen, der sagt: «Der Konsum von Pornos hat mich noch schüchterner und ängstlicher gemacht, offen auf Frauen zuzugehen, die ich attraktiv finde. Wenn sie nur wüsste, wer ich wirklich bin, würde sie mich sofort fallen lassen. Das wiederum verstärkt meinen Drang, mir Pornos anzusehen, denn dort muss ich Frauen nicht wirklich begegnen.» Cybersex ist eben einfacher, als eine echte Beziehung zu gestalten.

Bevor der Autor in seinem Acht-Schritte-Programm erklärt, wie der Weg aus der Pornofalle aussieht, geht er auf die Hintergründe des suchtartigen Verhaltens ein. Hinter der Anziehungskraft von pornografischen Bildern und Filmen steckt seiner Ansicht nach die Suche nach Bestätigung, Liebe und Nähe, aber auch nach Abenteuer. Laut Pahl haben viele Männer schon als Jungen eine distanzierte oder gestörte Beziehung zu ihrem Vater. Immerhin erziehen 20 Prozent der Mütter ihre Kinder alleine. Neben der wachsenden Zahl alleinerziehender Frauen, steigt auch die Zahl der Männer, die zwar in «intakten» Familien leben, für ihre Familie aber nicht präsent sind. Dabei spielen Väter eine wichtige Rolle für die Entwicklung ihrer Kinder. Sie können den Jungen Vorbild und Gesprächspartner sein, besonders bei Themen wie Sexualität und Lust oder der Frage, wie geht man(n) mit dem anderen Geschlecht um. Jungen vermissen oft das männliche Gegenüber, das Anerkennung, Lob oder einfach Nähe und Anleitung schenkt.

Einsamkeit: Nährboden für die Sucht

Pornografie bedient das Bedürfnis nach Liebe nur scheinbar. Der 21-jährige Patrick erklärt das im Buch so: «Ich fühle mich nach dem Konsum von Pornos leer, weil ich das, was ich eigentlich gesucht habe, nicht gefunden habe. Auf der Suche nach Zuwendung und Wertschätzung habe ich nichts davon dauerhaft erfahren.» Heimlichkeiten, Anonymität, Schuldgefühle und Scham begleiteten fast immer den Umgang mit Pornografie. Einer der wichtigsten Schritte sei es daher, mit dem Versteckspiel aufzuhören und sich selbst einzugestehen, dass man ein massives Problem habe, schreibt Pahl. Ausserdem empfiehlt der Autor Betroffenen, sich einen Gesprächspartner zu suchen, mit dem man offen über das Thema reden kann. «Einsamkeit und Beziehungslosigkeit bilden einen idealen Nährboden für den Einstieg in die Pornografie.» Dabei könnten Seelsorger auch mal Rechenschaftspartner sein, die ein Betroffener anrufen kann, wenn er zuhause wieder in Versuchung gerät. «Ich kenne keinen, der alleine von den Pornos loskommt. Keinen!», schreibt Pahl.

Die Stärke seines Buches liegt in der Offenheit und der selbstkritischen und ehrlichen Art, mit der Pahl über das Thema schreibt. Er findet klare Worte und ermutigt Betroffene dazu, offen mit dem Problem umzugehen. In lockerem Stil geschrieben, spricht das Buch sicher auch, aber nicht nur Jugendliche an. «Mein Buch ist ein Beitrag zum Verstehen. Ich hoffe, dass es aufzeigt, wie Frauen und Männer unter Pornos leiden können», schreibt er in einem Kapitel für Eltern und Partnerinnen. «Was ich mir aus meiner Erfahrung als Konsument von Pornos heraus wünsche, ist, dass andere sich Mühe geben, mich zu verstehen.» Verständnis zu zeigen, bedeute allerdings nicht, alles gut zu finden oder zu akzeptieren, sondern zuzuhören und sich zu informieren.

«Voll Porno» bietet Frauen einen Einblick in die Gefühlswelt der Männer, beschreibt aber auch deren innere Zerrissenheit. Pahl lässt auch Partnerinnen zu Wort kommen, die ihren Schmerz, ihre Hilflosigkeit und Trauer beschreiben. Und er ermutigt sie dazu, ihre eigenen Gefühle klar auszusprechen und ihren eigenen Wert nicht von ihrem Mann abhängig zu machen. Frauen, deren Partner Pornos konsumieren, rät er dazu, eine klare Stellung zu beziehen. «Das Schlimmste, was meine Frau hätte machen können, als sie erfahren hat, dass ich Pornos konsumiere, wäre zu sagen: 'Ach ist mir egal. Mach doch was Du willst.' Wir brauchen es, dass uns unsere Partnerin kräftig schüttelt, damit wir kapieren, was wir tun.» Neben aller Strenge kann nur Vergebung und Liebe wirklich zu Heilung beitragen, davon ist Pahl überzeugt.

«Voll Porno» Warum echte Kerle «Nein» sagen. Christoph Pahl, Francke Verlag, 198 Seiten, 9,95 Euro, ISBN: 978-3-86827-166-9

Datum: 12.07.2010
Quelle: PRO Medienmagazin

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