Libanon: Im Zentrum von Gottes Willen
Pastor Said Deeb ist seit Jahrzehnten Pastor der Church of God in Beirut und leitet das Life Center, in dem jeden Tag 300 syrische Familien versorgt werden und 250 Kinder Hausaufgabenbetreuung erhalten, Andachten hören und eine warme Mahlzeit bekommen. Das Life Center liegt in einem der ärmsten Gebiete der Stadt, nur einen Kilometer vom Hafen entfernt.
Am 4. August 2020, dem Tag der schlimmen Explosion, waren wie gewohnt Hunderte Menschen – Flüchtlinge und freiwillige Mitarbeiter – im Zentrum versammelt. «An dem Morgen war ich mit meinem Team in der Gemeinde, wir haben lange Zeit gebetet und alle waren niedergeschlagen und traurig über die Situation», berichtet Pastor Said Deeb im Interview mit Pastor Thomas Lohnke der Familiengemeinde Langenthal.
«An dem Morgen fühlte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich wusste nicht, dass es eine Explosion geben würde, aber ich spürte, dass ich eine innere geistliche Mauer nicht durchbrechen konnte.» Diese Niedergeschlagenheit war für ihn ungewohnt, ein Alarmzeichen. Kurzentschlossen schickte er zum ersten Mal in seinem Leben alle Menschen nach Hause. «Ich sagte: Macht alles dicht, hört mit allem auf und geht nach Hause. Ihr sollt dort mit euren Familien beten.» Es war erst etwa 15 Uhr, normalerweise wäre am Nachmittag Unterricht gewesen, ab 18 Uhr beginnen Jüngerschaftskurse.
Durch den Heiligen Geist gerettet
Kurz vor 18 Uhr explodierte das Warenhaus im Hafen. Pastor Said war ausserhalb von Beirut gewesen und raste im Auto in die Stadt zurück – bald sah er überall Zerstörung. Er selbst verlor drei Häuser, Angehörige waren verletzt. Als er nach Tagen wieder zum Life Center kam, verstand er, dass es Gott gewesen war, der ihn so unruhig gemacht hatte – alle Tore, alle Fenster, alle Türen waren zerstört. «Ich kam gar nicht rein, weil die Deckenverkleidung auf den Boden gestürzt waren.» Selbst Fensterrahmen waren von einer Zimmerseite auf die andere geflogen. Hunderte von Menschen, die noch drei Stunden vorher im Gebäude gewesen waren, wurden durch den Heiligen Geist und Saids rasches Handeln gerettet.
Über 200 Menschen starben durch die Explosion, 6'000 wurden verletzt, 300'000 verloren ihr Dach über dem Kopf. «Das war ein Wunder! An dem Morgen hatten wir für Beirut gebetet – und Gott rettete Beirut! Hinterher hiess es, so eine Explosion hätte mindestens 100'000 Menschen das Leben kosten müssen.»
Wiederaufbau
Drei Tage lang war der Pastor völlig niedergeschlagen – das komplette Gebäude, die jahrelange Aufbauarbeit, alle seine Träume waren mit einem Schlag weg. Doch als er nach wenigen Tagen den Mitarbeitern gegenüber stand, wurde ihm klar: «Ich werde nicht aufgeben! Wir beginnen mit dem Aufräumen! Räumt mein Büro auf, das nutzen wir als Verwaltungszentrum. Und räumt die Küche auf – wir werden all die Menschen in Not versorgen.»
Er nahm ein Video auf, dass im Internet viral ging. So hörten viele Gemeinden weltweit von den Problemen und Spenden erreichten die Gemeinde, was die Versorgung der Menschen sowie den Wiederaufbau unterstützte. Drei Monate lang ging die Jugend der Gemeinde auf die Strassen und verteilte dort Essen und Wasser an diejenigen, die dort aufräumten, und betete für sie. Andere Freiwillige bauten die Gemeinde und das Zentrum wieder auf. «Wir danken jedem, der unsere Arbeit durch Spenden unterstützt hat!»
Auch libanesische Christen meldeten sich. Früher hatten sie Pastor Said vorgeworfen, sich nur um Muslime und Ausländer zu kümmern. Die Krise brachte sie zum Life Center – und letztendlich wurde 1'000 betroffenen libanesischen Familien geholfen. Viele von ihnen nehmen jetzt erstmals an Bibelkreisen der Gemeinde teil.
Aktualität: «Alles ist zusammengebrochen»
Dies war vor 1,5 Jahren. Wie sieht die Situation heute aus? «Heute ist der Libanon zusammengebrochen: Banken sind geschlossen, das komplette Wirtschaftssystem und die Politik sind zusammengebrochen (…). Die Situation ist sehr entmutigend.» Lebensmittel- und Benzinpreise sind in die Höhe geschnellt, es gibt kaum Hilfe von draussen.
Auf die Frage hin, was ein Teil der Lösung sein konnte, zitiert Pastor Said 2. Chronik Kapitel 7, Vers 14: «Wenn dieses Volk, das meinen Namen trägt, sich mir in Demut unterordnet, von seinen falschen Wegen umkehrt und nach mir fragt, dann will ich ihnen vergeben und ihr geplagtes Land wieder heilen.» Seine Analyse: «Ich weiss nicht, wie viel die Menschen noch brauchen, bis sie sich demütigen und zu Gott zurückkehren. Aber ich sehe, dass Menschen zurückkommen zu Gott und in der Kirche Hilfe suchen. Das ist ein guter Start, aber es muss auch auf politischer Ebene geschehen.» Denn die regierenden Politiker seien ehemalige Militärs, die Gott nicht um Vergebung bitten, sondern vielmehr stolz auf ihre teils schlimme Vergangenheit sind. Auch für die anstehenden Wahlen im Mai hat Pastor Said Deeb keine grosse Hoffnung. «Wir brauchen ein Wunder – und dafür brauchen wir viel Gebet!»
Im Zentrum von Gottes Willen
«Wer aus dem Libanon fliehen kann, der tut es. Aber wir haben im Reich Gottes eine andere Perspektive. Ich sehe es als Chance für uns. Bei jeder Krise habe ich zu Beginn Angst. Dann suche ich Gottes Nähe und er tröstet mich und sagt mir: 'Geh zu den Leuten, sie brauchen dich.' (…) Wir können den Menschen bedingungslose Liebe zeigen, ihnen helfen.» Doch wie können die Christen im Westen den Menschen im Libanon helfen? «Als allererstes durch Gebet. Und indem ihr uns ermutigende SMS oder Nachrichten schickt: 'Wir haben euch lieb, wir beten für euch!' Das ist für uns wie ein Zeichen Gottes…» Aktuell liegen Spenden in libanesischen Banken, doch die Gemeinde kommt schon seit Monaten nicht an das Geld. Dies sei ein aktuelles Gebetsanliegen.
Dass Pastor Said, der selbst auch einen Schweizer Pass besitzt, weiter im Libanon bleibt, mag für viele verrückt klingen. Doch er selbst möchte einfach nur Gott dienen. «Ehrlich gesagt hatte ich schon oft den Gedanken, ob Gott nicht vielleicht doch möchte, dass wir in die Schweiz oder in die USA ziehen.» Jedes Mal ruft er seine Familie zusammen, und fragt die Kinder, doch ihre Antwort ist immer: «'Wir können nicht gehen, wir haben eine Berufung, um all die Leute um uns herum zu ermutigen.' Natürlich könnte ich den 34 Mitarbeitern Geld schicken, aber sie brauchen kein Geld – sie brauchen mich vor Ort. (…) Meine Sicherheit liegt nicht in der Schweiz – sie liegt darin, dass ich Gottes Willen erfülle, und das ist im Libanon.»
Hier können Sie das komplette Interview (auf Englisch) ansehen.
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Datum: 02.04.2022
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Familiengemeinde Langenthal