Christlich ist nicht gleich konservativ
Laut der Umfrage erwarten 72 Prozent der Bevölkerung von einem Politiker, der christliche Werte propagiert, dass er sich für sozial Schwache einsetzt. Im Blick auf konservative Politiker sagen dies 25 Prozent.
Die Bundesbürger haben deutlich unterschiedliche Vorstellungen von dem, was ein christlich orientierter und ein konservativen Politiker vertritt. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Institut für Demoskopie Allensbach (Allensbach am Bodensee) im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) durchführte.
Danach erwarten 72 Prozent der Bevölkerung von einem Politiker, der christliche Werte propagiert, dass er sich für sozial Schwache einsetzt. Im Blick auf konservative Politiker sagen dies 25 Prozent. Die gleiche Diskrepanz zeigt sich im Blick auf die Dritte Welt. Vertreter christlicher Standpunkte wollten die dortige Situation verbessern, erklärten 44 Prozent der Befragten. Aber nur neun Prozent sehen bei Konservativen ein solches Bemühen.
62 Prozent nehmen an, dass Konservative stolz auf ihr Land sind, doch nur 22 Prozent betrachten Patriotismus als christliche Tugend. Auf der Liste der Forscher standen insgesamt 22 politische Aussagen. Die Hälfte der Befragten sollte angeben, welche Standpunkte ein christlich orientierter Politiker ihrer Meinung nach vertrete, die andere Hälfte sollte die vermuteten Prioritäten konservativer Politiker benennen.
Bei jeder Aussage habe es bedeutsame Unterschiede gegeben, heisst es in der Auswertung. 61 Prozent halten die Ablehnung einer rechtlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe für eine konservative Position; 33 Prozent verbinden sie mit einer christlichen Haltung. Selbst Ansichten, die gewöhnlich auf das Engste mit christlichen Vorstellungen verknüpft würden, seien eher konservativen als christlichen Politikern zugeordnet worden, etwa die Forderung, dass Geschäfte am Sonntag geschlossen bleiben, oder die Ablehnung der Abtreibung. Die Umfrage zeige, dass der Begriff der christlichen Politik «mit Inhalten aufgeladen ist, die man eher als links oder als linksliberal denn als konservativ bezeichnen kann», fasst die FAZ das Ergebnis zusammen.
Nur 46 Prozent halten Jesus für Gottes Sohn
Aus der Umfrage geht ferner hervor, dass «die christliche Kulturtradition» auch von jenen verteidigt wird, die sich nicht mehr als Christen empfinden. Kriterien für den Bedeutungsverlust des Christentums seien der abnehmende Gottesdienstbesuch und die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber kirchlichen Glaubensaussagen. Fast zwei Drittel (63 Prozent) gaben an, selten oder nie in die Kirche zu gehen. In den neuen Bundesländern liegt der Anteil bei 80 Prozent.
Weniger als die Hälfte (46 Prozent) glaubt, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Dennoch plädiert fast jeder zweite Deutsche (48 Prozent) für eine bevorzugte Stellung des Christentums in der Gesellschaft. 34 Prozent sagen, alle Religionen sollten gleichberechtigt sein. Mehr als drei Viertel (78 Prozent) lehnen die Einführung islamischer Feiertage ab. In den neuen Bundesländern sind es 93 Prozent. «Die kulturelle Verankerung der Deutschen im Christentum reicht weit über die religiöse Bindung oder gar das offene Bekenntnis hinaus», so die FAZ.
Unionsparteien entsprechen nicht dem christlichen Bild
Dies zeige sich ebenfalls an der Antwort auf die Frage «Für wie wichtig halten Sie es, dass sich eine Partei auch an christlichen Grundsätzen orientiert?». Für 53 Prozent der Deutschen sei die weltanschauliche Verankerung «sehr wichtig» oder «wichtig». Allerdings entferne sich das Bild, das sich die Menschen von den politischen Konsequenzen des Christentums machen, von der Position der CDU/CSU. Dabei hätten sich die Unionsparteien von Anfang an als Sammlungsbewegungen christlicher, liberaler und konservativer Strömungen verstanden.
Datum: 22.10.2012
Quelle: idea.de