Für politischen Hype missbraucht?

Umstrittener Bonhoeffer-Film im Kino

Ausschnitt aus dem Film «Bonhoeffer»
Am gestrigen 13. März startete in deutschsprachigen Kinos der Film «Bonhoeffer», verfilmt von christlichen Filmstudio Angel Studios. Er wird von den einen gelobt, von anderen massiv kritisiert. Und Theologen warnen vor Bonhoeffer-Hype.

Jörn Schumacher lobt den Film im Medienmaganzin «pro»: «Angel Studios hat mit `Bonhoeffer` einen eindrucksvollen Film über den bekannten deutschen Widerstandskämpfer veröffentlicht. Eine deutsche Top-Besetzung und ein erfahrener Regisseur sorgen für ein sehenswertes Denkmal für Dietrich Bonhoeffer.» Er lobt das Drehbuch durch den Amerikaner Todd Komarnicki und die Besetzung durch «einige der besten Schauspieler, die Deutschland zu bieten hat». Er hebt vor allem hervor, dass Bonhoeffer in den Kirchen in Harlem «echten Glauben statt toter Religion» und eine persönliche Beziehung zu Gott gefunden habe. «Christus ohne Religion» sei nicht nur eine persönliche, sondern auch eine grundsätzliche Frage: «Es gab in der Geschichte keinen Menschen, der Religion mehr gehasst hat als Jesus Christus. Er wollte nie unsere Religion. Er wollte uns», betonte Bonhoeffer in einer Predigt. Die Nazis hätten Religion aber offenbar geliebt, und genau deswegen hätten sie die wahrhaftige Nachfolge Jesu verachtet.

Zur Botschaft des Films wird Regisseur Komarnicki zitiert: «Dietrichs Botschaft des Friedens und des Mutes ist im Jahr 2023 genauso dringend wie im Jahr 1945.»
Rezensent Schumacher sind fehlende historische Elemente und unhistorische Darstellungen im Film offenbar nicht so wichtig: «Auch über andere marginale historische Ungenauigkeiten muss der Zuschauer hinwegsehen», hält er fest.

«Hanebüchenes Ärgernis – ein Fake-Film»

Ganz anders sieht es Karsten Huhn in «IDEA Schweiz» vom 12. März 2025. In einem Kommentar «Bonhoeffer, der Superheld» nennt er «zwei grosse Schwächen», die den Film «ungeniessbar» machen. Einmal: «Der Film ist so pathosgeladen und kitschig, dass er stellenweise zur unfreiwilligen Satire wird.» Bonhoeffer werde einerseits als Alleskönner dargestellt, der spontan in einem Jazzclub zum Trompetenspiel von Louis Armstrong improvisierte; dreimal werde er blutig geschlagen – «belehrendes Kino, das den Zuschauer ständig daraufstösst, dass Bonhoeffer ein gottgleiches Martyrium zu durchleiden hatte».

Am meisten bemängelt Huhn aber: «Weit schwerer wiegt jedoch der grobschlächtige Umgang mit historischen Fakten.» Natürlich gebe es die künstlerische Freiheit eines Regisseurs, aber «viele Szenen sind so freihändig inszeniert, dass man seinen Augen nicht traut». Huhn nennt eine Menge dieser Szenen – und kommt zum Schluss, der Film sei «ein hanebüchenes Ärgernis, ein Fake-Film, zusammengestückelt aus Wunschvorstellungen des Regisseurs. Die Bonhoeffer-Biographie ist spannend genug. Sie braucht diese aufgemotzte Superhelden-Version nicht.»

Offener Brief gegen Bonhoeffer-Missbrauch in den USA

In einem offenen Brief haben deutsche und amerikanische Theologen übrigens bereits 2024 dagegen protestiert, dass Bonhoeffer und damit auch der Film in den USA missbraucht werden könne, um politische Gewalt zu legitimieren: «Auch heute setzen christliche Nationalisten in den USA ihre politischen Gegner mit Nazi-Verbrechern gleich und stellen ihre eigenen militanten Aktionen auf eine Stufe mit dem Widerstand gegen die nationalsozialistische Schreckensherrschaft. Sie missbrauchen Dietrich Bonhoeffers Widerstand gegen Hitlers Regime als Tarnung für ihre Agenda und ihre zunehmende Gewaltbereitschaft.» Solche Narrative seien «brandgefährlich». 

Der neue Spielfilm »Bonhoeffer: Pastor. Spion. Attentäter« verspreche, die «wahre, unerzählte Geschichte» eines Mannes zu erzählen, »der Liebe predigte und gleichzeitig das Attentat auf einen Tyrannen plante«. In der Werbung stellten die Angel Studios immer wieder den direkten Bezug zur Gegenwart her: »Der Film wirft die Frage auf: Wie weit wirst du gehen, um für das Richtige einzutreten?« Im aktuellen, stark polarisierten Klima der Vereinigten Staaten seien dies gefährliche Worte. Dietrich Bonhoeffer habe dagegen immer den Blick von Christus vertreten, der die Geschichte «aus der Perspektive der Ausgestossenen, der Verdächtigen, der Geschundenen, der Machtlosen, der Unterdrückten und Geschmähten, kurz aus der Perspektive der Leidenden« gesehen habe.

Der Offene Brief schliesst: «In den Vereinigten Staaten werden die kommenden Wochen und Monate von Polarisierung und Spaltung geprägt sein. Christliche Nationalisten werden Dietrich Bonhoeffers Worte und sein Zeugnis benutzen, um Gegner zu dämonisieren, «Amerika First» zu rufen und Gewalt zu rechtfertigen. Wir warnen: Nichts verbindet solche Parolen und Handlungen mit dem, wofür Dietrich Bonhoeffer gelebt hat und wofür er hingerichtet wurde. Möge sich niemand täuschen lassen!»

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Datum: 14.03.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / pro Medienmagazin / IDEA Schweiz

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