Krankensalbung bringt Heilung
«Wenn Missionare von ihrer Tätigkeit berichteten, hing ich ihnen an den Lippen», erzählt Annelise Buchegger. Immer wieder besuchten solche die Freikirche, zu der Annelise mit ihrer Familie gehörte. Schliesslich hatte das Mädchen den Eindruck, Gott rufe es aus dem beschaulichen Bazenheid im Toggenburg nach Angola in seinen Dienst. Nach einer Verkaufsausbildung zog Annelise deshalb nach England, wo sie in einem Internat für Missionarskinder mitarbeitete und Englisch lernte. Später folgte die Bibelschule auf St. Chrischona.
Doch dann stellte sich heraus, dass Annelise nicht tropentauglich ist. Als Kind war sie oft krank gewesen. Der Kinderarzt hatte damals betont, sie sei sehr sensibel und dürfe nicht zu stark belastet werden.
Ende des Traums
«Diese Diagnose war für mich wie ein Schlag in den Magen», erinnert sich die heute 80-Jährige. «Ich verstand Gott nicht mehr und fiel psychisch in ein tiefes Loch.» Schliesslich nahm sie eine Stelle als Gemeindehelferin der Chrischona Rafz an. Zusammen mit dem Pastor betreute sie sieben umliegende Gemeinden. Hier blühte die junge Frau auf, gründete zwei Jungscharen und setzte sich voll ein.
Doch zwei Jahre später war sie ausgebrannt. Annelise zog zu ihren Eltern zurück, und langsam kam sie wieder zu Kräften. Sie arbeitete nun halbtags im Büro des Bibelheims Männedorf an, später übernahm sie auch Aufgaben im Zimmerdienst. Doch je länger desto öfter wurde sie von Depressionen geplagt. «Weil ich keine Kraft mehr hatte, verkroch ich mich nachmittags wieder ins Bett,», erinnert sie sich. «Ich schämte mich so!» Der Leiter des Bibelheims erkannte ihre Not und begleitete sie seelsorgerlich. Dazu begann sie eine ambulante Therapie in einer psychiatrischen Klinik.
Austherapiert
Trotz Gesprächen und Medikamenten gestand ihre Ärztin eines Tages: «Frau Buchegger, ich kann Ihnen nicht mehr helfen.» Nun sah Annelise gar keinen Sinn mehr in ihrem Leben. «Zweieinhalb Tage lang wurde ich von heftigen Suizidgedanken geplagt», gesteht sie. Sie vergoss viele Tränen, bis sie ihren Seelsorger bat, sie gemäss der Bibelstelle aus Jakobus, Kapitel 5, Verse 14-15 zu salben und um ihre Heilung zu bitten. Er habe schon auf diese Anfrage gewartet, antwortete der.
Am nächsten Tag besuchte er Annelise zusammen mit einem weiteren Pastor. Die beiden prüften, ob zwischen ihnen und Gott kein Hindernis sei. Dann salbten sie die Kranke und beteten für sie. «Und da fiel der schwere Stein von meinem Herzen, der die letzten fünf Jahre so einen Druck ausgeübt hatte», strahlt Annelise.
Neuanfang
Sie erzählte der Ärztin von ihrem Erleben, und die war erstaunt und dankbar für ihre Patientin. Sie führten die Gespräche und medikamentöse Therapie noch zwei Jahre weiter. Aber Annelise konnte wieder arbeiten und pflegte ihre Mutter nach deren Schlaganfall. Dann nahm sie wieder eine Stelle als Gemeindehelferin in Winterthur an, wo sie 17 Jahre blieb. Auch während dieser Zeit brauchte sie hin und wieder eine kurze Auszeit. Sie zog sich jeweils ins christlich geführte Haus «Bergli» in Oberrieden zurück, wo sie Seelsorge und Gebet in Anspruch nehmen durfte.
Bibelverse wie Schläge
Nicht alle Mitmenschen verstanden ihre Krankheit. Eine Missionarin zitierte in aller Liebe Bibelverse, die Annelise hätten ermutigen sollen. Doch sie empfand die Hinweise wie Schläge. Immer wieder musste sie einen Weg finden, ihre Sensibilität als Gabe und nicht als Last zu empfinden. «Im Nachhinein weiss ich, dass Gott mich vor der Überforderung in einer anderen Kultur bewahrt hat», erklärt die Inland-Missionarin. Heute schaut sie dankbar auf ihr spannendes Leben zurück. «Gottes Liebe half mir immer wieder, aus der Tiefe zu kommen.»
Frühpensioniert und doch aktiv
Ihre letzte Arbeitsstelle war im Tösstal, wo Annelise mit gut 61 Jahren pensioniert wurde. In der Informationszeitschrift der UeMG las sie, dass Beterinnen für unerreichte Völker gesucht werden. Sie erkundigte sich, welches davon das grösste sei. Und seither betet sie gemeinsam mit anderen für Menschen in Myanmar. Achtmal besuchte sie seither das unterdrückte Volk dieses wunderschönen Landes. «Ich durfte ein Ehepaar begleiten und lernte so eine Frau des Bamar-Volkes kennen. Seiter bete ich besonders für diese Leute.»
Vor Ort half Annelise auch ganz praktisch mit, indem sie Bibelschüler in verschiedenen Städten lehrte, anhand von kleinen Figuren, Symbolen und Gegenständen biblische Geschichten weiterzuerzählen. Für jede der Bibelschulen bastelte sie ein entsprechendes Set und liess es jeweils da. Nun kann es von den Absolventen ausgeliehen werden. «2016 bin ich das letzte Mal mit der 'Josefs-Geschichte' hingereist», erklärt sie. Doch durch Mails, Rundbriefe und Gebet bleibt sie mit ihren Freunden in Asien verbunden. So ist und bleibt sie Missionarin.
Datum: 31.01.2023
Autor:
Mirjam Fisch-Köhler
Quelle:
Livenet