Iranische Christen scheitern in Georgien
Jalal Darzi, ein iranischer Christ, steht vor einem ungewissen Schicksal: Die georgischen Behörden haben seinen Asylantrag abgelehnt. Wie ihm geht es immer mehr Konvertiten, die der religiösen Verfolgung im Iran entkommen wollen.
Nach seiner zweiten Anhörung bei den georgischen Asylbehörden war für Jalal Darzi klar: Er darf nicht bleiben. Die Ablehnung seines Antrags begründeten die Beamten damit, dass er nicht glaubhaft machen konnte, Christ zu sein. Doch Darzi erklärt, die Fragen seien auf die orthodoxe Kirche ausgerichtet gewesen – eine Tradition, die ihm als ehemaligem Muslim unbekannt ist.
Darzis Schicksal steht exemplarisch für zahlreiche andere iranische Christen, wie aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisationen «Article18», «Christian Solidarity Worldwide2, «Open Doors» und «Middle East Concern» hervorgeht.
Weniger als ein Prozent der iranischen Asylanträge anerkannt
Trotz der dokumentierten religiösen Verfolgung im Iran hat Georgien in den letzten drei Jahren weniger als ein Prozent der über 1'000 Asylanträge iranischer Staatsbürger anerkannt. Die überwiegende Mehrheit wird abgelehnt, oft mit der Begründung, der Übertritt zum Christentum sei nicht glaubhaft.
«Für die Asylsuchenden bedeutet dies eine ungewisse Zukunft», heisst es in dem Bericht. «Sie haben kaum Hoffnung, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, und nur wenige Alternativen, internationalen Schutz zu finden.»
Einige der Abgewiesenen haben bereits Jahre in Ländern wie der Türkei verbracht, bevor sie nach Georgien weiterreisten – ein Land, das sie nun ebenfalls zurückweist.
Warum Georgien den Iran bevorzugt
Ein Grund für die hohe Ablehnungsquote könnte die geopolitische Lage sein. Georgien, das stark vom Handel mit einem grossen Land in der Nachbarschaft abhängig ist, scheint diplomatischen Beziehungen Vorrang vor humanitären Verpflichtungen zu geben.
Der ebenfalls im Bericht zitierte Pastor Reza Fazeli berichtete, dass er im Juli 2024 vom georgischen Geheimdienst zu einem Gespräch einbestellt worden sei.
«Die diplomatischen Beziehungen seien wichtiger, sagten sie mir. Und dass wir uns erst in zweiter Linie an die Regeln für Flüchtlinge halten müssten», berichtet Fazeli. Für Georgien habe das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Vorrang vor der Flüchtlingskonvention.
Seine Kirche musste er auf Anordnung der Behörden schliessen. Treffen mit mehr als fünf Personen und Gespräche mit Journalisten wurden ihm verboten.
Im Jahr 2023 betrug der offizielle Handel zwischen Georgien und dem Iran 270 Millionen US-Dollar – inoffiziell könnten es sogar 500 Millionen US-Dollar sein. Für ein kleines Land sind gute Beziehungen zu einem Land wie dem Iran in der Nachbarschaft entscheidend.
Keine Perspektive im Iran
Die georgischen Behörden behaupten in Gerichtsverfahren oft, dass Christen im Iran keine Schwierigkeiten hätten. Doch die Realität sieht anders aus:
- Konversion vom Islam zum Christentum ist im Iran illegal.
- Der Besitz einer Farsi-Bibel kann zur Verhaftung führen.
- Kontakte mit christlichen Konvertiten werden als Bedrohung der nationalen Sicherheit gewertet.
Immer wieder werden Christen verhaftet, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt. Die georgischen Migrationsbehörden ignorieren diese Tatsachen jedoch systematisch, wie Menschenrechtsorganisationen kritisieren.
Für Jalal Darzi bedeutet die Ablehnung seines Asylantrags nicht nur den Verlust eines sicheren Zufluchtsortes, sondern auch Perspektivlosigkeit. Zwar hat er in Georgien Arbeit gefunden und sich ein soziales Netzwerk aufgebaut, doch ohne Asylstatus droht ihm die Abschiebung.
«Ich denke, ich habe vielleicht noch ein Jahr», sagt Jalal Darzi. «Vielleicht dauert die erste Berufung ein halbes Jahr und dann wieder ein halbes Jahr bis zum zweiten Entscheid. Aber ich weiss, dass ich mich darauf vorbereiten muss, zu gehen.»
Wohin gehen?
Auch Freunde von ihm stehen vor der gleichen Entscheidung. Einer von ihnen habe nur noch einen Monat, bis er das Land verlassen muss. «Ich fragte ihn: ‚Wohin gehst du?‘ Und er sagte: ‚Ich weiss es nicht.‘»
Die Menschenrechtsorganisationen fordern die georgischen Behörden auf, die Vielfalt des christlichen Glaubens anzuerkennen und Konvertiten nicht nach orthodoxen Kriterien zu beurteilen. Zudem appellieren sie an die internationale Gemeinschaft, neue, sichere und legale Wege für die Neuansiedlung verfolgter Christen zu schaffen.
«Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Menschen, die bereits vor Verfolgung geflohen sind, in einem anderen Land erneut abgewiesen werden. Sie brauchen Schutz – jetzt.»
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