Herzchirurg

Thierry Carrel und die Gnade

«Gnade ist Liebe, die keine Gegenleistung verlangt», sagt der bekannte Schweizer Herzchirurg, der nach eigenen Worten seinen Beruf mit Leib und Seele ausübt. Für ihn ist Gnade ein Faktor im Berufsalltag, auch wenn er nicht davon spricht.
Thierry Carrel

«Müsste ich Gnade einem Kind erklären, würde ich ihm von Wohlwollen und Zuwendung erzählen. Von Liebe, die keine Gegenleistung verlangt», sagte der Herzchirurg im Berner Inselspital der Zeitung «reformiert». Ehrlich gesagt, brauche ich das Wort in meinem Alltag kaum, es hat so was Heiliges, Unantastbares – zumindest im Deutschen. Meine Muttersprache, das Französische, ist da differenzierter und facettenreicher: la grâce, la faveur, le pardon, le miséricorde, la clémence, l’indulgence …

«Schaue ich auf mein Leben zurück, empfinde ich es als Gnade, dass meine Eltern mir die Möglichkeit gaben, aufs Gymnasium zu gehen und später sogar Herzchirurg zu werden», ergänzt Carrel. «Später war es dann mein Glück – ja, vielleicht könnte man auch da von Gnade sprechen –, dass ich jeweils im richtigen Moment bereit war für den nächsten Entwicklungsschritt. So öffneten sich mir in der Chirurgie viele Türen.»

Von Patienten hört man, Carrel sei ein «begnadeter Chirurg». Carrel dazu: «Dass ich tagtäglich so viel Freude und Leidenschaft empfinde für das, was ich tue, sehe ich als Gnade an. Daraus erwächst mir die Kraft, im hochtechnologisierten Spitalalltag für Menschlichkeit, Wertschätzung und Zuwendung einzustehen.» Der Chirurg weiss aus christlicher Grundhaltung heraus: «Was bringt dem Menschen ein perfekt gelungener chirurgischer Eingriff, wenn er mit all seinen Sorgen, Zweifeln und Ängsten allein gelassen wird? Ich möchte als Arzt für meine Patienten da sein, auch wenn ich meine Bedürfnisse dabei hintanstelle.» Carrel gilt als Pionier einer Medizin, die auch die «spirituellen Bedürfnisse» der Patienten ernst nimmt.

«Abends, wenn es ruhiger wird im Spital, setze ich mich oft an die Betten meiner Patientinnen und Patienten, höre zu, erkläre, muntere auf. Diese Momente sind für mich zentral – und voller Gnade», so Carrel gegenüber der Zeitung.

Datum: 04.04.2013
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / reformiert

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