Die Kunst des Nein-Sagens
Gerade in der Sportwelt gab es eine regelrechte Welle von Aufrufen und Bekenntnissen, wo zu eigenen Grenzen gestanden und das Umfeld und Medien um Rücksicht gebeten wurden. Auch Promis wie Roger Federer rufen vermehrt zu einem gnädigen Umgang auf.
Biblischer Dreiklang: Wertschätzen, prüfen und Böses meiden
Ein liebender Gott wünscht uns rundum Wohlbefinden. Daher kommt auch diese Aussage: «Geht nicht geringschätzig über prophetische Aussagen hinweg, sondern prüft alles. Was gut ist, das nehmt an. Aber was böse ist, darauf lasst euch nicht ein, in welcher Gestalt auch immer es an euch herantritt.» (1.Thessalonicher Kapitel 5, Verse 20-22 NGÜ)
Dieser Dreiklang zum Umgang mit (prophetischen) Situationen hat eine tolle Gültigkeit und passt gut zu unserem Thema. Denn oft geraten Anliegen an uns, bei denen wir entscheiden müssen, was wir damit machen – ja, zeitweise werden wir richtig bombardiert.
Da gilt es, wertschätzend das Anliegen entgegenzunehmen, zu prüfen, was wir damit machen sollen und das Gute umzusetzen, aber auch das Negative zu meiden. Also Ja sagen und Nein sagen.
Grenzen wahren und seelisches Immunsystem stärken
Zudem war am 10. Oktober der weltweite Tag der psychischen Gesundheit «Mental Health Day». Jeder zweite Mensch ist einmal in seinem Leben von einer psychischen Krankheit betroffen. Burnout und Depressionen gehören leider mittlerweile zum geläufigen Bild unserer Gesellschaft. Besonders gefährlich ist es, hohen Erwartungen genügen zu wollen oder sogar einem Bild von Perfektionismus.
Einen Befreiungsschlag, der auch andere aufatmen lässt, machte dieses Jahr die Ausnahme-Leichtathletin Simone Biles: «Wenn man schaut, was ich in den letzten sieben Jahren alles durchgemacht habe, hätte ich nie wieder in ein Olympiateam gehören dürfen.» Und sie entzog sich der Öffentlichkeit.
Doch, wer setzt sich für unser Leben ein, wer ist dafür verantwortlich?
Wenn ein Bundesrat «Kä Luscht» hat
Wenn das Mitglied der Schweizer Regierung, Ueli Maurer, mit Nonchalance sagt, er habe «Kä Luscht», ein Interview zu geben, notabene dem offiziellen Schweizersender SRF, dann löst das gemischte Gefühle aus. Denn der Bundesrat lässt einerseits cool seiner Gemütslage freien Lauf, andererseits entsteht gewisses Unbehagen, weil er einer Aufgabe oder Verpflichtung nicht nachkommt und sich verweigert, «dem Volk» gewisse Informationen weiterzugeben.
Angst vor Ablehnung
«Es allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann» und «Was denken denn die Leute… im Dorf, in der Kirche etc.» Ein Denken und Verhalten, das wir gut kennen.
Nebst der Angst, jemanden zu ent-täuschen (die Täuschung, dass wir immer Ja sagen müssen), gibt es auch die Angst, etwas zu verpassen, nicht dabei zu sein – wenn wir Nein sagen.
Schlussendlich geht es meist darum, von Personen abgelehnt zu werden, wenn wir Nein sagen. Aber wie dünn ist das Band der Freundschaft, wenn es bei einer Absage zu reissen droht? Solche Beziehungen dürfen wir ruhig hinterfragen und glauben, dass es andere gibt, wo die Verbindung und Treue stärker ist.
Im Gegenteil, ich höre immer wieder, wie Leute «Menschen mit Klarheit» schätzen. «Bei ihm/ihr weiss ich, woran ich bin», hört man da etwa. Oder wie es in der alten Werbung hiess: «Da weiss man, was man hat – guten Abend!»
Der «Zerreisprobe» trotzen, Freude finden
Dabei wäre es ganz logisch. Wenn wir bei allen Anfragen oder Anlässen dabei sein würden, würde es uns wortwörtlich «zerreissen». Gerade las ich einen Lebensbericht, wo eine Frau durch die riesigen Ansprüche der Zeugen Jehovas derart unter Druck geriet, dass sie mit Depressionen in eine Klinik kam – nicht weil es eine vererbte Krankheit war, sondern, weil sie sich zu hohen (geistlichen) Ansprüchen ausgesetzt fühlte.
Also trotzen wir diesen «Zerreisproben» und fokussieren uns auf die Orte, wo wir wirklich sein sollten, damit auch mehr Kraft fliesst, mehr Impact entsteht und Freude herrscht!
Covid-Gespräche sind ein gutes Übungsfeld. Immer öfters erlebe ich, wie in Gesprächen vermieden wird, über die Problematik zu sprechen: «Können wir das bitte mal seinlassen? Ich möchte nicht jedes Mal über dieses mühsame Ding sprechen. Es gibt noch anderes auf dieser Welt!» Da kommt uns das Wort «Social Distancing» gerade recht.
Liebe dich selbst – das Tabu Eigenliebe
«…und sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.» (3.Mose Kapitel 19, Vers 18b) Wie dich selbst! Das wird von vielen Lesern vernachlässigt, weil «wir lieben Gläubigen», hier die Juden, doch so unbedingt dienen und helfen sollten.
Wir dürfen und sollten zu uns selber schauen, auftanken und uns immer wieder der göttlichen Quelle hinwenden, woher die Energie fürs Leben kommt. Dasjenige tun und sein, was uns guttut und uns entspricht. Mit vollem Tank lässt sich's besser weitergeben und -fahren.
Dies hilft beim Nein-Sagen
«Helfen»: Das Verständnis, dass die Selbständigkeit des anderen erhalten bleibt, beziehungsweise keine falsche Abhängigkeit entsteht. Das bedeutet, er kann weiterhin seine eigenen Gaben und Kräfte einsetzen und hat dadurch auch Erfolgserlebnisse.
«Mitmachen»: Es ist nicht allein von mir abhängig, ob ein Anlass oder die Gemeinde (über)lebt. Diese Verantwortung liegt nicht bei mir.
«Menschen»: Kontakte meiden, die auslaugen und Energie fressen. Wir lehnen diese Personen nicht prinzipiell ab, dosieren oder kappen jedoch Begegnungen.
Begabt und beschützt in die Zukunft
Kommen wir zurück zu den Sportlerinnen und Sportlern. Es ist gut denkbar, dass sie weiterhin ihre Leidenschaft ausüben werden, weil sie begabt sind und bestimmt auch Freude damit haben. Der Unterschied ist der fehlende Leistungsdruck und Erwartungen, die sie nicht mehr stressen werden. Denn es gibt ein freies Ausüben, ja Geniessen von Gaben.
Zusammenfassend nochmals der biblische Drei-Schritt:
- Im Flow bleiben: wo wir problemlos vorwärts kommen, wo's gut läuft (Gutes annehmen).
- Loswerden (Böses meiden): Bei Personen heisst das nicht, den Kontakt ganz abzubrechen, aber heftige Energiefresser müssen wir auch nicht gerade täglich sehen.
- Aufgaben ablehnen, oder ein jahrelanges, mühsames
Ämtli endlich abgeben.
- Lernen, Nein zu sagen bei Anfragen: mühsame Sachen und Kontakte gar nicht erst zulassen.
Gott selber nimmt uns 100 Prozent an und will nichts Böses – sondern unser Wohl, Frieden, Kraft und Freude.
Vom 10. Oktober bis am 17. November sind im ganzen Kanton Bern verschiedene Veranstaltungen zum Thema «Psychische Gesundheit» geplant, auch andere Kantone machen bei der Kampagne mit. Hier eine spielerische Illustration.
Zum Thema:
«Nein!»: Nur vier, aber so wichtige Buchstaben
Markus Müller: Ein Ja zum Leben finden
Vanessa Garzón: Ein Model, das «nein» sagen kann
Datum: 18.10.2021
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet