Ein Lebensstil des Segnens
Nur wenige Christen sind fähig, das Neue Testament im Altgriechischen zu lesen. Ein Blick auf die Originalsprache des Neuen Testaments kann jedoch interessante Erkenntnisse zutage bringen. So fasziniert beispielsweise eine nähere Betrachtung des Wortes «eulogeo».
Gut über jemanden sprechen
Das griechische Wort εύλογέω (eulogeo) wird im neuen Testament üblicherweise mit «segnen» übersetzt. Das Wörterbuch von Nestlé-Aland gibt als mögliche Übersetzungen auch «gut reden von», «loben», «rühmen», «preisen» oder «danken» an. Damit haben wir eine weitere Umschreibung des Wortes «segnen».
Im «Wörterbuch zum Neuen Testament» von Walter Bauer finden wir folgende Umschreibung von «eulogeo»: «Segnen, indem man Gottes gnadenreiche Kraft herabwünscht.» Da klingt ein Loben mit. Der Segnende preist Gottes Güte über einer Person. Und dies ist letztlich nichts anderes als «gut über jemanden sprechen».
Falsches oder mangelhaftes Verständnis vom Segnen
In unserem Sprachgebrauch wird «segnen» oft als Synonym für «Gutes tun» verwendet. So sagt jemand: «Mein Nachbar segnete mich mit 500 Franken!» Mit der Bedeutung des Wortes «eulogeo» hat dies aber wenig zu tun. Wenn wir jemanden segnen, sprechen wir Gutes über dieser Person aus und/oder Rühmen Gottes Güte über ihr.
Oft wird das Segnen auch als das Schenken einer Gabe verstanden. Die zunehmend verbreitete Vorstellung, dass Gott uns einmal mit allen Segnungen gesegnet hat (mit Verweis auf Epheser Kapitel 1, Vers 3) und wir deshalb nicht einen weiteren Segen erwarten dürfen, entspricht nicht der Bedeutung von «eulogeo». Es käme uns ja auch nicht in den Sinn, Gott nicht mehr zu loben, weil damit unser bereits gebrachtes Lob als ungültig betrachtet würde. Segnen ist keine einmalige Gabe, sondern ein Aussprechen des Guten und Loben von Gottes Güte.
Auch einen zwingenden Zusammenhang von segnen («eulogeo») und beten stellt das Neue Testament nicht her. Trotzdem wird «segnen» aber als ein Bitten um Gottes Segen verstanden. Auch wenn es keinen Hinweis gibt, dass dies falsch ist, entspricht ein solches Gebet aber doch nicht der Bedeutung von «eulogeo».
Ein Lebensstil des Segnens
Aufgrund der bisherigen Betrachtung kann sich nun überlegt werden, wie ein Lebensstil des Segnens aussehen mag. Dabei geht es nicht in erster Linie um Gebet und auch nicht um eine einmalige, punktuelle Handlung. Vielmehr beinhaltet ein Lebensstil des Segnens, dass wir gut über jemanden sprechen und Gottes Güte über einer Person rühmen. Eine positive Sprache über Menschen soll unser ganzes Reden durchdringen.
«Segnet, die euch verfolgen» (Römer Kapitel 12, Vers 14) findet genau dort Anwendung, wo wir schlecht behandelt, schikaniert oder gar verfolgt werden. Sprechen wir gute Dinge über den Menschen aus, mit deren Ansichten wir überhaupt nicht übereinstimmen? Können wir Gottes Güte über Andersdenkenden rühmen? Und finden wir (auch) gute Worte für diejenigen, die uns enttäuscht oder verletzt haben?
Ob wir einen Lebensstil des Segnens pflegen, kann unser Umfeld sehr schnell beurteilen. Ein verinnerlichtes «eulogeo» wird auf jeden Fall Spuren hinterlassen.
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Datum: 11.10.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet