Wird hier der Dritte Tempel gebaut?

Wird auf dieser Fläche der Dritte Tempel gebaut?
Platz wäre auf dieser Aufschüttung ja genug vorhanden.

Angeblich wird in der jüdischen Siedlung Mitzpe Yericho der Dritte Tempel gebaut – zum Üben für die Priester. Wir schauten uns vor Ort um und konnten exklusives Bildmaterial schiessen.

In der Nähe des Toten Meeres soll der Dritte Tempel gebaut werden. In Mitzpe Yericho, einer Siedlung 30 Kilometer östlich vom Jerusalemer Tempelberg. Es soll ein Ausbildungsobjekt im Massstab 1:1 werden, wo sich jüdische Tempelpriester auf ihren Dienst im Dritten Jerusalemer Tempel vorbereiten. Verantwortlich ist Rabbiner Jehuda Kreuser.

Kommissar Zufall

Eigentlich wollten wir einfach in Mitzpe vorfahren und uns nach diesem Bau umschauen. Doch dann laufen wir (meine Frau und ich) zufällig «Israel heute»-Chef Ludwig Schneider über den Weg. Er will gerade auf dem Markt in der Altstadt ein paar schmucke Porzellantassen kaufen. In unserer kurzen «Tour d’horizon» sprechen wir auch über das Tempelbauprojekt in Mitzpe Yericho.

«Vom Tempel selber steht noch nichts. Aber der Boden ist planiert. Das kann man bereits jetzt sehen», schildert Schneider. Und: «Der israelische Stadt unterstützt den Bau mit zwei Millionen Dollar. Das Ganze läuft unter Bildung.»

Wachmann weiss von nichts

Die Siedlung Mitzpe Yericho ist nicht zu verfehlen. Sie liegt auf den sandfarbenen Hügeln dicht an der vielbefahrenen Hauptstrasse zwischen Jerusalem und Jericho. Die schmale Nebenstrasse, die dann zur Siedlung führt, ist mit Hindernissen versehen, so dass nicht jemand unversehens durchpreschen kann. In langsamer Fahrt nähern wir uns dem siedlungseigenen Kontrollposten. Von einem Tempelbau mag der junge Wachmann nichts wissen, er verweist aber auf das Büro der Gemeinschaft. Dort stehe ich vor einem leeren Schalter. Die Klimaanlage gibt ihr Bestes im erstaunlich gut eingerichteten, hellen Büro. Aus anderen Räumen hört man Stimmen.

Dann verstand er kein Englisch mehr

Ich trete in einen Türrahmen und mache mich bemerkbar. Ein älterer Gemeindemitarbeiter, ein Jude aus altem Schrot und Korn, heisst mich willkommen. Der Tempel? Jehuda Kreuser sei nicht da, aber ich solle Avi N.* anrufen. «Der ist für den Bau verantwortlich. Lassen Sie sich von der Sekretärin die Nummer geben.» Kommentarlos reicht sie sie mir herüber.

Ich steige in den Mietwagen, den wir dem Siedlungsbüro gegenüber im Schatten einiger Bäumen parkiert haben. Man hört spielende Kinder auf dem Schulhausplatz. Dann ist Avi N. am Draht. Ob wir die Stelle, wo der Tempel gebaut werden soll, besichtigen dürfen, frage ich. «Vielleicht», sagt er. Doch dann versteht er bald kein Englisch mehr.

Zurück auf «Feld 1»

Also gehe ich zurück ins Siedlungsbüro. Die zweite Sekretärin – die beteuert, nichts von einem solchen Bau zu wissen – bemüht sich gerade um die Nummer einer englischsprechenden Person, einer Lehrerin, die gerade unterrichtet. Ob dann nicht jener ältere Gemeindemitarbeiter Auskunft geben könne? «Der weiss auch von nichts», will mir die Empfangsdame zu verstehen geben. Mitzpe sei eben gross, da wisse man nicht alles, und einge Leute auf der Gemeindeverwaltung hätten ihren Job erst neu angetreten. Seltsam.

Womöglich hätte sie mir noch ein paar Geschichten über den Storch erzählt, doch dann schalte sich eine andere Frau ein – die hinter mir angestanden war. «Das sind alles Gerüchte. Ich habe die Artikel in den Zeitungen auch gelesen.» Mit einem Mal wird hier also kein Tempel mehr gebaut. Wohl kein Wunder, wenn nun schon Journalisten aus dem Ausland antanzen. So verabschiede ich mich und verlasse das Büro.

Die mysteriöse Aufschüttung

Also beschliessen wir, uns ein wenig in der Siedlung zu verfahren. Denn wenn der Platz tatsächlich planiert ist, dann muss so eine solche Fläche hier in der Hügellandschaft doch auffallen. Und tatsächlich: Ein bis zwei Kilometer weiter entdecken wir eine riesige planierte Aufschüttung. Wozu ist die da? Für normale Häuser wohl kaum, denn die sind alle an und auf den Hügeln gebaut. Die Fläche ist wirklich riesig. Einfach so schüttet man doch so etwas nicht auf. Platz für einen Tempel würde sie bieten, und das Baustadium entspricht der eingangs erwähnten Schilderung. Aus dem Auto heraus fotografiert meine Frau Irene das Bauwerk.

Zum Dessert

Im jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt schaue ich rasch im «Temple Mount Center» vorbei, dort steht ein Modell des dritten Tempels. Ein orthodoxer Jude führt das Center. Ich frage ihn, ob das der Tempel sei, der zur Zeit in Mitzpe entstünde. «Vielleicht baut man ihn ja ohne Aussenmauern. Aber ich weiss auch nicht genau, was dort vorgeht.» Vielleicht wird man es ja bald sehen ...

* Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

Datum: 28.09.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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