Vom Zyniker zum Theologen

J. I. Packer ist im Alter von 93 Jahren gestorben

James Innell Packer, bekannt als J. I. Packer, gilt als einer der bekanntesten evangelikalen Theologen des 20. Jahrhunderts. Der gebürtige Brite lebte sein halbes Leben in Kanada und hatte seinen grössten Einfluss in den USA – durch seine Bücher aber auch in Europa. Packer starb am 17. Juli im Alter von 93 Jahren.
J. I. Packer (Bild: Genesis Photos)

Das bekannteste Werk des Theologen im deutschsprachigen Raum ist zweifellos der bereits 1973 erschienene Klassiker «Gott erkennen» (Knowing God). Doch Packer war viel mehr als nur ein Autor. 2005 stellte ihn das «Time Magazine» als einen der 25 einflussreichsten Evangelikalen der USA vor. Er war bekannt für klare, griffige Sätze und konservative Theologie. Er bearbeitete und durchlebte 70 (!) Jahre lang Themen wie Heiligung, Leben im Heiligen Geist und biblische Ethik. Dabei ging er keiner Auseinandersetzung aus dem Weg – und er betonte doch: «Ich möchte als jemand in Erinnerung bleiben, der auf das grüne Weideland hingewiesen hat.»

Ein Unfall mit Folgen

Packer wuchs im Südwesten Englands auf, in der Gegend von Gloucester. Nichts an seiner Herkunft deutete an, dass er einmal ein weltbekannter Theologe werden würde. Mit sieben Jahren hatte er einen schweren Autounfall und trug eine Kopfverletzung davon, die immer sichtbar blieb: Ein Teil seines Stirnknochens zersplitterte und musste entfernt werden. Jahrelang lief er als Kind mit einer Metallplatte vor der Stirn herum – Sport war tabu. Als alle anderen Jungs mit 15 ein Fahrrad geschenkt bekamen, erhielt er eine Schreibmaschine.

Doch tatsächlich öffnete ihm das eine neue Welt. Packer lernte leicht und gut, so bekam er zum Schulabschluss ein Stipendium in Oxford. Weil sein Vater bei der Bahn arbeitete, war wenigstens die Fahrt dorthin für ihn gratis. Die akademische Welt beeindruckte ihn tief und geprägt von dem damaligen Oxford-Professor C. S. Lewis entschloss er sich, Theologie zu studieren. Während dieser Zeit entschied er sich in einer studentischen Versammlung, sein Leben ganz an Christus zu orientieren. Damit begann seine Karriere als Priester, Theologe und Autor.

Eine Antikarriere als Grenzgänger

Aber was heisst Karriere? Packer hätte an der Universität glänzen können, aber er fokussierte sich immer wieder auf die «normalen» Christen. Er hätte als hervorragender Redner eine Top-Pastorenstelle bekommen können, aber er wusste, dass er für mehr als eine Gemeinde da sein sollte. So ist sein Leben geprägt von vielen scheinbaren Widersprüchen: Packer war Anglikaner, bewegte sich aber in jeglichem gemeindlichen Kontext. Er formulierte klar und deutlich, aber immer voll Herzenswärme. Er war das, was man heute vielleicht als «theologischen Hardliner» bezeichnen würde – und er war es auch wieder nicht.

Klar ist, mit seinen Gedanken zum Wesen Gottes in «Knowing God» prägte er Generationen von Christen und forderte sie dazu heraus, neu auf Gott zu blicken, denn – so zitiert er darin Spurgeon: «Kein Gegenstand der Betrachtung ist geeigneter, den Geist zur Demut zu bringen, als der Gedanke an Gott.»

Sein Liebling? Der Prediger

Immer wieder wurde J. I. Packer gefragt, was sein liebstes Buch in der Bibel wäre. Seine Antwort überraschte viele: das Buch Prediger. Warum?

«Erstens ist es eine besondere Freude, einen Autor zu lesen, mit dem man in vielem übereinstimmt. So sehe ich den Verfasser, der sich selbst Kohelet nennt, den 'Versammler'. […] Er war ein Realist in Bezug auf die vielen Arten, in denen diese Welt uns auf die Probe stellt. Von seinem Temperament her neigte er zu Pessimismus und Zynismus, doch ich denke, er wurde durch eine starke Theologie der Freude davor bewahrt, in einen dieser Krater der Verzweiflung zu fallen.»

In diesem Punkt sah Packer sich als einen Seelenverwandten des alttestamentlichen Autors. Und er ergänzte: «Zweitens, wenn ich auf meine Bekehrung in den späten Teenagerjahren zurückblicke, sehe ich, dass ich vom Prediger die Weisheit erhalten habe, die ich dringend brauchte. Als Jesus Christus mich erfasste, war ich bereits auf dem besten Weg, ein Zyniker zu werden. Aber Gottes Gnade hat mich gründlich gezähmt, und ich sehe, dass Prediger – sowohl der Mann als auch das Buch – viel dazu beigetragen hat.»

All das lag nicht zuletzt an seinem Unfall, der ihn in der Schule und darüber hinaus zum Aussenseiter gemacht hatte. Als Packer begann, mit Jesus Christus zu leben, «brachte das viele Veränderungen mit sich, und insbesondere der Prediger zeigte mir Dinge im Leben, die ich vorher noch nicht gesehen hatte. […] Es ist ein schweres Manko, wenn man zu stolz ist, um das Angenehme des Lebens geniessen zu können. Das muss man korrigieren und dann kann man wie ich vor langer Zeit entdecken, dass mit Gott auch die gewöhnlichen Dinge Freude bringen. Das heilt den Zynismus.»

Sein Vermächtnis

Das war J. I. Packer: biblisch orientiert. Seelsorgerlich. Persönlich. 2016 erblindete er aufgrund einer Makuladegeneration und beendete er seinen langen Dienst, denn er konnte nicht mehr lesen, reisen oder öffentlich reden. Als er einmal gefragt wurde, was sein Vermächtnis an die Christen sein könnte, fasste er seine Botschaft in wenigen Worten zusammen: «Verherrliche Christus auf jede Weise.»

James Innell Packer starb am 17. Juli 2020, vier Tage vor seinem 94. Geburtstag.

Einen ausführlicher Nachruf mit Lebensgeschichte auf Englisch findet sich hier.

Zum Thema:
Gebrauchsanleitung zum Leben: Der «Prediger» heilt von Zynismus
Wie sollte ein Christ leben?: Fünf Anregungen von C.S. Lewis
Auswege aus dem Zynismus: Tipps von Craig Greenfield aus Kambodschas Slums

Datum: 22.07.2020
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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