Die Macht der Sprache
«Die Macht liegt bei denen, die Sprache prägen können», sagte bereits der umstrittene Philosoph und Religionskritiker Friedrich Nietzsche. Ideologien haben davon reichlich Gebrauch gemacht, heute anschaulich am Beispiel der gendergerechten Sprache. Sprache soll nach dem Willen der Ideologen Wirklichkeit neu deuten und das Denken der Menschen verändern. Laut Nietzsche gebe es nur noch Interpretationen der Wirklichkeit, die miteinander ringen. Und diese interpretierte Wirklichkeit würde durch die Sprache erst erzeugt.
Sprache als Mittel der Manipulation
Der sprachkundige Theologe Stefan Felber hat sich intensiv mit der Wirkung der Sprache beschäftigt und darüber unter anderem das Buch «Zwischen Babel und Jerusalem – Aspekte von Sprache und Übersetzung» geschrieben und sich darin zum Beispiel gegen die «Sprachumweltverschmutzung» eingesetzt. Felber bestätigt die Feststellung von Friedrich Nietzsche insofern, als er die These aufstellt: «An den Sprachbemächtigungsversuchen wie am Bemühen, sie zu verteidigen, wird erkennbar, dass ... Sprache eine Macht innewohnt, und dass diejenigen, die die Sprache zu kontrollieren suchen, damit auch Denken und Handeln diese Sprecher kontrollieren wollen.»
Am Beispiel des 2019 präsentierten Films über den englischen Schriftsteller J. R. R. Tolkien zeigte Felber aber besonders die positive gestaltende Kraft der Sprache auf, die in Dialogen in diesem biografischen Film zutage tritt. Sprache habe eine darstellende, repräsentierende und vergegenwärtigende Kraft. Sie könne aus- und abgrenzen, aber auch sozial verbinden. Sie könne abstossen, aber auch Schönheit vergegenwärtigen. Sie könne konservieren und bewahren, aber auch verändern.
Das Wunder der Sprache
Zwar haben Christen und Nichtchristen ein Interesse an guter Sprache und an funktionierender Kommunikation. Das ist für Felber klar. Christen jedoch erwarten vom (biblischen) Wort ausserdem, dass es ihnen einen Blick ins Herzen Gottes ermöglicht. Und darin liege eben das «Wunder der Sprache», das denen, welche die Welt nur materialistisch reflektieren, unerschlossen bleibe. Dieses Wort aber sei ein «wirkmächtiges Wort». Gott sprach, und es geschah, insbesondere schon auf den ersten Seiten der Bibel, welche über die Schöpfung berichten. Und der Mensch erhalte die Vollmacht, Sprache wirksam anzuwenden, wenn er den Auftrag erhalte, die Tiere mit Namen zu benennen. Dieser «performative» Aspekt des Sprechens sei im übrigen Gott vorbehalten. Etwas davon komme aber auch beim Segnen oder in der prophetischen Rede wieder zum Ausdruck.
Das wunde Wort
Es gibt aber auch den Missbrauch der Sprache, wie ihn schon die Schlange im Bericht über den Sündenfall angewandt hat, indem sie das Wort Gottes verdrehte. Auch Kain belog Gott. Das Wort störte oft, sodass Propheten mundtot gemacht wurden. Und Mose litt an mangelnder Sprachbegabung, sodass er Hilfe brauchte. Das Aussprechen der Wahrheit kann heilen, aber Lügen kann eine ganze Welt durcheinanderbringen.
Mit Jesus kam das Wort selbst in diese Welt, wie das erste Kapitel des Johannes-Evangeliums bezeugt. Deshalb ist das Wort Gott. Und damit sind «die Worte, die ich euch gebe, Geist und Leben», sagte Jesus seinen Nachfolgern. Aber mit Jesus wird auch das Wort gekreuzigt. Es setzt sich nicht zwangsweise durch, wie es die Potentaten und Ideologen dieser Welt tun. Das Wort von Gott ist damit auch verwundbar.
Sprache in ihrer höchsten Potenz
Stefan Felber sagt es so: «Das Neue Testament entdeckt in Jesus Christus neu die performative Kraft schöpferischen Sprechens. Wahres Deklarieren, vertrauenswürdiges Informieren paaren sich mit performativen Dimensionen. 'Denn das Reich Gottes steht nicht in Worten, sondern in Kraft'. Aber diese entwickelt sich aus dem Wort.»
Felber legt daher den Christen folgendes ans Herz: «Am Bibelwort können wir Sprache in ihre höchsten Potenz, Würde und Kreativität lernen, ebenso, was Lüge und Verstellung bedeuten und welche Folgen diese haben.»
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Datum: 27.01.2020
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet