Livenet-Talk mit Andreas Loos

Umglauben statt Unglauben

Andreas Loos
Der Theologe Andreas Loos hat einen interessanten Weg hinter sich: vom deutschen Erweckungshintergrund über St.Chrischona bis zum reformierten RefLab. Sein Thema: Was ist, wenn der traditionelle Glaube zum Problem wird?

Der gelernte Automechaniker ist heute Experte für «kommunikative Theologie»: Andreas Loos interessiert die «Verbindung von akademisch gründlicher Theologie mit dem ganz normalen Leben». Und zum ganz normalen Leben gehört heute für viele, dass der Glaube, der vielleicht über Generationen getragen hat, scheinbar nicht mehr funktioniert.

Unerhörte Gebete und andere Krisen

Andreas Loos ist selber durch seine Glaubenskrisen gegangen, die er offen kommuniziert. 17 Jahre Krebserkrankung im eigenen engsten Umfeld gehört dazu, wo Gott trotz jahrelanger Gebete bisher nicht geheilt hat. Loos erlebte am eigenen Leib die Krise seines Betens: «Eines Tages war meine Seele leer, der Körper müde.» Statt einfach fromm durchzubeissen, öffnete er sich für die Erkenntnis: «Anscheinend hat sich Gott entschieden, eine Welt zu erschaffen, in der es nicht immer nur gut geht. Es gibt Leiden, Not, Vergänglichkeit.»

Mit dieser «untersten Schicht» des Glaubens muss man klar kommen, ist er heute überzeugt. Denn Christen tickten eigentlich nach dem gleichen Muster wie die Gesellschaft: «Wenn es dir gut geht, wenn du gesund bist, wenn du abgesichert und anerkannt bist, dann hast du erfülltes Leben.» Dieses Narrativ bricht, so beobachtet Loos, heute auseinander. Klima, Corona, Krieg und manches andere bringen Menschen darum massenweise in die Krise – auch Christen.

Umglauben statt Unglauben

Loos arbeitet mit – und hat Verständnis für – Christen, deren Glaube angesichts solcher Ungereimtheiten nicht mehr passt; das Modewort ist «De-Konstruktion». Aber es gibt Lichtblicke, Auswege, die zu einer Re-Konstruktion des Glaubens führen können: Da sind zum einen «Erfahrungen von Glück und Sinn», die wir mitten im Unglück und im Zweifel machen können. «Da ist das Geheimnis, dass Gott in der Lage ist, aus jeder Lebenssituation immer wieder Glück und Sinn entstehen zu lassen. Dafür achtsam zu werden, das ist die Kunst, die ich lernen durfte.»

Loos ist überzeugt: Glaubenskrise muss nicht im Unglauben enden. Und er beobachtet als Begleiter von «Dekonstruktionsreisen» immer wieder, dass der Geist, der lebendig wirkt, immer wieder neue Erfahrungen und auch Gefässe schafft, selbst wenn alte Gefässe oder Kirchen nicht mehr nötig scheinen. «Wir werden auch die Rückkehr von Institutionen erleben», ist er überzeugt. «Der Heilige Geist liebt es, sich zu verleiblichen und sich Wohnungen zu schaffen. Querbeet. Der Heilige Geist ist kein Gespenst. Institutionen sind lebendige, geisterfüllte Verleiblichungen Gottes.»

Neuer Zugang zu Gott

Schliesslich – ein weiteres Hoffnungszeichen – erleben im Moment Millionen auf der Welt durch die Serie «The Chosen», die Interviewpartner Flo Wüthrich anspricht, einen neuen Zugang zu Jesus: «Wie menschlich kann denn ein Gott sein und wie göttlich kann ein Mensch sein?» Jesus habe selbst angekündigt, dass er «gehen» müsse, damit der Geist kommen kann. Loos schliesst daraus: «Für die Zukunft ist der Geist wichtig, nicht die Fixierung auf ein Jesusbild.»

In einem weiteren Talk zu Pfingsten wird Livenet das spannende Thema fortsetzen.

Datum: 08.02.2023
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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