Die religiösesten Länder der Welt
Eine Nation kann nicht glauben. Das können nur einzelne Menschen. Trotzdem ist es interessant, einmal zu vergleichen, wie Befragte in unterschiedlichen Kulturen und Staaten zum Thema Religion und Glaube stehen, weil es Auswirkungen auf viele andere Bereiche hat. Das US-Meinungsforschungsinstitut «Pew Research Center» hat kürzlich die Ergebnisse aus 15 Jahren Umfragen in 102 Ländern zusammengestellt. Teil dieser Untersuchungen waren immer die beiden Fragen: «Wie wichtig ist Religion in Ihrem Leben?» und «Wie oft beten Sie?» Das sagt nichts aus darüber, ob Menschen an Allah oder den Gott der Bibel glauben, ob sie in ihre Religion hineingeboren wurden oder sich aktiv für einen bestimmten Glauben entschieden haben. Aber es misst den religiösen «Grundwasserspiegel».
Indonesien führt
Wenig überraschend liegt der südostasiatische Inselstaat ganz vorne, was die Religiosität angeht. Indonesien ist zwar kein islamisches Land, aber gleichzeitig der Staat mit den meisten muslimischen Einwohnern: 230 Millionen. Durch das Staatssystem der «Pancasila» ist Religion ein Hauptbestandteil der nationalen Identität – dazu gehört verpflichtend die Zugehörigkeit zu einer der fünf grossen Religionsgemeinschaften. So sagen denn auch 98 Prozent der Befragten, dass ihnen Religion «sehr wichtig» sei. Es folgen afrikanische Länder wie Senegal, Mali, Tansania und asiatische wie Pakistan und Sri-Lanka.
Dass die hier abgefragte Religiosität sehr unterschiedliche Auswirkungen haben kann, macht zum Beispiel Pakistan deutlich, in dem sich 94 Prozent als sehr religiös bezeichnen, das aber im Weltverfolgungsindex von «Open Doors» auf einem negativen siebten Platz weltweit steht. Auch politische Faktoren wie Korruption, Pressefreiheit oder Demokratie werden durchgängig eher schlecht bewertet. Nicht immer hat die Selbstwahrnehmung als «religiös» also praktische Auswirkungen auf Bereiche, die für viele organisch dazugehören würden.
Europa ist Schlusslicht
Ebenfalls wenig überraschend ist die Einordnung der ehemaligen Sowjetstaaten in die Schlussgruppe der Untersuchung. Trotz des Zusammenbruchs des Kommunismus sind dessen Auswirkungen und Prägung immer noch stark präsent. Dass die «frommen» Vereinigten Staaten mit 42 Prozent nur im Mittelfeld landen, mag einige überraschen. Griechenland liegt als religiösestes europäisches Land noch gut zehn Prozentpunkte darunter. Nur 12 Prozent der Deutschen schätzen die Religion als wichtig ein. Damit gehört das Land der Reformation zu den Schlusslichtern, gefolgt von Finnland, Schweden, Grossbritannien, der Schweiz mit nur 9 Prozent über Dänemark bis hin zum Schlusslicht Japan mit 6 Prozent.
Religiosität hat hier praktisch keinen Stellenwert mehr. So liegt auch die Einschätzung des Gebets, die ebenfalls abgefragt wurde, auf einem vergleichbar niedrigen Niveau. Gleichzeitig liegt auch viel an der Begrifflichkeit, denn so sehr dies die Säkularisierung in Europa widerspiegelt, so deutlich wird es bei anders gearteten Umfragen, dass Spiritualität allgemein (aber eben keine Religiosität!) deutlich höher im Kurs steht, dass Themen wie Achtsamkeit im Trend liegen und vielerorts auch Werte gefragt sind.
Auswirkungen auf Erweckung & Co
Die Zahlen der Pew-Umfrage allein sagen noch nicht viel aus. Sie können teilweise überraschen oder auch die eigene Einschätzung bestätigen. Aber welche praktischen Schlüsse lassen sich gerade aus christlicher Perspektive daraus ziehen? Zum einen sicher eine nüchterne Relativierung: Wir als «christliches Abendland» sind weltweit nicht mehr das Mass aller Dinge. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Wie wichtig ist überhaupt eine allgemeine Religiosität? In der Bibel geht es viel eher um eine persönliche Ebene und konkretes Vertrauen, inhaltsleeres Blabla wird dort immer wieder kritisiert und zurückgewiesen. Sehr krass geschieht das zum Beispiel beim Propheten Amos, der Israel vorhält: «Tue nur hinweg von mir den Lärm deiner Lieder, und dein Harfenspiel mag ich nicht hören! Es soll aber das Recht einherfluten wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein unversiegbarer Strom!»
Allerdings sollte man dabei so ehrlich sein, dass dieses Streben nach Gerechtigkeit momentan im Westen auch keine Konjunktur hat. Tatsächlich fordern Zahlen wie die des Pew-Instituts zu neuen Kommunikationsformen des Evangeliums heraus. Viele christliche Bestrebungen, ihre Nachbarschaft «zu erreichen», für «Erweckung» zu beten etc. knüpfen nämlich noch stark an einer allgemein vorhandenen Religiosität an. Diese ist offensichtlich nicht mehr da. Das bedeutet nicht, dass die gute Nachricht nicht mehr relevant wäre, wohl aber, dass althergebrachte Formen dies immer weniger transportieren können. Eine echte Herausforderung!
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