Irakische Christen

Exodus bis zum bitteren Ende?

Es gilt, den «vollständigen Exodus» der Christen aus dem Irak zu verhindern. Diese deutlichen Worte wählt die «Neue Zürcher Zeitung». Sank die Zahl der Christen im nordarabischen Staat im letzten Jahrtausend rapide, halbierte sie sich in den letzten fünf Jahren fast. Noch etwa 450'000 bleiben übrig.
Das irakische Regierungsgebäude (Foto: Micha Niskin).
Auf den Strassen Mosuls herrscht Terror.
Das Städtchen Alqosh in der Nähe Mosuls. Christen flüchten aus Mosul in umliegende Orte.
Bild aus der Frühzeit des letzten Jahrhunderts: Syrisch-orthodoxe Christen im Mosul.

Christen werden in der nordirakischen Stadt Mosul von einer Welle der Gewalt überrollt (Wir berichteten) . Laut der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) machen irakische Politiker sunnitische Extremisten für die Übergriffe verantwortlich. Flüchtlinge dagegen würden von einem Kampf zwischen Arabern und Kurden sprechen.

In den letzten zwei Wochen wurden knapp zwanzig Christen umgebracht, andere Quellen sprechen von bis zu vierzig Ermordeten. Mehrere tausend sind auf der Flucht. Die NZZ berichtet, dass sich das Los der Christen in der Stadt zu bessern schien. Dies nach Jahren des Terrors sunnitischer Untergrundkämpfer und Kaida-Extremisten, die Mosul nach Saddams Sturz unter ihre Fuchtel gebracht hatten. Amerikanische Spezialeinheiten und irakische Sicherheitskräfte hätten viele führende Terroristen ausgeschaltet.

Zahl der Christen in fünf Jahren fast halbiert

Die NZZ braucht deutliche Worte: Händeringend würden Geistliche und christliche Politiker versuchen, den «vollständigen Exodus der Christen» zu verhindern. Im Jahr 2003 sei die Zahl der Christen noch auf 800'000 geschätzt worden, inzwischen sind Zehntausend in die Nachbarländer und nach Europa geflohen; für manche Christen es heute schlimmer als unter Saddam.

Einst war das Land Abrahams christlich, im letzten Jahrtausend wohnten noch mehrere Millionen Christen im Zweistromland. Heute leben noch rund 450'000 Christen im Land. Ende September scheiterte im irakischen Parlament ein Antrag, der Christen in Provinzparlamenten 13 Sitzen garantiert hätte, drei davon in Mosul; berichtet die NZZ. In einem Ort gingen hunderte Christen auf die Strasse und verlangten Autonomie. Eine solche werde von vielen Arabern als Spaltung des Landes angesehen und so hätten die jüngsten Morde nach der Demonstration in Dohuk eingesetzt.

«EU hat Handlungsbedarf»

Martin Schindehütte, Auslandbischof der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), fordert die Europäische Union (EU) zum Handeln auf. Die geflohenen Iraker benötigten dringend Hilfe, weil ihr Leben in ihrem Ursprungsland wegen ihrem Glauben gefährdet sei. Schindehütte in einer Pressemitteilung: «Der Beschluss der EU-Innenminister, die Situation in Nahost zunächst zu prüfen, um nicht übereilt und unter Umständen falsch zu handeln, ist auf den ersten Blick verständlich, jedoch darf dies nicht in eine Verschleppung und Verzögerung von dringend nötigen Hilfsmassnahmen auf Kosten von Menschen in äusserster Not umschlagen.»

Zwar forderte der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki die Christen auf in den Irak zurückzukehren und von der EU forderte er, die Flüchtlinge nicht aufzunehmen. Schindehütte hält dagegen: Solange seine Regierung nicht die Sicherheit von Minderheiten gewährleiste, dürfe sein Wunsch nicht massgeblich für die EU-Staaten sein.

Die «Gesellschaft für bedrohte Völker» (GfbV) drängt die deutsche Regierung zur Flüchtlings-Aufnahme und wirft Berlin vor, durch «träge und unflexible Entscheidungsfindung» wertvolle Zeit vertan zu haben.

Christen willkürlich ermordet

Laut Open Doors* durchstreifen islamische Terroristen Strassen und lassen sich von Passanten ihren Ausweis zeigen. Darauf ist die Religionszugehörigkeit «Moslem» oder «Christ» eingetragen. Stehe «Christ» darauf, werde der Inhaber auf der Stelle erschossen. Vor fünf Jahren hätten in Mosul etwa 300‘000 Christen gelebt, heute seien es noch 30‘000 und es sei zu befürchten, dass auch der Rest der christlichen Minderheit flüchte.

In der Vergangenheit wurden Menschen entführt, bedroht und sie mussten sich durch Lösegeldzahlung freikaufen – eine Praktik, über die von verschiedenen Werken und Medien berichtet wurde und die in verschiedenen Teilen des Landes angewendet wird.

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* In der Schweiz setzen sich mehrere Werke für verfolgte Christen ein. Sie bilden zudem die «Arbeitsgemeinschaft Religionsfreiheit»; eine Arbeitsgruppe der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA). Webseite: www.verfolgung.ch

Die Werke in alphabetischer Reihenfolge:
Aktionskomitee für verfolgte Christen (AVC)
Christliche Ostmission (COM)
Christian Solidarity International (CSI)
Hilfe für Mensch und Kirche (HMK)
Licht im Osten (LIO)
Open Doors
Stiftung Osteuropa-Mission Schweiz (OEM)

Quelle: Livenet, NZZ, EPD, KIPA

Datum: 16.10.2008
Autor: Daniel Gerber

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