Bekenntnis für gute Beziehungen
Die Schweizer Regierung will eine Botschaft im Vatikan errichten. Bereits wurde ein Papier für Menschenrechte und Religionsfreiheit unterzeichnet, aber Politisierende finden dies nicht nötig, und von «Reformierter Seite» fordert man Gleichbehandlung.
Die Kirche im Land
In einer Zeit, in der die Kirche einen kritischen Stand hat und laute Stimmen sowieso eine Vermischung mit der Politik verpöhnen, ist es beachtlich, dass sich eine Landesregierung für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Vatikan ausspricht. So ist es ein Hinweis darauf, wie etwas zutiefst Schweizerisches doch Bestand hat und sich das Land nicht gerade in den Gefilden der ewigen Neutralität auflöst. Immer wieder ist Helvetien aufgerufen, klare Position zu beziehen.
Kann denn Gutes ungerecht sein?
Nun ist es immer so, wenn man sich für jemanden besonders ausspricht, dass sich die anderen benachteiligt fühlen können. Soll man sich deshalb zurückhalten und sich nicht in besonderer Weise einsetzen? Das würde vermehrt Stillstand bedeuten.
Jedenfalls steht der Bundesrat dazu, dass ihm die Zusammenarbeit mit dem römisch-katholischen Heiligen Stuhl wichtig ist. Er war in Vorzeiten andererseits zurückhaltend, um andere Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht zu brüskieren.
Und die Verhältnisse mit dem Vatikan waren keineswegs immer nur harmonisch. Ein Meilenstein des Anstosses war beispielsweise die Ernennung des erzkonservativen Bischofs Haas, der einigen Unmut auf sich zog.
Ausgezeichnete Kontakte fest machen
Andererseits gehört es zu einer üblichen Praxis, Botschaften im Vatikan zu unterhalten, gegenwärtig ganze 89 Kanzleien vor Ort, wobei es gesamthaft 183 Nationen sind und auch die Europäische Union dazugehört. Die Internationale Organisation für Migration und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen haben ihren Sitz ebenfalls in Rom.
Bestimmt ist ein kritisches Hinterfragen berechtigt, ob die vom EDA bezifferten, hohen Betriebskosten nicht besser eingesetzt werden könnten, wobei das Kalkulieren in Geldbeträgen von Beziehungsarbeit sowie direkten Verhandlungen oder Kommunikation jeweils schwierig sind. Wie man das auch aus der Sozialarbeit kennt.
Eine offizielle Begründung des Bundesrats lautete: «Es ist heute nicht mehr möglich, sämtliche diplomatischen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Heiligen Stuhl effizient wahrzunehmen.»
Beziehungspflege versus Bevorzugung
Die Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS), Pfarrerin Rita Famos, hat sich öffentlich geäussert und sieht in einem solchen Schritt die Gefahr einer «konfessionellen Schieflage». Eine Botschaft im Vatikan würde der römisch-katholischen Kirche einen direkten Zugang zu den Schweizer Behörden ermöglichen – ein Vorteil, den die evangelisch-reformierte Kirche nicht hätte. Jedoch ist der Vergleich schwierig, weil kein entsprechend reformiertes Pendant zum Vatikanstaat existiert.
Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) selber setzt sich durch ihren Generalsekretär Daniel Kosch für eine intensivierte Beziehungspflege des Bundes zu den anerkannten Kirchen in der Schweiz – und somit auch der evangelisch-reformierten Konfession – ein. Bestehende, gemeinsame Dienste wie Klinikseelsorge, die teilweise auch mit Freikirchen ausgeführt werden, sind Zeugen des Miteinanders in der Schweizer Kirchenlandschaft.
Nummer 2 aus Rom zu Besuch
Kürzlich traf Aussenminister Ignazio Cassis in Bern den hochrangigen Staatssekretär des Vatikans, Kardinal Pietro Parolin. Im gemeinsamen Sinne wurde eine Erklärung zur Förderung von Frieden und Menschenrechten in der Welt unterzeichnet; mit besonderer Bedeutung der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe, des Schutzes von Minderheiten und des interreligiösen Dialogs. Ein Teil des Treffens fand mit Reformierter Leitungsvertretung statt.
Bei herkömmlichen Geschäftsbeziehungen gäbe es wohl nicht ein solches Echo. Mit einer Sonderstellung ist schon die Schweizer Garde aus dem Alpenland im Hauptsitz des Papstes tätig und hat somit eine engere Beziehung als viele andere Nationen.
Kirche als starker Partner
Lediglich bei einer klaren eigenen Identität gibt es gute Kooperationen. Bei schwammigen Profilen ist die Kommunikation zweier Partner schwieriger. In diesem Sinne ist die Rückbesinnung auf christliche Werte, worauf die Schweizer Demokratie gebaut ist, ein Gewinn. Geistliche als Gesprächspartner der Politik und Kontakte der Kirche mit Regierungen dürften durchaus eine Bereicherung sein.
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Datum: 09.12.2021
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet