Oft missverstanden

Sicherheit durch das Bleiben im Willen Gottes

«Der sicherste Ort auf Erden ist im Zentrum von Gottes Willen.» Dieses Zitat von Corrie ten Boom, der bekannten holländischen Evangelistin und Widerstandskämpferin, hört sich gut an. Und Christen sprechen es sich gern zu, um sich Mut zu machen. Doch oft wird es dabei völlig missverstanden…
Sie ordnete sich dem Nazi-Regime nicht unter und rettete damit Menscheleben: Corrie ten Boom

Auf dieses Missverständnis wies jüngst der Blogger Craig Greenfield hin: «Traurigerweise haben wir eine Formulierung, die mitten aus grossem Leiden stammt, in ein christliches Klischee verdreht. Es ist ein Missverständnis, dass wir irgendwie 'kugelsicher' wären, wenn wir Jesus gehorsam nachfolgen.»

Kein magischer Schutz

Eine immer wieder vorkommende Reaktion auf Unglück, Terror oder Naturkatastrophen ist die Vermutung: Das muss ein Gericht Gottes sein. Die Katastrophe hat ja auch eine Schwulenbar oder ein «heidnisches» Land getroffen. Und schnell liegt der Schluss nahe: Wer nur gehorsam seinen Weg mit Gott geht, wird von solchen Schwierigkeiten verschont. Sagte das nicht schon Corrie ten Boom?

Nein. Das sagte sie nicht. Denn dieselbe Frau, die betonte, dass der sicherste Ort auf Erden im Zentrum von Gottes Willen liegt, litt im Dritten Reich massiv unter den Nationalsozialisten. Corrie ten Boom (1892-1983) war eine niederländische Christin, die sich in der Untergrundbewegung für den Schutz von Juden einsetzte. Zusammen mit ihrer Familie rettete sie durch ein System aus «sicheren Häusern» über 800 Juden das Leben. Doch sie wurden denunziert, verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert. Ihr Vater überlebte die Verhaftung nicht. Ihre Schwester Betsie starb später in ihren Armen, aber Corrie überlebte. Nach dem Krieg schrieb sie nicht nur ihre Lebensgeschichte auf («Die Zuflucht»), sondern reiste als Evangelistin und im Dienst der Versöhnung durch die ganze Welt. Nie hätte sie gedacht, dass ihr Überleben von ihrem Gehorsam abhing. Das Ausrichten nach Gottes Willen bietet keinen (magischen) Schutz!

Ein Leben inmitten von Leid und Zerbruch

Sobald man als Christ nicht nur Unglücksnachrichten von weiter weg ins Visier nimmt, zeigt sich schnell, dass vordergründige Sicherheit nichts mit Gehorsam oder dem Grad des Glaubens zu tun haben kann. Christen sind genauso betroffen von Autounfällen, Krebs, Einbrüchen, Fehlgeburten und allen anderen menschlichen Leiden. Manche – wie zum Beispiel Verfolgung – betreffen sie sogar besonders, gerade weil sie Christen sind. Craig Greenfield zieht als Fazit: «Vermutlich ist es an der Zeit zu erkennen, dass der sicherste Ort äusserlich gesehen eben nicht im Zentrum von Gottes Willen liegt. Es kann, im Gegenteil, der wildeste und gefährlichste Ort sein, den man sich vorstellen kann.»

Offensichtlich brauchen wir als Christen kein neues Sicherheitsdenken, sondern eine (neue?) Theologie des Leidens. Denn unsere Umgebung will uns oft genug weismachen: Du verdienst Annehmlichkeiten, Gesundheit steht dir zu… So gut sich das auch anhört, es stimmt nicht. Und hilfreich sind solche Aussagen schon gar nicht. So ist es auch keine Überraschung, dass selbst der Apostel Paulus sein eigenes Leben und Erleben völlig anders beschreibt: «Fünfmal haben die Juden mir neununddreissig Hiebe verabreicht. Dreimal wurde ich ausgepeitscht. Einmal wurde ich gesteinigt. Ich habe drei Schiffbrüche überlebt. Einmal verbrachte ich eine ganze Nacht und einen Tag auf dem Meer treibend. Ich habe viele beschwerliche Reisen unternommen und war unzählige Male in großer Gefahr: ob durch Flüsse oder durch Räuber, ob durch mein eigenes jüdisches Volk oder durch Nichtjuden, ob in Städten, in der Einöde oder auf stürmischer See oder durch Leute, die sich als Anhänger von Christus ausgaben, es aber nicht waren. Ich habe Erschöpfung und Schmerzen und schlaflose Nächte kennen gelernt. Oft litt ich Hunger und Durst und habe gefastet. Oft habe ich vor Kälte gezittert und hatte nichts, um mich warm zu halten. Und als wäre das alles noch nicht genug, lebe ich dazu noch täglich in Sorge um das Wohlergehen der Gemeinden» (2. Korinther, Kapitel 11, Verse 24-28).

Wir brauchen das «grössere Bild»

Wie das sprichwörtliche Schiff im Hafen gibt es die Erfahrung von Sicherheit und ruhiger See. Aber kein Schiff ist dafür gemacht, im ruhigen Hafen zu liegen. Seine Bestimmung ist es, draussen zu sein, auf dem manchmal wilden Meer, in schönem Wetter wie in Stürmen. Und manchmal mag es sogar heissen: «Mann über Bord!» Ist das nicht ein realistischeres Bild für unser Leben als Sicherheit? Aber was verspricht Gott in diese Situation hinein? Seine Zusage ist, dass er uns nie verlassen wird und auch nicht aufhört, uns zu lieben. Das ist alles. Aber das ist auch genug.

Corrie ten Boom verlor alles, als sie Jesus nachfolgte. Ihr Vater und ihre geliebte Schwester starben unter schrecklichen Umständen. Wer hier nur die «Kosten der Nachfolge» auflistet, der könnte verzweifeln. Doch Corrie ten Boom wollte kein sicheres Leben führen. Sie kämpfte und ihr Leben war wild, lebendig und erfüllt. Ihre Sicherheit war eine andere. Sie wusste: «Kein Abgrund ist so tief, dass der Herr nicht noch tiefer darunter ist. Unter uns sind die ewigen Arme.» 

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Datum: 24.08.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Craig Greenfield

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