Der Doktor der Armen
Ladislaus (László) Batthyány-Strattmann (1870-1931) war ein Mann, der in keine Schublade passte: Seine Familie gehörte zum ungarischen Adel und besass zahlreiche Schlösser. Doch seine Kindheit war davon überschattet, dass sein Vater die Familie früh verliess und seine Mutter starb, als er zwölf Jahre alt war. So trieb er zunächst durchs Leben. Mehrmals musste er wegen seines Verhaltens die Schule wechseln. Er studierte zunächst Bodenkultur, um den elterlichen Landbesitz verwalten zu können, später noch Astronomie, Chemie, Physik, Philosophie, Literatur und Musik. Aus einer frühen Liebesbeziehung hatte er bereits eine Tochter, als er seine spätere Frau kennenlernte, die Gräfin Maria Theresia Coreth. Durch ihren Einfluss änderte sich sein Leben völlig: Er erlernte einen bürgerlichen Beruf und studierte noch Medizin. Vor allem aber verabschiedete er sich von der Jagd nach Leben und Glück – beides hatte er bei Gott gefunden. Mehr und mehr zeigte sich das, was später sein Motto wurde: «Wenn ihr glücklich sein wollt, macht andere glücklich.»
Eine Klinik auch für Arme
Durch seine Arbeit als Arzt wurde Batthyány-Strattmann nicht nur mit Krankheiten konfrontiert, sondern auch mit der Not der einfachen Leute, die sich keine medizinische Behandlung leisten konnten. Mit seiner Familie lebte er nach 1900 im burgenländischen Kittsee und investierte dort einen ordentlichen Teil seines Vermögens, um auf eigene Kosten ein Krankenhaus zu errichten. Von Anfang an war das 30-Betten-Haus immer voll: Von überallher kamen Menschen, die Hilfe brauchten, und von dem Arzt gehört hatten, der sich das nicht bezahlen liess. Mehrere Operationen und um die 100 Behandlungen am Tag überforderten Batthyány-Strattmann jedoch, sodass er sich zunächst auf die Chirurgie und schliesslich auf Augenheilkunde spezialisierte. Seine Geschicklichkeit, Freundlichkeit und nicht zuletzt sein Glaube waren es, die die Menschen anzogen. Er war überzeugt: «Wer als Kranker mich aufsucht, ist auch schon ein Freund, ohne ihn gesehen zu haben.»
Von seinen Patienten nahm er kein Honorar. Den Ärmsten gab er sogar noch Geld mit, in Absprache mit einer Apotheke am Ort konnten sie dort ihre Medikamente auf seine Rechnung erhalten. Wenn sie ihn daraufhin fragend anschauten, bat er sie: «Bete ein Vaterunser für mich.» Auch von Reicheren nahm er kein Geld – sie bat er darum, die Behandlung Ärmerer zu bezahlen. Eine Krankenschwester überschlug später die Kosten und schätzte, dass das Krankenhaus ihn in den zehn Jahren nach der Gründung wohl eine Million Goldkronen gekostet hatte.
Im Ersten Weltkrieg wurde die Klinik zum Militärhospital und hatte 70 oder sogar über 100 Betten. Wenn er sich in diesen Jahren einmal in der höfischen Gesellschaft bewegte, stiess ihn das eher ab. Dort gehörte er nicht hin. So notierte er in sein Tagebuch: »Von all diesen Freuden und Leiden weiss die moderne Menschheit in Klubfauteuiles bei Sherry nichts! Und doch tausche ich mit niemandem, und 1000mal geboren, sage ich 1000mal meinem Gott im Himmel: Herr, lass mich wieder Arzt werden, aber für Dich, zu Deiner Ehre arbeiten!»
Wieder in Österreich
Nach Kriegsende und dem Friedensvertrag von Trianon zog der Arzt mit Frau und Kindern auf den Stammsitz seiner Familie ins ungarische Schloss Körmend. Nach dem Tod eines Cousins wurde er zum Fürsten ernannt und war jetzt das Familienoberhaupt. Doch das adlige Leben und die Verwaltung des Anwesens blieb eine Nebensache für ihn: Sofort begann er damit, einen Flügel des Schlosses zur Augenklinik umzubauen. Das Besondere blieb: Jeder wurde hier unentgeltlich behandelt. Und jede Behandlung begann und schloss mit einem Gebet. Eine Tante beschrieb die Behandlung eines armen Handwerkers: Er hatte sich beide Augen schwer mit Kalk verätzt – eines war gleich verloren, das zweite schien unrettbar. Ihr Neffe betete für die Rettung, die ganze Familie schloss sich an und Gott erhörte das Gebet. Beim Abschied vom geheilten Mann knieten beide miteinander nieder und dankten Gott. Eine Tafel in der Klinik erinnerte alle daran, dass es um die Gesundheit ging und gleichzeitig um mehr: «Du bist zu uns gekommen, um Gesundheit für deinen Körper zu finden. Vergiss deine Seele nicht, die so kostbar ist, dass Christus für sie am Kreuz gestorben ist.»
So engagierte er sich weiter, bis er im Alter von 60 Jahren selbst an Krebs erkrankte. Vierzehn Monate lang wurde er in einem Wiener Sanatorium gepflegt, sein Krankenzimmer glich oft eher einer Beratungsstelle oder einem Wallfahrtsort, weil viele kamen, um sich Rat und Trost zu holen. Am 22. Januar 1931 starb Ladislaus Batthyány-Strattmann. Noch am Tag zuvor hatte er seine Familie gebeten: «Tragt mich auf den Balkon, damit ich in die Welt hinausschreie, wie gut der liebe Gott ist!» In gewisser Weise tut er das bis heute.
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Datum: 22.01.2025
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet