Kaffee, Bibel und neue Gedanken

Im Bibelcafé entdecken, was Kraft und Hoffnung gibt

Kaffeetrinken ist fester Bestandteil beim Bibelcafé
Bibel am Morgen, gemeinsam mit anderen – das klingt erst mal aussergewöhnlich. Aber genau dafür ist das Bibelcafé in der Landeskirchlichen Gemeinschaft (LKG) Wuppertal entstanden: um zur Morgenzeit unter der Woche ein Treffen zu ermöglichen.

Es ist ein Treffen für diejenigen, die vor allem in der dunklen Jahreszeit nicht mehr abends unterwegs sein wollen. Für Eltern, deren Kinder am Vormittag in der Kita oder in der Schule sind. Und einfach für alle, die sich gerne über Lebens- und Glaubensthemen austauschen.

Einmal im Monat treffen sich 10 bis 15 Menschen freitags von 9.30 Uhr bis 11 Uhr bei Kaffee und Keks. Sie können ihre eigene Bibel mitbringen, aber natürlich ist das kein Muss. Der Bibeltext wird nicht sofort gelesen. Erst einmal ist Zeit zum Ankommen und Austauschen, Kaffee wird verteilt und fröhlich oder nachdenklich über das gesprochen, was die Menschen so mitbringen.

«Das gibt mir immer Kraft!»

Nach einem Lied und Gebet geht es dann kreativ und alltagstauglich an den Bibeltext. Mal überlegt die Runde, durch wie viele Türen jede Person heute schon gegangen ist und was das bedeutet, wenn Jesu sagt: «Ich bin die Tür» (Johannes Kapitel 10, Vers 9). Mal gibt es einen kniffligen Text, der uns zu denken gibt und auch verunsichern darf, mal gibt es Wow-Momente, in denen Gott uns mitten im Leben begegnet. Manchmal wird auch kreativ gestaltet – was so manche Teilnehmenden herausfordert, aber auch noch mal einen anderen Zugang zu Texten ermöglicht. Jedes Bibelcafé ist anders, weil es neben dem Bibeltext von dem lebt, was die Teilnehmenden an Gedanken und Themen mitbringen.

«Das Bibelcafé gibt mir immer Kraft!» sagt eine Teilnehmerin, die nur zu diesem Treffen in die LKG kommt. «Da habe ich etwas ganz Neues von Jesus erfahren», sagt eine andere Person, die schon ihr ganzes Leben lang regelmässig im Gottesdienst und anderen LKG-Veranstaltungen dabei ist.

Lebendig und wandelbar

Das Bibelcafé verändert sich: Begonnen hat es als Treffpunkt für Eltern, die durch Krabbelgruppe und Elterncafé auf die LKG aufmerksam geworden waren und Menschen aus der Kerngemeinde. Eine Erfahrung aus der Anfangszeit: Das Gespräch im Bibelcafé hat manchmal auch der folgenden Sonntagspredigt ihre Richtung gegeben. Ein Fazit aus dem damaligen Initiativkreis lautete: Das Bibelcafé mahnt die Menschen bibelmündig. Was kann Besseres passieren?

Durch Corona musste das Bibelcafé lange pausieren. Das hat Spuren hinterlassen: Die mit der LKG verbundenen Menschen und einzelne andere sind nach wie vor da. Diejenigen, die ansonsten nicht so viele Bezugspunkte zu kirchlichen Gruppen haben, sieht man im Moment eher nicht. Die Gemeinde von Jesus ist jedoch immer im Wandel und sie lebt. Darum ist es auch in Ordnung so, wie es gerade ist. Eins ist aber bemerkenswert: Die Arbeit gibt es jetzt (einschliesslich der Corona-Pause) seit mehr als zehn Jahren. Keine Selbstverständlichkeit im 21. Jahrhundert!

Natürlich darf es sich gerne auch wieder verändern: Neue Gesichter und Menschen, die einfach mal vorbeischauen möchten, sind sehr erwünscht. Es sind keinerlei Voraussetzungen nötig, denn das Spannende ist ja gerade, auch Fragen und Zweifel zu teilen. Damit ist niemand allein. Eine Atmosphäre der Wertschätzung prägt das Bibelcafé. Die Vorbereitung für mich als Pastorin ist überschaubar, es geht vor allem um den Austausch der Menschen, die dabei sind.

Beziehungsarbeit

Auch in der LKG merken wir, dass in vielen Familien beide Eltern arbeiten gehen. Dass die Zeit der kirchlichen Selbstverständlichkeit vorbei ist. Dass Menschen sich genau überlegen, wo sie ihre Zeit verbringen, und nicht automatisch den Weg zu einem kirchlichen Ort finden. Gemeinde ist und bleibt Beziehungsarbeit.

Wer ein Bibelcafé ins Leben rufen möchte, braucht einen Kern von Menschen, der dafür steht. Eine hauptamtliche Person allein kann das Bibelcafé nicht «machen». Aber wenn es einen Kreis von Menschen gibt, die dafür ein Herz haben, ist es eine leicht umzusetzende Veranstaltung. Auch wenn einmal nicht so viele Teilnehmende da sind, kann man sich austauschen und Kraft aus dem Treffen ziehen. Das Konzept ist ähnlich wie bei einem Hauskreis, aber der Raum ist offen für Menschen, die neu dazukommen, oder auch für gelegentliche Besucherinnen und Besucher.

Das Bibelcafé findet in den Räumen der LKG statt und ist somit eine öffentliche Veranstaltung der Gemeinde. In unserem Raum gibt es eine Spielecke, so dass auch Kinder sehr gerne dabei sein können und auch mit ihren Ideen und Spielen die Gruppe nicht stören. Es sind alle willkommen, egal mit welchen Vorkenntnissen. Es wird keine Theologie «von oben herab» verkündigt, sondern miteinander gesucht, was uns stärkt und was uns durch die vielfältigen Herausforderungen des Alltags hilft.

Die Ergänzung: Bibelcafé am Abend

Viele Menschen können das Bibelcafé vormittags aufgrund von beruflichen oder schulischen Verpflichtungen nicht besuchen. Da es eine Gruppe interessierter jüngerer Menschen und junger Erwachsener gab, die sich einen Ort zum Austausch wünschen, bietet die LKG seit einem Jahr auch einmal im Monat einen Austausch zu Glaubens- und Lebensthemen am Abend an. War früher das Bibelcafé alle zwei Wochen am Vormittag, findet nun im Wechsel ein Treff mit den Namen «Glauben, Leben, Hoffen» donnerstags um 19.30 Uhr statt.

Hier werden momentan auch Menschen erreicht, die nicht zur Kerngemeinde gehören. «Wo fängt Glaube an?», «Gegensätze in der Bibel – wie gehen wir damit um?», «Warum lässt Gott Leid zu?» – diese und viele andere Fragen wurden schon besprochen und auch an biblischen Texten vertieft. Auch hier wird gebetet und gesungen, geredet, gelacht und manchmal auch geweint. Und das ist alles in Ordnung so. Jedes Treffen ist anders, weil immer auch verschiedene Menschen an einem Tisch sitzen und miteinander ins Gespräch kommen. Aber auch hier erreichen wir keine völlig fremden Menschen, sondern diejenigen, die in irgendeiner Art schon einmal Kontakt zur LKG hatten – durch eine Jugendgruppe oder einen Hauskreis oder Verwandte und Freunde von Menschen, die zur Kerngemeinde gehören.

Darüber reden und dranbleiben

Unsere Veranstaltungen werden über verschiedene Kanäle verteilt: Bei neuen Angeboten wie «Glauben, Leben, Hoffen» vor einem Jahr nutzen wir auch die Homepage des Kirchenkreises. Sonst verbreiten wir die Einladungen immer vorab auf unserer Homepage, auf Facebook und Instagram. Natürlich werden sie auch ganz klassisch im Gottesdienst angekündigt und erscheinen im Programm der LKG. Gute Erfahrungen haben wir damit gemacht, Veranstaltungen ein paar Tage vorab über den Whatsapp-Status zu teilen und in Whatsapp-Broadcast-Listen Menschen zu erinnern, die sich dafür eingetragen haben.

Glamour unnötig

Beide Veranstaltungen sind schlicht, kommen ohne grosses glamouröses Rahmenprogramm aus. Darum erreichen wir damit auch nicht die Massen, aber diejenigen, die eine Sehnsucht nach tiefen Texten und Lebensthemen haben. Und eben genau das können wir als kleine Gemeinde anbieten. Offen und gastfreundlich, mit einer Verbundenheit in Jesus und einer Liebe für alle Menschen, ganz egal, wo sie im Glauben und im Leben stehen. Gemeinde sollte ein Ort sein, in dem Menschen eintauchen können in einen sicheren Raum, wo sie Gedanken und Zweifel laut äussern können oder einfach leise zuhören. Ein Raum, in dem erst einmal die Lebensrealitäten, die doch ganz unterschiedlich sind, sich begegnen dürfen und ernst genommen werden. Gerade die Fragen und ganz anderen Denkweisen der Jüngeren fordern die gestandenen LKGler oftmals heraus und regen noch einmal völlig neu dazu an, sich mit einem Thema auseinander zu setzen. Das ist ein inspirierendes Erlebnis, das uns auch manchmal mit neuen Fragen zurücklassen kann. Dennoch und deshalb sind mir diese Veranstaltungen wichtig und ich freue mich, dass sie mit fünf bis 15 Besucherinnen und Besuchern regelmässig stattfinden können. Denn zusammen glaubt es sich leichter und tiefer als allein.

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Datum: 26.06.2024
Autor: Sabine Herwig
Quelle: Magazin Faszination Bibel 02/24, SCM Bundes-Verlag

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