«Gehört der Islam zur Schweiz?»
Gleich zu Beginn wurde deutlich gemacht, dass eine solche Veranstaltung nur einige Einblicke zu dieser hochkomplexen Frage liefern könne. Aber die Tatsache, dass zwei der drei Referate aus dem persönlichen Hintergrund einer ursprünglich muslimischen Insiderperspektive kamen, machte zusätzlich nachdenklich – nach dem Motto: «Die kennen das von innen, vom eigenen Leben...».
Wer hat welche Brille?
Der Islamwissenschaftler und christliche Theologe M. Hikmat von Zukunft CH betonte denn auch, dass viele heutige Stimmen, die sich für eine öffentlich-rechtliche Anerkennung der muslimischen Gemeinschaften stark machten, eine bestimmte Brille hätten, durch welche sie das Anliegen beurteilten. Man gehe nämlich davon aus, dass auf diesem Weg die Integration der Muslime in unsere Gesellschaften gefördert würde und der Entwicklung von Parallelgesellschaften und der Radikalisierung entgegengewirkt werden könne.
Eine plausible These, so Theologe Hikmat, doch müssten kritische Anfragen erlaubt sein. Man dürfe die Augen nicht verschliessen, denn der Islam habe in seinen Grundwerten Aspekte, die mit den unseren nicht vereinbar seien. So verlange die Schweizerische Gesetzgebung, zum Beispiel, dass eine wirklich freie Wahl der religiösen Zugehörigkeit oder der jederzeitige Austritt von dieser möglich sein müssten. Um der Schweiz dennoch das Etikett eines multikulturellen Landes unbedingt verleihen zu können, wolle man alles mögliche unternehmen, um Kompatibilität des Islam mit der schweizerischen Gesellschaft zu demonstrieren. Tests und Ausbildung von Imamen könnten aber von den islamischen Grundwerten her keine tauglichen Werkzeuge sein. Theologe Hikmat äusserte hier Zweifel beim Stichwort Ehrlichkeit, und kritisierte die Ausführungen auf der Website des SRF zu diesem Thema. Für ihn seien die dortigen Inhalte Augenwischerei. Der Referent zog damit ein hartes Fazit, welches bei der Zuhörerschaft hoffentlich dazu führen wird – so die Meinung des Autors dieser Zeilen –, selber ausführlich zu recherchieren und entsprechende Gespräche zu suchen.
Prägung in der Tiefe der Herzen
Ähnlich kritische Einschätzungen äusserte die in Österreich lebende Laila Mirzo, ehemalige Muslima und heutige Trainerin für interkulturelle Kompetenz. Sie bezweifelte, ob der Islam überhaupt offen sein könne für ein humanistisches Update. Kurse über Wertefragen mit nach Deutschland und Österreich eingewanderten Muslimen hätten ihrer Erfahrung nach nicht die gewünschten Erfolge gebracht. Als ein Beispiel führte sie auch die Tatsache an, dass die in diesen Ländern lebenden Türken mit unerwartet hohen Anteilen für die vermehrte Machtfülle des türkischen Präsidenten gestimmt hätten – das Gegenteil dessen, was unsere Gesellschaft sich unter Demokratie vorstellt. Integration sei eben viel mehr als nur die fremde Sprache zu lernen.
Weil im Islam Religion, Politik und persönliche Rechte eine Einheit bildeten und es in der Tiefe der Glaubenslehre nur Gläubige und Ungläubige gebe, könne niemals von echter Religions- und Meinungsfreiheit gesprochen werden. Wie das dann praktisch aussehe, könne man in heutigen islamischen Ländern gut beobachten. Einzelne negative Auswüchse wie, zum Beispiel, verbotene Auslandfinanzierungen würden, so die Referentin Laila Mirzo, heute durch den österreichischen Verfassungsschutz untersucht. Für sie sei der Islam eine politisierte und ideologisierte Religion, in der der Mensch entmenschlicht werde.
Macht steht über allem
Von Politik- und Sicherheitsexperten Professor Dr. Albert Stahel, ehemaliger Dozent an der Militärakademie der ETH in Zürich, ergab sich ein ähnlicher Tenor. Er fragte, ob die Öffentlichkeit denn weltfremd sei, indem sie nicht erkenne, dass das Thema der öffentlich-rechtlichen Anerkennung muslimischer Gemeinschaften keine bloss religiöse, sondern eine zutiefst politische Frage sei? Seine Reisen in viele islamische Länder hätten ihm gezeigt, wie die Lebenswirklichkeit dort tatsächlich sei, beispielsweise im Hinblick auf Frauenverachtung und Machtausübungen. Machtausbreitung im globalen Sinne, trotz unterschiedlicher religiöser Schwerpunkte der verschiedenen islamischen Strömungen, sei generell das Ziel. Und wenn es, wiederum global gesehen, irgendwo ein Macht-, Gestaltungs- und Wertevakuum in einer Region gebe, sei die Konsequenz klar. Auch Europa, so Stahel, sei ein Kandidat, denn die gewachsenen christlichen Werte seien im Zusammenbruch begriffen.
Vertiefung nötig: Podium und weitere Vorträge
Nach den drei Vorträgen entlockte Zukunft-CH-Geschäftsführerin Beatrice Gall auf dem Podium nebst den Referenten auch SVP-Nationalrat Lukas Reimann, der FDP-Politikerin Christine Kohli sowie Niklaus Herzog, ehemaliger Geschäftsführer der Kantonalen Ethikkommission Zürich, interessante Aussagen zum Thema Kompatibilität des Islam für die Schweiz. Begriffe wie Verhüllungsverbote, Gleichberechtigung von Mann und Frau, sogenannte Islamophobie, Leitkultur etc. zeigten, was unsere Gesellschaften vielleicht unbewusst, aber zutiefst beschäftigt.
Folgerichtig wurde zum Schluss der dreistündigen Veranstaltung für das Frühjahr 2018 eine Vortragsreihe zu diesem wegweisenden Themenkomplex angekündigt. In der Tat – so erlaube ich mir den Schlusssatz, mögen wir einerseits echt gesprächsfähig werden und andererseits zwischen einer Ideologie und den einzelnen Menschen unterscheiden.
Zum Thema:
Verdrängte Kontroverse: Gehört der Islam zur Schweiz?
Zukunft CH warnt: «Keine öffentliche Anerkennung» für Islam in der Schweiz
Offener Brief an Doris Leuthard: Nüesch: «Islam als Religion gehört nicht zur Schweiz»
Datum: 21.11.2017
Autor: Tom Sommer
Quelle: Livenet