Schweiz: Neue Anti-Rassismus-Kampagne provoziert und will aufrütteln

Anti-Rassismus

„Wie kommen Juden zu ihrem Geld?“ oder „Woher haben die Kosovo-Albaner ihre Autoradios?“: Farbig illustrierte Botschaften mit diesen und ähnlichen Fragen, die an antisemitische Klischees und rassistische Vorurteile appellieren, hängen seit Monatsbeginn an Schweizer Plakatwänden. Unerwartete Auftraggeberin ist die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), die damit eine neue Anti-Rassismus-Kampagne lanciert.

Das Prinzip der Plakate, Zeitungsinserate und Kinospots: Das Publikum zuerst zum (allenfalls heimlichen) Lachen - und dann zum Nachdenken bringen. Der an rassistische oder antisemitische Vorurteile appellierenden Frage in fetten Lettern ist jeweils unten an den Plakaten klein gedruckt die nüchterne Antwort beigefügt. Zum Beispiel: „Woher haben die Kosovo-Albaner ihre Autoradios?“ heisst es oben und dann in kleinen Buchstaben unten: „Aus dem Fachgeschäft, wie die meisten Schweizer auch“. Oder: „Wie kommen Juden zu ihrem Geld?“ - „Mit Arbeiten, wie andere Leute auch“. Oder: „Was machen Thailänderinnen, wenn es dunkel wird?“ - „Licht, wie die meisten Schweizerinnen auch“.

Schweigende Mehrheit ansprechen

Mit ihrer neuen Anti-Rassismus-Kampagne will die GRA nicht in erster Linie jene ansprechen, die rassistisch oder antisemitisch getönte Witze erzählen, sondern die „schweigende Mehrheit“, die offen oder heimlich über solche Witze lacht. Die Sprüche der Kampagne führten gezielt auf eine falsche Fährte, sagte Hanspeter Schweizer von der beauftragten Firma Wirz Werbung (Zürich) am Montag gegenüber der Zürcher Tageszeitung „Blick“. Auf die Frage, woher die Kosovo-Albaner ihre Autoradios hätten, reagierten nämlich viele mit dem Vorurteil, dass Albaner Langfinger seien.

Kritiker der neuen Anti-Rassismus-Kampagne befürchten, dass die Botschaft glatt übersehen wird: Weil von den meisten Leuten die klein gedruckte Antwort unten am Plakat übersehen und dadurch der Witz gar nicht verstanden werde, sei schlimmstenfalls eine Zementierung der bestehenden Vorurteile zu erwarten, meinten sie gegenüber dem „Tages-Anzeiger“ (Zürich).

Die Kampagne will laut GRA-Präsident Sigi Feigel die Bevölkerung wachrütteln und insbesondere junge Menschen ansprechen. Sie werde, so hofft Feigel, das öffentliche Gespräch über Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung in der Schweiz ankurbeln. Denn: Wer heute nichts gegen Rassismus und Antisemitismus unternehme, toleriere ein solches Verhalten und mache sich damit moralisch mitschuldig.

SVP-Plakate kontern

Die neue Anti-Rassismus-Kampagne der GRA startet nicht zufällig im Vorfeld der am 19. Oktober stattfindenden Wahlen ins eidgenössische Parlament. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) führe einen sehr aggressiven Wahlkampf, mit dem sie gezielt unterschwelligen Rassismus schüre und an rassistische Vorurteile appelliere, kritisierte Feigel gegenüber „Blick“: Farbige Menschen oder solche aus dem Balkan würden auf SVP-Plakaten immer wieder pauschal als Kriminelle an den Pranger gestellt.

Unterstützung erhält die neue Anti-Rassismus-Kampagne durch die Schweizer Behörden: Aus dem Fonds für Projekte gegen Rassismus und für Menschenrechte des Eidgenössischen Departements des Innern wurden 200.000 Franken an die Aktion beigesteuert.

Datum: 10.10.2003
Quelle: Kipa

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