«Greek Room»

KI – Das letzte Kapitel der Bibelübersetzung

«Greek Room»-Visionär Joel Mathew und «Greek Room»-Entwickler Ulf Hermjakob
Indiana Jones hätte daran seine helle Freude: Das KI-Programms «Greek Room» beschleunigt Bibel-Übersetzungen erheblich. Dank künstlicher Intelligenz wird die Arbeit bei Sprachen, die es noch nicht in schriftlicher Form gibt, massiv erleichtert.

«Der ‘Greek Room’ ist ein Tool, das im Qualitäts-Prozess hilft», gibt «Greek Room»-Visionär Joel Mathew im «Zoom»-Gespräch mit Livenet einen Einblick in ein Werkzeug, das den aufwändigsten Teil der Bibel-Übersetzung erheblich beschleunigt: jener der akribischen, mehrstufigen Korrektur-Gänge. «Wir unterstützen die Bibel-Übersetzer durch den ganzen Korrektur-Prozess hindurch – dieser braucht sehr viel Zeit.»

Informatiker und «Greek Room»-Entwickler Ulf Hermjakob bilanziert gegenüber Livenet: «Es gibt weltweit 7000 Sprachen, in welche eine Übersetzung erforderlich ist. Aber die komplette Bibel ist nur in 700 Sprachen erhältlich und das Neue Testament in mehreren hundert weiteren Sprachen.»

Vielfach gingen früher westliche Missionare in ein Land und es dauerte zehn bis zwanzig Jahre, bis eine Übersetzung fertig war. Heute übersetzen lokale Menschen in die lokale Sprache. Ulf Hermjakob: «Aber sie brauchen theologische und sprachliche Hilfe. Oft ist es das erste grosse Buch in ihrer Sprache. Das macht es sehr schwer. Anders als zum Beispiel in Englisch oder Deutsch gibt es keine Rechtschreib-Checker.»

Wertvolle Zeit wird gewonnen

Das Werkzeug kam im vergangenen Jahr in Schwung: «Im letzten Jahr lag der Fokus darauf, das Tool zu erarbeiten und ein paar Sprachen zu begleiten. Nun, im zweiten Jahr, geht es darum, so viele Sprachen wie möglich an Bord zu holen, damit so viele Übersetzungsprojekte wie möglich davon profitieren können», blickt Joel Mathew nach vorne.

«Wir wollen helfen, die Übersetzungsarbeit schneller und effizienter zu gestalten und die Übersetzungen konsistenter zu machen», fasst Ulf Hermjakob das Gesamtziel zusammen. «Es gibt mehr nötige Projekte, als Wycliffe gegenwärtig bearbeiten kann. Wir wollen helfen, dass das schneller geht, ohne dabei die Qualität leiden zu lassen.

Das Tool vergleicht die Worte in den Texten und schaut, ob und wie sie mit anderen Worten korrespondieren und was die Übersetzer checken sollen.»

Dank KI schnellere Fortschritte

Joel Mathew erklärt, dass «Greek Room» mittlerweile in einer Handvoll Sprachen angewendet wird. «Wir haben bereits nach kurzer Zeit von hochrangigen Qualitäts-Checkern gehört, dass das Werkzeug sehr hilfreich sei. Nun sammeln wir mehr und mehr Daten. Wir entwickeln ein Tool, in dass sich alle Mitwirkenden einloggen und damit arbeiten können.»

KI ist ein weites Feld, analysiert Ulf Hermjakob. «Ein Zugang ist Deep-Learning, doch dieser KI-Typ braucht grosse Datenmengen.» Bei «Greek Room» steht die klassische KI im Zentrum. «Es geht um die phonetische Nähe zwischen verschiedenen Worten. In einer englischen Bibel gibt es beispielsweise die Worte ‘Immanuel’ und ‘Emmanuel’. Unser System zeigt dann, dass diese beiden Wörter phonetisch ähnlich sind und sich in einer Referenzsprache decken. Es fragt, ob es sich hier vielleicht um einen Tipp-Fehler handelt, der korrigiert werden muss.»

Joel Mathew ergänzt: «Der User muss im Moment noch sehr viel checken. Mit der KI-Technik muss er weniger manuell überprüfen, er kann vieles automatisch machen. Das erhöht die Geschwindigkeit und verbessert gleichzeitig auch noch die Qualitätsprüfung.»

Fehlende Worte werden erkannt

Ulf Hermjakob gibt ein Beispiel: «Wenn die zu übersetzende Sprache mit einer englischen Übersetzung sowie einer ähnlichen Sprache verglichen wird, dann werden automatisch Dinge markiert, die geprüft werden müssen. In einem Projekt fehlte zum Beispiel an einem Ort das Wort ‘Jesaja’. Das Programm hat das erkannt, weil der Name fehlte.»

Joel Mathew ergänzt: «Oder wenn ein Wort zu viel ist im Vergleich mit den Referenzsprachen, erkennt das Programm dies ebenfalls. Bei Worten und Sätzen wird erkannt, wenn etwas fehlt oder wenn Worte dazukommen.»

Nicht mehr auf sich allein gestellt

«Das Tool markiert Textstellen, aber trifft keine Entscheide», erklärt Joel Mathew weiter. «Es erleichtert einfach die Arbeit des Übersetzers. Es ist Teil von Gottes Plan.»

Er verweist auf die Menschen im Feld, die kein Internet haben und vielleicht erstmals überhaupt einen Computer benutzen – und die dann auch noch an und mit einer Sprache arbeiten, die es noch gar nicht schriftlich gibt!

«Bei uns unterstreicht der Sprach-Checker in unserer Sprache Fehler automatisch. Aber unter diesen Umständen sind die Übersetzer auf sich alleingestellt. Der ‘Greek Room’ erleichtert ihnen viele, viele Tage des Überprüfens. Manuell prüfen bedeutet, dass viele Runden für viele Leute nötig sind … und es wird auch dann noch Fehler geben.»

Der «Greek Room» ist nun daran, einen erheblichen, ja entscheidenden, Unterschied zu machen.

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Datum: 03.01.2024
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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