Weihnachten - Gottes provokativer Schachzug
Es gab rund 800 v. Chr. unter den Juden einige Propheten, die sehr deutliche Vorhersagen machten über diesen Messias: Er werde das Licht nicht nur für die Juden sein, sondern für alle Menschen der Erde. Er werde sich besonders um die Benachteiligten und Ausgestossenen kümmern. Und er werde den Menschen zeigen, wie sie mit Gott eine unmittelbare und persönliche Beziehung haben können. Einer dieser Propheten, sein Name war Jesaja, sagte sogar voraus, dieser Messias werde als Kind einer Jungfrau auf die Welt kommen. Sein Leben würde das verkörpern, was der Name "Immanuel" ausdrückt: Gott wird durch ihn unter seinem Volk wohnen und ihnen nahe sein.
Wenn Christen darum mit Überzeugung Weihnachten feiern, dann feiern sie mit Freude und Enthusiasmus die Erfüllung genau dieser Jahrhunderte alten Voraussagen.
Umstände überraschend
Eines muss allerdings auch gesagt werden: Wie Gott diese prophetischen Voraussagen erfüllte, das sprengte eindeutig die kühnsten Erwartungen, die man mit ihnen verband. Die Art, wie sie sich erfüllten, war für viele Zeitgenossen von Jesus sogar eine gewaltige Provokation. Denn im Verlauf jahrelanger Unterdrückung hatte sich im jüdischen Volk immer mehr ein sehr einseitiges Messiasbild entwickelt. Dieser von Gott gesandte Messias, so malte man es sich aus, werde bestimmt als machtvoller Retterfigur, als eine Art Volksbefreier aus dem Nichts auftauchen. Er werde die mutigsten und stärksten Männer des Volkes um sich scharen und mit ihnen die Feinde und Unterdrücker des jüdischen Volkes besiegen und vertreiben. In den vier Jahrhunderten vor der Geburt von Jesus hatten sich die Voraussagen der Propheten im Kopf der Menschen mit der festen Vorstellung eines militärischen Volksbefreiungsführers verbunden.
Gott aber liess sich nicht vor diese Erwartungen spannen und liess den Messias, seinen eigenen Sohn, als ein kleines, hilfloses Baby zur Welt kommen. So berichten es die massgebenden Quellen im Neuen Testament.
Drei wichtige Aspekte
Dass Gott sich gerade über die Geburt dieses Kindes Jesus den Menschen mitgeteilt hat, beinhaltet für Christen drei wichtige Aussagen:
Erstens: Gott macht sich selbst klein. Er kommt in der Gestalt seines Sohnes nicht als ein machtvoller Befreiungskämpfer in die Welt, sondern als ein Kind. Gott macht sich so klein, wie man sich nur klein machen kann: Zuerst besteht Jesus aus einer einzigen winzigen Eizelle, dann aus einem erbsengrossen Fötus, schliesslich als Embryo und dann wird er als blutverschmiertes Kleinkind von einem jungen Mädchen geboren! Gott macht sich klein. Er kommt ganz auf die Stufe der Menschen. Er schlüpft in ihre Haut und hebt sich nicht meilenweit überlegen von ihnen ab. Er begibt sich auf Augenhöhe der Menschen, die ihm wichtig sind und denen er sich ganz neu mitteilen möchte. So sagt einer seiner treusten Anhänger einige Jahre nach dieser Geburt: "Er wurde ein Mensch und wohnte unter uns. Wir konnten ihn mit eigenen Händen berühren und mit den eigenen Augen sehen. Und dennoch erkannten wir ihn als den Sohn Gottes, der von Gott zu uns geschickt wurde."
Zweitens: In der Geburt von Jesus Christus macht Gott sich zugänglich. In vielen Religionssystemen ist die Furcht vor den Göttern, vor Allah, vor den Geistern und Dämonen, ein beherrschender Gedanke. Der Mensch steht einem ihn weit überragenden Gott gegenüber, der unnahbar und unberechenbar ist. Auch im Alten Testament werden solche Gottesbegegnungen beschrieben. Da fällt tot um, wer nur den Kasten mit den von Gott gegebenen Gebotstafeln berührt. Da muss der um sein Leben fürchten, dem sich Gott zeigt. Da bleibt einer mit einer lebenslangen Behinderung zurück, der sich ahnungslos in einen Kampf mit Gott einlässt. Jetzt aber, in der Geburt von Jesus Christus "inszeniert Gott einen Überraschungsangriff als Kind in einer Krippe" (Philip Yancey). Ein kleines Kind verbreitet alles andere als Schrecken. Es löst Zutrauen aus, nicht Angst. Gott kann durch Jesus zu den Menschen sprechen, ohne dass unter ihnen Furcht und das Gefühl einer unendlichen Distanz aufkommt. Genau das bezweckte Gott mit der Geburt von Jesus: Die gewaltige Kluft zwischen Gott uns Mensch soll endlich überwunden werden!
Drittens: Durch die Geburt von Jesus macht Gott sich verständlich. Jesus lebt sein Leben als Mensch unter Menschen. Er spricht die Sprache der Menschen. Gott kommt uns in vertrauter Gestalt nahe, nicht im Donnergrollen oder in apokalyptischen Blitzlichtern. Gott schlüpft in seinem Sohn Jesus in unsere Haut. Damit macht er sich verletzlich. Und er riskiert mit diesem grenzüberschreitenden Entgegenkommen, dass wir ihn gar nicht mehr als Gott sehen und ihn als Gott ernst nehmen. Warum riskiert er das? Gott will verstanden werden. Die Menschen, die Jesus ernst nahmen, verstanden, was er meinte und ihnen sagen wollte. Unverständlich blieb er nur denen, die nicht akzeptieren konnten, dass Gott eben nicht als übermächtiges Superwesen gekommen ist und all ihre religiös-nationalistischen Befreiungsträume erfüllt hat. Gott ging es durchaus ums Thema Befreiung. Aber auf einer ganz anderen Ebene. Bei Jesus geht es um eine innere Befreiung. Um die Befreiung aus der Selbstbezogenheit. Um Befreiung aus inneren Verstrickungen, seelischen Verletzungen und ungelöster Schuld. Jeder, der das suchte, sollte es durch Jesus bekommen. Um diese Befreiungsabsicht Gottes verständlich zu kommunizieren, wurde Jesus Christus ein Mensch.
Weihnachten ist tatsächlich die Erfüllung der Worte des Propheten Jesaja: Gott kommt zu uns und wohnt unter uns. Er ist bei uns und will bei uns bleiben. Denn Gott ist ein Gott, der auf Tuchfühlung geht. Er sucht unsere Nähe. Das ist typisch für Liebende. Und Gott ist ein solcher Liebender.
Weihnachten ist die ungewöhnlichste und tiefste Liebeserklärung Gottes an uns Menschen!
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Autor: Thomas Härry
Datum: 24.12.2006
Quelle: Jesus.ch