Doris Bürki

«Eine fehlerfreie Erziehung gibt es nicht»

Doris Bürki
Was braucht es, damit Erziehung gelingt? Doris Bürki weiss, wovon sie spricht: Die sechsfache Mutter ist Präsidentin der biblisch-Therapeutischen Seelsorge Schweiz und psychosoziale Beraterin. Im Interview gibt sie einige Anhaltspunkte.

Auf die Frage nach gelingender Erziehung nennt Doris Bürki vier zentrale Aspekte: Zuversicht, liebevolle Autorität, Zeit und Verfügbarkeit sowie Reflexion. Sie erklärt auch, was dies im Einzelnen bedeutet.

Zuversicht

«Unter Zuversicht verstehe ich eine frohe, zuversichtliche, positive Grundhaltung», definiert Doris Bürki. «Diese hat nicht unbedingt etwas mit Glück oder Lust zu tun. Im Vordergrund steht eine unabhängige Freude, eine unabhängige Zuversicht, die nur möglich ist, wenn mein eigenes Befinden nicht vom Verhalten des Kindes abhängig ist.» Der christliche Glaube bilde dafür eine wichtige Grundlage. Es gehe auch nicht darum, dass Eltern in ihrem Erziehungsbemühen möglichst fehlerfrei seien. Ihnen helfe die Grundhaltung: «Es wird gut, weil ich mit Gott jemanden mit dabeihabe, der der Gute ist.»

Liebevolle Autorität

«Ein Kind ist seinen Eltern von Gott anvertraut. Darin steckt ein Erziehungsauftrag – der Auftrag, dieses Kind zu schützen, zu pflegen, zu hegen, zu nähren, zu bewahren, zu fördern.» Dies habe sehr viel mit Kommunikation zu tun, betont Doris Bürki: «Gott kommuniziert mit uns. Wir kommunizieren mit dem Kind und miteinander. Wenn wir dies mit dieser liebevollen, von Gott verliehenen Autorität tun, mündet dies in den autoritativen Erziehungsstil.»

Dieser Erziehungsstil stehe für ein hohes Mass an Liebe, Zuwendung und Fürsorge, aber auch für Förderung, Lenkung und Leitung – alles mit der Absicht, das Kind in eine freiheitliche Selbstständigkeit zu führen. Ziel sei es, dass das Kind zu einem freien, gesunden und mündigen Menschen werde.

Zeit und Verfügbarkeit

«Es geht nicht auf die Schnelle. Und es geht nicht nebenbei.» Dies ist Doris Bürki wichtig. «Erziehung ist komplex und arbeitsintensiv. Deshalb ist Mutter- oder Vatersein zu Hause auch ein Job!» Die Zeit, die Eltern ihrem Kind schenken, werde vom Kind als Ausdruck von Liebe verstanden. Beziehung sei immer wichtiger als Erziehung. Es gehe zuerst um Beziehungen und dann erst darum, das Richtige zu tun. «Es ist wichtig, dass wir Eltern den Kindern ein feinfühliges und verfügbares Gegenüber sind. Dazu brauchen wir Zeit!»

Reflexion

«Was wir als Eltern vermitteln, hat sehr viel mit uns als Persönlichkeiten zu tun. Deshalb ist es wichtig, die eigene Biografie, eigene Beziehungs- und Erziehungserfahrungen zu reflektieren und aufzuarbeiten.» Als weiteren Aspekt der Reflexion nennt Doris Bürki aber auch ein Grundwissen über Erziehung, beispielsweise über die Phasen der Entwicklung eines Kindes. Es sei zudem wichtig, als Eltern auch das eigene Erziehungsverhalten zu reflektieren und zu fragen: Kenne ich meine Grenzen, und kenne ich die Grenzen des Kindes? «Ich kann beispielsweise nicht mit einem schwierigen Thema kommen, wenn die Kinder eh schon übermüdet und hungrig sind. Also kenne ich Grenzen und respektiere und akzeptiere diese.»

Keine Gewalt!

Wichtig ist es der sechsfachen Mutter, dass Erziehung gewaltfrei geschieht. Körperliche und psychische Gewalt könne beim Kind eine tiefe Verunsicherung bewirken. Dies könne im Erwachsenenalter zu psychischen Problemen oder dazu führen, dass man selbst Gewalt anwende. «Gewalt hat Eskalationspotenzial», betont Doris Bürki. Um zu verhindern, dass Eltern aus reiner Überforderung zu psychischer oder körperlicher Gewalt greifen, empfiehlt sie eine gute Vorbereitung aufs Elternsein durch Kurse oder Bücher. Auch der Austausch mit erfahrenen Eltern könne hilfreich sein. Und wenn doch mal eine Grenze überschritten wird, sollten Eltern sich bei ihren Kindern entschuldigen. «Eine fehlerfreie Erziehung gibt es nicht. Kinder verzeihen gern, wenn sie die richtige Haltung dahinter spüren. Wir können den Kindern vermitteln, dass Fehler geschehen und dass man Fehler in Ordnung bringt. So können wir Vorbild sein, auch wenn wir versagt haben.»

Eine wichtige Grundlage der gewaltfreien Erziehung sieht Doris Bürki im Menschenbild, das Eltern haben: «Sehen wir die Kinder als geliebte, würdevolle Wesen, denen wir mit Respekt begegnen? Zudem ist es wichtig, das Kind nicht als Projekt zu sehen und sich vom mechanistischen Denken zu verabschieden, also von dem Denken, wenn ich dieses tue, dann kommt jenes heraus.» Was ausserdem hilfreich ist? «Struktur, Rhythmus, Rituale und Verlässlichkeit – all dies sind Grundlagen, die helfen, dass der Alltag nicht aus dem Ruder läuft und dass er auch für das Kind vorhersehbar ist.»

Sehen Sie hier einen Livenet-Talk mit Doris Bürki zum Thema Christliche Erziehung:

Zum Thema:
Fachmagazin und Symposium: Freikirchen setzen sich für gelingende Erziehung ein
Talk mit Doris Bürki: «Christliche Erziehung ist ganz sicher gewaltfrei»
Symposium Erziehung: Der hohe Wert christlicher Kindererziehung

Datum: 19.09.2024
Autor: Bettina Wendland
Quelle: Magazin Family 5/2024, SCM Bundes-Verlag

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