Aus Deoband kommt Pakistans kämpferischer Islam
Für diese Unruhen trägt hauptsächlich die Deobandi-Richtung des modernen Polit-Islam die Verantwortung. Sie ist heute vorwiegend bei den Pakistanis vertreten, kommt aber ursprünglich aus Indien. Sie trägt ihren Namen von dem gleichnamigen Ort 150 km nördlich von Delhi. Deoband ist eine Kleinstadt mit weniger als 100'000 Einwohnern; sie beherbergt jedoch eine radikal-islamische Machtzentrale: Die schon 1866 gegründete Theologische Hochschule «Dar al-Ulum» (Haus der Wissenschaft).
Gleiche Ausrichtung wie Salafisten
Wie die Muslim-Brüder in Ägypten hatten die Deobandis zunächst einen britenfeindlichen, antikolonialistischen Nährboden. In Indien war es die Lage nach dem gescheiterten Sipahi (indischer Soldat)-Aufstand von 1857. Sein Misserfolg beendete die islamische Herrschaft des Mogul-Reiches auf dem indischen Subkontinent.
In Deoband wurde nun die Ansicht vertreten, die Muslime seien hinter den Westen zurückgefallen und unterentwickelt, weil sie sich von den Erneuerungen und Abweichungen sowie unmoralischen Einflüssen fremder Religionen und der westlichen Kultur beeinflussen liessen. Sie hätten sich damit von den ursprünglichen unberührten Lehren des Propheten Mohammed abbringen lassen. Die Deobandis haben also denselben Ansatz wie die Salafisten: Ein radikales Zurück zum Ur-Islam!
Die Ideologie der Taliban
Der Deobandi-Islam war bis ins späte 20. Jahrhundert hinein eine militante Ideologie. Zur kämpferischen Bewegung wurde er erst, als ab 1980 seine Sendboten in Pakistan die Seelsorge in den Lagern der vor den Sowjets geflohenen Afghanen übernahmen. Aus ihren Schülern (Taleb) formierten sich die «Taleban». Diese regierten das postkommunistische Afghanistan von 1996 bis 2001. Heute versuchen sie, das vom Westen etablierte demokratische System in Kabul zu vernichten.
Eltern Mohammeds in der Hölle
Zentralbegriff der Deobandi-Theologie ist «Bida», die «unzulässige Neuerung». Als solche wird alles abgelehnt, was sich noch nicht in Lehre und Leben Mohammeds und seiner Gefährten finden lässt. Jeder Nicht- oder auch Vormuslim ist auf Erden rechtlos, im Jenseits in die Hölle verbannt. Die deobandische Lehre sagt sogar, dass selbst die Eltern des islamischen Religionsstifters im Höllenfeuer schmoren.
Doch besonders die Christen gehören dorthin, und auf Erden haben sie nichts verloren. Das ist auch die Ideologie hinter den anhaltenden Wutausbrüchen gegen die Freilassung von Asia Bibi. Ihre «Blasphemie» hatte einfach darin bestanden, Jesus vor Mohammed den Vorzug zu geben.
Von Blasphemie-Anklage und Selbstjustiz bedroht
Trotz alledem halten in Pakistan unter 200 Millionen Muslimen 1,6 Prozent Christen aus, zerstreut über die Grosstädte Lahore, Karachi und Rawalpindi oder in ihrer ländlichen Umgebung. Die Gläubigen der evangelischen «Church of Pakistan» sind meist Nachkommen von einheimischen Hindus der untersten Kasten, die während der britischen Herrschaft missioniert wurden. Bei den pakistanischen Katholiken handelt es sich meist um Zuwanderer aus dem früher portugiesischen Goa. Beide Gruppen leben in ständiger Angst vor Verhaftung und Verurteilung als Islam-Lästerer oder vor muslimischer Selbstjustiz. Ihre Überlebenstaktik lässt sich auf den Nenner bringen: «Möglichst unbeachtet bleiben!»
Die Bekennerin Asia Bibi war da eine tapfere Ausnahme! Noch schlimmer sind in Pakistan allerdings die Hindus dran: Sie dürfen nicht einmal Ehen untereinander schliessen, müssen sich islamische Partner suchen und sich dann zum Koran bekennen.
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Datum: 28.11.2018
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet