Herausforderungen gemeinsam begegnen
Beim Konsumieren meiner Eltern-Bubble in Social Media bin ich in den letzten Jahren immer wieder an meine Grenzen gekommen. Ich folge vielen Müttern und Vätern, die sich für die Belange dieser Welt engagieren – in der Klimabewegung, in politischen Parteien, NGOs oder in christlichen Werken und Organisationen. Alle haben sie gemeinsam, dass sie für ihre Themen brennen, sie immer wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken und für Entwicklungen sensibilisieren, die ich sonst sicher nicht mitbekommen oder nicht in diesem Masse durchdringen würde. Mir gefällt das. Ich mag Menschen, die meinen Horizont erweitern und sich sinnvoll einbringen.
Auf Halt angewiesen
Doch in vielen Bereichen, in denen man sich für Gottes Welt einsetzen kann, herrscht gerade eine eher schwierige Stimmung, weil unser Planet durch eine krisenhafte Zeit geht. Und so finde ich in besagten Profilen leider auch eine zunehmende Lust am Untergang. Wenn Menschen ihre Themen platzieren, dann gern aus Sicht des schlimmstmöglichen Ausgangs. Wir sehen das bei der Klimakrise, wir konnten es in teilweise verstörendem Mass seit Beginn des Kriegs in der Ukraine wahrnehmen und während ich das schreibe, sind nicht wenige davon überzeugt, dass in den USA das Ende der Demokratie bevorsteht. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir offenbar alle Teil eines riesigen Sozialexperiments namens «Smartphone» sind, das unsere Jugendlichen in bisher ungeahntem Mass dauerhaft schädigen wird.
Wow! Geht es auch eine Nummer kleiner? Besonders wenn diejenigen, die den Weltuntergang beschwören, nebenbei auch Kinder betreuen oder Jugendliche begleiten. Denn gerade sie sind doch darauf angewiesen, dass sie von Erwachsenen umgeben sind, die ihnen Halt und Hoffnung geben. Und die nicht mit der Einstellung umherlaufen, dass wir unaufhaltsam auf eine Katastrophe zusteuern. Schliesslich wollen wir, dass die kommende Generation den multiplen Krisen, in die sie hereinwachsen, etwas entgegensetzen können.
Doch wie geht das eigentlich? Wie werden Kinder und Jugendliche stark und resilient? Wie können sie sich zu Menschen entwickeln, die sich mutig den Herausforderungen stellen, statt sich ängstlich zurückzuziehen? Ich bin der festen Überzeugung: Dafür brauchen sie Eltern, die ihnen Hoffnung vermitteln.
Ein erster Schritt
Wenn Krisen – globale oder persönliche – in unser Leben treten, fühlen wir uns oft erst mal machtlos. Wichtig ist es, nicht in diesem Zustand zu verweilen, sondern zu schauen, was wir selbst tun können, um die Situation zu verändern. Dabei kann es oft nicht darum gehen, ein Problem umfassend zu lösen. Gerade die globalen Themen sind dazu viel zu komplex. Selbst private Krisen lassen sich meist nicht mit einem Fingerschnipp beseitigen. Aber irgendwas geht immer: ein erster Schritt, eine kleine Erleichterung, ein schöner Moment inmitten von Schmerz, ein Teil des Rasens, der in eine Wildblumenwiese verwandelt wird. Und all solche Schritte mögen klein – vielleicht sogar sinnlos – erscheinen. Sie sind es aber nicht. In der Rückschau auf persönliche Krisen, die ich erlebt habe, ist mir das bewusst geworden. Den Unterschied hat am Ende die Ansammlung von vielen kleinen, für sich genommen scheinbar unwichtigen Dingen gemacht. Wie eine Patchwork-Decke fügen sie sich zusammen zu etwas, das die Macht hat, Geborgenheit zu geben und Kälte draussen zu halten.
Wenn Jugendliche einen kleinen Anteil zur Bewältigung einer Krise leisten dürfen, erleben sie Selbstwirksamkeit. Und das ist eine der wichtigsten Erfahrungen, wenn es um die Bewältigung von Herausforderungen geht. Unsere Aufgabe ist es, die Stellen, an denen sie etwas bewirkt haben, für sie auch sichtbar zu machen. Denn oft fühlen sie sich machtlos. So hat die Wildblumenwiese vielleicht nicht die Macht, den schlechten Nachrichten über Klimakatastrophen etwas entgegenzusetzen. Doch wenn die Jugendlichen sehen, wie viele Insekten sich zwischen diesen Blüten tummeln, ist das doch ziemlich beeindruckend.
Der schwerkranke Opa wird vielleicht nicht wieder gesund, wenn man ihn besucht. Doch wir können das Augenmerk der Jugendlichen darauf richten, dass wir ihm inmitten von all der Schwere eine Freude machen konnten.
Wir sind nicht allein
Neben der Erfahrung, selbst etwas an der Situation verändern zu können, brauchen Jugendliche eine zweite wichtige Sicherheit: Dass es Menschen gibt, auf die sie sich verlassen können. Oft fühlen wir uns in Krisen alleingelassen, haben das Gefühl, dass das Anliegen, für das wir uns engagieren, von anderen kaum beachtet wird. Und überhaupt denken die meisten doch vor allem an sich, oder?
Nein – das ist nicht wahr! Bei all dem Schlechten, das wir in den Nachrichten sehen oder uns von anderen berichtet wird, geht oft eins unter: Die meisten Menschen sind bereit, sich um andere zu kümmern und tun das auch, wenn es hart auf hart kommt. Wir lesen immer wieder Geschichten von Notfällen, bei denen keiner zur Hilfe gekommen ist. Doch das liegt nicht etwa daran, dass alle immer ignoranter werden, sondern daran, dass so etwas selten vorkommt. Deshalb berichten Medien darüber. All die anderen 1.000 Notfälle, bei denen sofort helfende Hände da waren, schaffen es seltener in die Nachrichten, weil sie selbstverständlich sind – und keine Schnappatmung und somit weniger Klicks im Internet auslösen. Wenn wir unseren Jugendlichen also helfen wollen, hoffnungsvolle und mutige Menschen zu sein, können wir darauf achten, dass wir ihnen die guten Geschichten erzählen – die, in denen Menschen einander etwas Gutes tun, sich helfen.
Und nicht zuletzt finde ich es neben dem Vertrauen in sich und in andere unfassbar beruhigend, dass unsere Jugendlichen erfahren können, dass es einen Gott gibt, der uns sogar Hoffnung über dieses Leben hinaus schenkt.
Zur Autorin:
Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin, Eltern- und Familienberaterin. Sie bloggt unter: www.eltern-familie.de. In ihrem Buch «Was trägt? Was zählt?
Was bleibt?» gibt sie weitere Anregungen zum Thema.
Zum Thema:
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Datum: 12.11.2024
Autor:
Daniela Albert
Quelle:
Magazin FamilyNext 06/2024, SCM Bundes-Verlag