Forum für Chefs

Glaube bewahrt vor Hochmut und Masslosigkeit

Das erste Forum christlicher Führungskräfte bot am Wochenende in Bern geerdete Impulse zum werteorientierten Handeln. «Chefsein und Christsein – das beisst sich zuweilen», meinte der Kirchenbundspräsident Gottfried Locher nüchtern. Die Chefs wurden aufgerufen, aus dem Glauben verantwortlich zu handeln und sich fürs Gemeinwohl einzusetzen.
Absage an Gier und Spekulation: Hans-Ulrich Bigler (Mitte), Brigitte Häberli und Hans-Ulrich Lehmann auf dem Podium.
Vernetzer: Die Organisatoren Nica Spreng, Wilf Gasser, Jürg Opprecht und Paul Beyeler fanden viel Zuspruch fürs Forum.
Nur ein transparenter Finanzplatz hat Zukunft: Elisabeth Schirmer.

Was haben Christen in Verantwortung miteinander zur Zukunft des Landes beizutragen? Das Forum christlicher Führungskräfte liess es facettenreich ahnen, ohne Mängel und Schwierigkeiten des christlichen Engagements zu beschönigen. Wie umstritten christliche Werte in der säkularen Schweizer Gesellschaft sind, konnten die Veranstalter an einer Vorschau des Pendlerblatts «20 Minuten» ablesen. Sie provozierte am Freitag innert Stunden Hunderte von Diskussionsbeiträgen.

«Widerspruch und eigenes Versagen aushalten»

«Chefsein und Christsein – das beisst sich zuweilen.» Gottfried Locher vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK referierte pointiert über die Spannung zwischen Sachzwängen und Idealen, in der Chefs handeln müssen. Schon der Apostel Paulus habe damit seine Mühe gehabt: «Nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Böse.» Den Chef gebe es immer nur als Einzelperson, als Mensch, der seine Verantwortung nicht delegieren könne, sagte der Berner Theologe mit MBA-Abschluss. «Spannung, Widerspruch und eigenes Versagen gilt es auszuhalten. Ein guter Chef weiss: ich bin manchmal ein schlechter Chef.» Christen könnten jedoch schlechte Gewohnheiten überwinden und aufbrechen in eine bessere Zukunft.

Demut als der Mut des Chefs

Zu diesem Aufbruch motivieren Gottfried Locher «altmodische Tugenden» mehr als vage christliche Werte, «die so sehr stimmen, dass sie niemand richtig herausfordern». Als zentrale Tugend des Chefs stellte er die Demut heraus, «das Bewusstsein, dass allein Gott allmächtig ist». Der Hochmut mache das eigene Handeln zum Mass aller Dinge, der demütige Chef dagegen kenne seine Grenzen. «Er kann Fehler zugeben und bei andern zulassen. Demut schützt uns vor Arroganz, macht behutsam im Urteil und aufmerksam auf die Bedürfnisse von Mitarbeitenden.» Zum Einüben von Demut schlug der SEK-Ratspräsident dreierlei vor: den ehrlichen Blick in den Spiegel zu tun und Misserfolge als Geschenke anzunehmen, das Ebenbild Gottes auch in anderen zu suchen und Zeit für das Gebet zu nehmen. «Demut ist Mut», schloss Locher, «der Mut, Gott ganz zu vertrauen, der Mut, der bei Gott Kraft sucht.»

Die Veranstaltung brachte über 500 Unternehmer und Führungskräfte, Wissenschaftler, Politiker und Kirchenvertreter an zwei Tagen in der Messe Bern zusammen, vor allem Deutschschweizer. Als neues Angebot wurde am Forum «Christian Leadership Values» vorgestellt: Führungskräfte treffen sich zweimal monatlich in Kleingruppen, um Impulse von Videobotschaften aufzunehmen und einander im fokussierten Austausch zu ermutigen.

Verantwortung übernehmen!

Jean-Daniel Gerber, der nach dem Seco das Bundesamt für Migration geleitet hatte, dankte Locher dafür, dass der Kirchenbund den Mut hatte, das Monitoring von höchst umstrittenen Ausschaffungen befristet zu übernehmen. Es sei einfacher, Verantwortung abzulehnen und sich auf Kritik zu beschränken. Gerber sagte, er habe beschlossen, sich für den CS-Verwaltungsrat zur Verfügung zu stellen. Es gelte Verantwortung zu übernehmen. «Ob‘s gut herauskommt, ist letztlich in den Händen Gottes.»

Nein zum Schwarzgeld

Der Thurgauer Werner Messmer, Präsident des Baumeisterverbands, hat 12 Jahre als FDP-Nationalrat politisiert. Er forderte die Anwesenden ebenfalls auf, sich im öffentlichen Leben, in Wirtschaft und Politik zu engagieren. Der Glaube bewahre Christen vor überspanntem Erfolgsstreben, Gier und Masslosigkeit. Der Sinn für das Mass wurde laut Werner Messmer «in den letzten Jahren mit Füssen getreten». Der Mitautor der FDP-Weissgeldstrategie räumte ein, ihm seien die Haare zu Berge gestanden, als er die Hunderte Milliarden auf Schweizer Banken, die anderswo am Fiskus vorbeigeschleust wurden, zur Kenntnis nehmen musste. «Wie konnte ich Gott weiter um den Segen für unser Land bitten? Als Christ musste ich handeln.»

Für die gute Sache kämpfen

Für Messmer sind «nicht in erster Linie neue Systeme, sondern veränderte Menschen» vonnöten. Er verschwieg Schattenseiten der reichen Schweiz wie die hohe Jugendsuizidrate nicht. Der alt Nationalrat ist überzeugt, dass der Respekt für christliche Werte dort schwindet, wo sich Christen zurückziehen. «Nörgler und Stänkerer und Miesmacher gibt es genug – wir brauchen auch keine christlichen Phantasten, die fünf Meter über dem Boden schweben.» Er versuche auch als Baumeisterpräsident, nicht gegen Menschen, sondern für die gute Sache zu kämpfen. 

Segen auf dem Boden der Gottesfurcht

Die Unternehmerin und Baselbieter Bankratspräsidentin Elisabeth Schirmer äusserte die Überzeugung, dass die Gottesfurcht der Eid-Genossen der Schweiz Segen gebracht habe. Sie zitierte den Rütlischwur von Schillers Tell und erinnerte an die Industrien, welche Hugenotten der Schweiz hinterliessen. Mit dem Bild einer vom Wind eingerissenen Schweizerfahne forderte sie die Führungskräfte auf, glaubwürdig zu handeln und auf Nachhaltigkeit hinzuarbeiten.

Bescheidenheit

Als Facetten der Glaubwürdigkeit nannte Schirmer das Arbeiten an sich selbst, den Einsatz für andere, Vorbild sein und Bescheidenheit. «Der nicht dienende Dienstleister bleibt langfristig ohne Dienst.» Nachhaltigkeit ergebe sich aus dem Ineinanderfallen von Identität, Werten und Auftrag. Für den Finanzplatz Schweiz sei «sauberes, transparentes Business» das Gebot der Stunde. «Es braucht Transformation aus dem Innern – Regulierungen genügen nicht.»

Sparen im Kleinen und im Grossen

Ein prominent besetztes Podium diskutierte unter Leitung von NZZ-Redaktor Markus Häfliger Aspekte der Verschuldungskrise, wobei Schulden von Privaten, Unternehmen und Staaten nicht auseinander gehalten wurden. Einig waren sich die Teilnehmenden in der Kritik an der Gier, die in den 1990er Jahren mit dem Streben nach dem «Shareholder Value» aufkam. Laut Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands, hat es die soziale Marktwirtschaft untergraben. Die Thurgauer CVP-Ständerätin Brigitte Häberli mahnte zum Sparen im Kleinen und im Grossen. Der Versuchung des schnellen Geldes sei zu widerstehen und Solidarität mit Bedürftigen zu üben.

«Enkelverträglichkeitsprüfung» 

Der Zürcher IT-Unternehmer Hans-Ulrich Lehmann geisselte die Verselbständigung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft und ihre spekulativen Exzesse. Der Basler Zukunftsforscher Andreas Walker machte deutlich, dass Schulden Freiheit rauben und forderte eine «Enkelverträglichkeitsprüfung» für aktuelle Vorhaben. «Wir müssen heute Wege schaffen, auf denen es attraktiv ist, Kinder zu haben und Eltern zu sein. Zukunft ist eine Frage der Generationenfolge.» Der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn regte eine Umsetzung des biblischen Halljahr-Konzepts zum Schuldenerlass im 21. Jahrhundert an. «Schulden schreien nach Befreiung.» Christus habe Besitz als Hindernis für die Nachfolge gesehen.

Paul Beyeler, einer der Initiatoren, skizzierte vor der abschliessenden Zukunftswerkstatt in Themengruppen die Perspektiven des Forums. Es wolle in der Wertefrage für Führungskräfte das Gemeinsame betonen und die Schweizer Netzwerke und Organisationen, die sich an Führungskräfte wenden, vernetzen. «Wir wollen dazu beitragen, dass das gegenseitige Verständnis wächst.» Ziel ist eine gemeinsame Stimme, damit christliche Führungskräfte vermehrt in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Datum: 27.03.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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