Faktencheck Christentum

Ist Gott «er», «sie» oder «es»?

Gott ist Mann und Frau
Das Thema der Mitgliedversammlung einer internationalen Kirche: Es geht nicht, dass Gott weiterhin als Mann angeredet wird. Er hat genauso auch weibliche Eigenschaften und soll deshalb im Zeitalter der Gleichberechtigung als «es» bezeichnet werden.

Doch Gott als «es» zu bezeichnen, befriedigt nicht alle. Tönt das nicht so, als ob Gott ein Kind oder noch schlimmer ein Ding wäre? Haben wir nun wirklich eine Ungerechtigkeit aufgehoben, oder nur verschlimmbessert? Und wie übersetzt man das sächliche «es» in Sprachen, die gar nicht drei, sondern nur zwei Artikel kennen, wie beispielsweise französisch?

Die Statuten zu überarbeiten war möglich. Aber was soll man dann mit der Bibel tun? Benötigt es jetzt eine neue Bibelübersetzung? Die Gegner sagen, dass ja nicht nur Gott, sondern auch Satan als «er» bezeichnet werde. Es könne also nicht um eine Abwertung der Fraulichkeit gehen. Sonst wären in der Bibel zumindest die Dämonen als weiblich bezeichnet worden, so wie in manchen heidnischen Religionen, wo das Böse als Hexe, also Frau gilt.

Problem liegt bei uns

Aber warum nennt die Bibel Gott den Vater, den Hirten, den Arzt, den König, den Schöpfer, den Höchsten? So extrem männlich gelastet? Wer genauer hinschaut, findet allerdings, dass das Buch der Bücher Gott durchaus auch mit weiblichen Eigenschaften beschreiben kann. So etwa als Hebamme in Psalm 22, Vers 10: «Du bist es, der mich aus dem Schoss meiner Mutter zog, mich anvertraut der Brust meiner Mutter.» Oder sogar als gebärende Frau: «Wie eine Gebärende will ich nun schreien, ich stöhne und ringe um Luft.» (Jesaja, Kapitel 42, Vers 14b). Oder als Mutter: «Wie eine Mutter tröstet, so tröste ich euch.» (Jesaja, Kapitel 66, Vers 13) und: «Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht!» (Jesaja, Kapitel 49, Vers 15). Jesus vergleicht sich selber sogar mit einer Henne! «Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Kücken unter ihre Flügel nimmt» (Matthäus, Kapitel 23, Vers 37).

Das Problem liegt nicht bei der Bibel, sondern bei uns. Seit der Aufklärung interessiert uns nur noch ein Aspekt: Gleichberechtigung. Zugegeben: Dass grundlegende Menschenrechte, wie Recht auf Leben, auf Besitz und Meinungsfreiheit, für alle gelten, ist wichtig. Diese wurden ja ursprünglich auch von der Bibel abgeleitet. Doch kann die Idee, dass alle gleich behandelt werden müssten, auch völlig kontraproduktiv sein. Die Menschen muss man oft aus Liebe ungleich behandeln.

Prokrustus soll gemäss einer griechischen Sage ein Wegelagerer gewesen sein, welcher Wanderer kidnappte und in ein Eisenbett zwang. Ragten die Füsse unten raus, so hackte er sie ab. Waren sie zu kurz, so hämmerte er sie zurecht. Das Resultat war in jedem Fall der Tod.

Gleichmacherei um jeden Preis wirkt zerstörerisch. Mann und Frau sind nun einmal verschieden und das kann man nicht aufheben, indem man sie gleich behandelt. Im Gegenteil, damit wird der Unterschied nur noch offensichtlicher.

«Der Löwe» ist ein Männchen, «die Löwin» das Weibchen. Wenn es darum geht, die Tierart als Ganzes zu bezeichnen, dann sagen wir ebenfalls «Löwe». Auch «das Schaf» umfasst die ganze Tierart. Genauso wie «die Giraffe». Nie hat jemand dies als ungerecht empfunden.

Gott umfasst beides

Gott ist weder Mann noch Frau. Der Begriff «Der Gott» umfasst beides. Im Hebräischen kann Gott sogar als Mehrzahlform auftreten: «Elohim». «Lasset uns Menschen erschaffen, in unserem Bilde, als Mann und Frau erschuf er sie.» Die Bibel beschreibt den einen Gott manchmal mit einer Mehrzahlform, weil er eben Mann und Frau beinhaltet. Diese sollen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern eine Einheit werden, ineinander verschmelzen. Dann löst sich das Problem von selbst.

Der moderne Leser liest die Bibel mit dem Rotstift: Adam und Eva hätten gleichzeitig nach dem Apfel greifen müssen, dann wäre es gerecht. Gott muss genauso oft mit weiblichen Eigenschaften beschrieben werden wie mit männlichen, dann ist es gerecht. Es muss genauso viele weibliche Propheten geben wie männliche, dann ist es gerecht. Überall sieht man nur noch Ungerechtigkeiten und dabei verliert man nicht nur die Freude an der Bibel, sondern auch ihren eigentlichen Inhalt.

Doch das ist völlig falsch: Wenn wir darauf bestehen, dass Ungleiches gleich behandelt wird, vergrössern wir die Ungerechtigkeit. Wenn also Homosexuelle und Lesben aus Gerechtigkeitsgründen Kinder aufziehen können sollen, obwohl sie diesen Nachwuchs nur künstlich zeugen und der eine Elternteil vorenthalten wird, dann ist das wiederum gegenüber diesen Kindern extrem unfair. Wenn alle Religionen unbedingt als gleich erklärt werden, obwohl sie das nicht sind und auch nicht sein wollen, dann ist das Prokrusterei. Auf der anderen Seite ist die Mehrheit dann schnell bereit zur Abtreibung, wenn Verdacht besteht, das Ungeborene könnte eine Behinderung haben. Da besteht man dann plötzlich nicht mehr auf Gleichwertigkeit.

Es stimmt, dass die Idee der allgemeinen Menschenrechte aus der Bibel stammt. Aber Gleichmacherei des Ungleichen um jeden Preis finden wir dort nicht. Im Gegenteil, die Bibel drückt Freude an der Unterschiedlichkeit der Menschen, der Völker, der Sprachen und Geschlechter aus, weil sie von Gottes Phantasie zeugen. Das Ziel ist ein Miteinander, nicht ein Gegeneinander. Und wenn die Geschlechter nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, dann gibt es auch keinen Grund mehr, den Artikel für «Gott» zu ändern.

Zum Thema:
fight4love.ch: Die revolutionäre, biblische Sexualethik
Frauen in der Kirche: «Erst vor Gott sind alle gleich»
Faktencheck Christentum: Hat die Aufklärung wirklich das Christentum überholt?

Datum: 27.06.2022
Autor: Kurt Beutler
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung