Südkoreanische Sekte

Shincheonji ködert jugendliche Christen in der Schweiz

Südkorea Flagge
In einem Aufklärungsfilm über die Shincheonji-Sekte unterhält sich Jaël Binggeli mit Lara und der Südkoreanerin Min. Im Gespräch spüren sie Hintergründen und Problematiken von Shincheonji nach.
Jael und Lara im Gespräch über Shincheonji

«Hast du auch schon einmal eine Nachricht von einer fremden Person erhalten, die schreibt, wie cool sie es findet, wie du im Glauben unterwegs bist?» Mit diesen Worten führt Jaël im Brave beLIFE-Video über die Shincheonji Sekte ins Thema ein. Nach der Kontaktaufnahme folge jeweils bald die Einladung zu einem Online-Bibelkurs. «Solche Nachrichten erhielt ich schon fünfmal und wurde hellhörig, weil ich die Frauen, die mich angeschrieben hatten, nicht kannte.» Eine Freundin äusserte den Verdacht, dass dies Leute von Shincheonji sein könnten. Jaël hatte noch nie etwas davon gehört und wollte der Sache nachgehen.

Persönliche Betroffenheit

Auch Lara hatte Berührungspunkte mit Shincheonji. «Ich wurde selbst schon mehrmals angeschrieben», erzählt sie. «Und ich hörte von einer Kollegin, die Teil davon war, inzwischen aber wieder ausgetreten ist.» Die Zeit bei Shincheonji habe Laras Kollegin nicht gut getan und nach dem Austritt musste sie ihr Leben aufräumen und neu ordnen.

Die Geschichte ihrer Kollegin veranlasste Lara dazu, über Shincheonji zu reden und andere Menschen diesbezüglich zu sensibilisieren. Die Sekte richtet sich stark an junge Christen.

Hintergründe zu Shincheonji

Shincheonji ist eine Neuoffenbarungsreligion aus Südkorea. Genau übersetzt bedeutet der Name «neuer Himmel, neue Erde». Der Gründer rief die Sekte 1984 ins Leben. «Er versteht sich als einzig wahrer Pastor der Endzeit», erklärt Jaël. «Er glaubt, unsterblich zu sein und der einzige, der die Bibel richtig auslegt.» Junge Anhänger sollen gewonnen und auf die Endzeit vorbereitet werden. Hierzu haben sie eine Bibelschule, das «Zion Christian Mission Center» oder «International Bible College».

Mitglied von Shincheonji wird man nach einem intensiven «Bibeltraining». Nach eigener Angabe hatte Shincheonji 2019 rund 100'000 Absolventen und rund 600 Bibelschulen in 29 Ländern. Dazu gehören Deutschland, Holland, Spanien oder Japan. Experten schätzen die Zahl der Anhänger auf circa 250'000. Seit der Pandemie sind sie auf Social Media und christlichen Dating-Plattformen aktiv. Sie werben aber auch in öffentlichen Räumen für ihre Bewegung. So zum Beispiel an Bahnhöfen oder unter Studenten.

Ist Shincheonji eine Sekte?

Jaël erwähnt drei Gründe, die bei Shincheonji auf eine Sekte hinweisen. Erstens haben sie eine zentrale Leitfigur. Zweitens ist der Kontakt nach aussen unerwünscht. Und drittens haben sie starke hierarchische Strukturen. Weiter werden auch regelmässig die Räumlichkeiten gewechselt und Kritik wird unterbunden. Andere Gemeinden werden als «dämonisches Werk» betrachtet.

Besonders betont Jaël das Schritt für Schritt Einführen in die Lehre von Shincheonji. «Mitglieder werden dann unter Druck gesetzt, selbst zu missionieren.» Besonderes Misstrauen sei geboten, wenn dazu aufgefordert wird, gewisse Dinge vor Familie und Freunden zu verheimlichen.

Woran erkennen wir Shincheonji?

Lara gibt Anhaltspunkte, wie die Bewegung erkannt werden kann. «Du wirst persönlich angesprochen oder angeschrieben und gleich von Anfang an zu einem Bibelkurs eingeladen. Dieser Kurs findet in einem öffentlichen Raum, online oder in einer gemieteten Wohnung statt.» Die inhaltlichen Schwerpunkte der Kurse liegen auf den Gleichnissen und dem Buch der Offenbarung. Kritische Fragen sind nicht gerne gesehen und jeder Teilnehmer hat von Anfang an eine Betreuungsperson zur Seite.

Grosses Problem in südkoreanischen Kirchen

Min (Name wurde von brave beLIFE geändert) ist eine Südkoreanerin und lebt seit vier Jahren in der Schweiz. «Der Name Shincheonji ist in koreanischen Kirchen bekannt», erzählt sie. «Für die Gemeinden in Korea sind sie ein grosses Problem.» Als «Erntemänner» bezeichnete Personen würden in etablierte Gemeinden geschickt, wo sie Mitglieder würden. Sobald sie ein gewisses Ansehen gewonnen haben, beginnen sie mit ihrer Aufgabe. «Sie bringen Spaltung in die Kirche und ziehen Gemeindemitglieder zu Shincheonji.» Wo immer Konflikte aufkommen, versuchen sie, diese zur Eskalation zu bringen.

Junge Menschen sind im Fokus

Shincheonji weitete sich in der Türkei und dann auch in Europa und Afrika aus. Einen Grund hierfür sieht Min in der Betonung der Endzeit. Wer die Wahrheit kennt, wird als Teil der 144'000 Auserwählten bezeichnet. Die Mitglieder müssen dann beweisen, zu diesen zu gehören, indem sie neue Mitglieder gewinnen.

Min bestätigt, dass sich Shincheonji stark auf junge Menschen ausrichtet. Wenn Jugendliche ihre Probleme zur Sprache bringen, würde darauf verwiesen, dass mit solchen Problemen zum Schöpfer der Menschen gegangen werden soll. Hier folge dann bald die Einladung zu einem Bibelkurs, und auch das Hinzuziehen eines Mentors sei üblich.

Auf die Frage, wie man sich am besten gegen Sekten wie Shincheonji wappnet, betont Min die Wichtigkeit, die Bibel gut zu kennen. «So wirst du merken, wenn etwas nicht der Wahrheit entspricht.»

Auch das SRF hat die Sekte in einem aktuellen Video thematisiert.

Sehen Sie sich hier das ganze Gespräch von Jaël und Lara an:

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Datum: 27.01.2023
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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