«Teilweise absurde Verhöre»

Räsänen sieht Verhandlung gelassen entgegen

Die finnische Politikerin, gegen die wegen Aufstachelung zum Hass gegen Homosexuelle ermittelt wird, wird am 24. Januar vor dem Richter ihr Recht verteidigen, öffentlich über ihre religiösen Überzeugungen zu sprechen.
Päivi Räsänen (Bild: Instagram)

Päivi Räsänen wird vorgeworfen, gegen Paragraf 10 des Strafgesetzbuchs verstossen zu haben, der es verbietet, «Drohungen, Diffamierungen oder Beleidigungen» gegen Personen u.a. wegen ihrer sexuellen Orientierung auszusprechen. Zwei Jahre lang untersuchte die finnische Generalstaatsanwaltschaft ihre Äusserungen in sozialen Medien, einer vor 17 Jahren veröffentlichte Broschüre und ihre in einer Talkshow geäusserten Ansichten.

Die Probleme von Räsänen begannen, nachdem die Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands, zu der sie gehört, zum offiziellen Partner der Schwulenparade im Juni 2019 wurde, was sie – u.a. mit Bibelzitaten – kritisierte. «Finnischer Politikerin droht Gefängnis, weil sie die Bibel zitiert hat», titelte etwa «International Family News».      

Über die Lehre der Bibel befragt

In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit der Menschenrechtsorganisation «Alliance Defending Freedom» (ADF) spricht Räsänen über ihre Zeit als Ärztin, ihre Familie (sie und ihr Mann, ein lutherischer Pfarrer, haben fünf Kinder und sieben Grosskinder) und zu den rund 13 Stunden polizeilicher Verhöre in den letzten zwei Jahren. Diese Verhöre seien teilweise «sehr absurd» gewesen, sagt sie. «Ich sass da mit der Bibel auf dem Tisch, als die Polizei nach meinem Glauben fragte.» Es seien Fragen gestellt worden zu einzelnen Bibelversen. Räsänen nennt auch konkrete Beispiele: Sie sei zum Beispiel gefragt worden, was sie zu dieser und jener Aussage von Apostel Paulus sage, besonders auch zu Versen, in denen er über homosexuelle Handlungen spricht.

Trotz teilweise absurden Situationen, sei es auch «ein Privileg» gewesen, über ihren Glauben Auskunft zu geben. «Ich hatte die Gelegenheit, der Polizei zu sagen, was die Bibel über den Wert des Menschen sagt, dass alle Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen wurden und deshalb wertvoll sind.»

«Wie zu Sowjetzeiten»

Irgendwann habe die Polizei auch gefragt, ob sie bereit sei, ihre Schriften zurückzuziehen und sie aus den sozialen Medien und Websites zu entfernen. «Aber ich habe geantwortet, dass ich zu meinen Überzeugungen stehe und auch über diese Dinge sprechen und schreiben werde, denn sie sind eine Sache der Überzeugung und nicht nur eine Meinung.»

Räsänen war zwischen 2011 und 2015 Innenministerin Finnlands. «Als ich selbst für die Polizei zuständig war, hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich auf einem Polizeirevier verhört und mit derartigen Fragen konfrontiert werden würde», sagt sie heute. Das sei «zu Sowjetzeiten» üblich gewesen, aber nicht in demokratischen Gesellschaften.

«Ich bin immer sehr offen mit meinem Glauben umgegangen, und als ich über diese Dinge diskutierte und schrieb, hatte ich nie die Absicht, jemanden zu beleidigen oder zu diffamieren», betont sie, «weil ich glaube, dass alle Menschen gleich sind und alle Menschen wertvoll sind (...) Diese Überzeugungen, die ich habe, entspringen der Liebe und nicht dem Hass».

Emotionen vor der Verhandlung

Räsänen fühlt sich von vielen Menschen in Finnland unterstützt («Ich bekomme jeden Tag Nachrichten der Unterstützung»), aber sie gibt auch zu, dass der Fall «viele Diskussionen in der Gesellschaft» sowie «im Parlament und innerhalb der Kirche» ausgelöst hat.

Im Vorfeld des Prozesses sagt Räsänen, sie sei «innerlich ruhig. Natürlich bin ich ein wenig nervös, weil ich mich noch nie in einer solchen Situation befunden habe (...) Ich bete, dass ich die Weisheit bekomme, zu antworten». Und weiter: «Ich vertraue darauf, dass wir immer noch in einer Demokratie leben, dass wir eine Verfassung und internationale Abkommen haben. Ich vertraue auch auf Gott». Die Unterstützung ihres Mannes und ihrer Kinder war ebenfalls von entscheidender Bedeutung: «Sie haben mich ermutigt: 'Bleib standhaft und gib nicht auf'».

Christen dürfen nicht in Angst und Selbstzensur verfallen

Die finnische Politikerin ist besorgt darüber, dass die Christen im Land nicht mehr sicher sind, was sie sagen dürfen und was nicht. «Einige Pastoren haben mir ihre Predigten oder Schriften geschickt und gefragt, ob sie eines Verbrechens beschuldigt werden könnten.» Sie glaubt, dass vor allem jüngere Christen «Angst haben, sich als Christen zu bekennen, aus Angst vor den Konsequenzen.» Eine kürzlich durchgeführte Studie im benachbarten Norwegen scheint diese Wahrnehmungen zu bestätigen.

Räsänen hatte zuvor über die Gefahr der Selbstzensur derjenigen gesprochen, die sich als Minderheit sehen und deshalb fürchten, über ihre Überzeugungen zu sprechen. «Ich möchte sie ermutigen, dass es jetzt an der Zeit ist, zu sprechen. Jetzt ist es an der Zeit, dass Christen von den Wahrheiten der Bibel erzählen. Denn je mehr wir schweigen, desto enger wird der Raum für Rede- und Religionsfreiheit».

Zensur schlimmer als Gefängnis

Den Fall zu gewinnen, wäre «ein sehr wichtiger Schritt», meint sie, «nicht nur in Finnland, sondern auch in Europa und anderen Ländern, weil so viele Menschen im Ausland diesen Fall verfolgen». Sollte sie hingegen verurteilt werden, «wäre die schlimmste Konsequenz nicht eine Geldstrafe oder gar ein Gefängnis, sondern die Zensur». Andere Bücher, Schriften, Predigten, die ähnliche christliche Überzeugungen über das Menschenbild und die Sexualität zum Ausdruck bringen, «könnten verboten werden», befürchtet die Politikerin. «Das hätte Konsequenzen für die gesamte finnische Gesellschaft, nicht nur für mich oder für Christen, sondern für alle Menschen».

Unterstützung auch von Andersgläubigen

Die Parlamentarierin spricht über die internationale Unterstützung, die sie von vielen erhalten hat. «Ich bin sehr glücklich über die Gebete aus Finnland und aus anderen Ländern. An manchen Tagen habe ich Hunderte von Nachrichten von betenden Menschen erhalten. Ich glaube, dass Gott etwas Gutes tut, wenn er die Menschen zum Beten aufruft.»

Es seien auch einige Nicht-Christen, die sie unterstützen würden, so Räsänen weiter. Darunter sei auch ein Parlamentskollege, der selbst homosexuell ist. Er setze sich für das Recht ein, frei zu sagen, was man glaubt. Sie schliesst: «Ich möchte dasselbe tun; ich werde auch die Menschen verteidigen, mit denen ich nicht einverstanden bin!»

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Datum: 21.01.2022
Autor: Evangelical Focus / übersetzt und bearb. Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / International Family News / Livenet

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