Kundgebung gegen Menschenhandel

Dunkle Wolke über Bundeshaus erinnert an hohe Dunkelziffer

Am Samstag fand auf dem Bundesplatz eine Demonstration mit ca. 1000 Leuten gegen Ausbeutung und Menschenhandel statt. Die Behörden unternehmen einiges, jedoch fehle es an Mitteln für Kontrolle und griffigen Gesetzen.
Dunkle Wolke über Bundeshaus (Bild: zVg)

Hunderte von schwarzen Ballonen stiegen in den Berner Himmel und sorgten kurzfristig für eine dunkle Wolke über dem Bundeshaus: Die rund 1'000 Demonstrierenden setzten damit ein Zeichen, dass im Bereich Menschenhandel noch eine grosse Dunkelziffer besteht und insgesamt zu wenig getan wird.

Nicht nur das Rotlichtmilieu betroffen

2021 wurden in der Schweiz offiziell 289 Personen als Opfer von Menschenhandel identifiziert. Das wird von Fachleuten als Spitze des Eisbergs bezeichnet. «Ausbeutung und Menschenhandel betrifft nicht nur das Rotlichtmilieu, sondern auch die Gastronomie, die Landwirtschaft, die Bau-  und Reinigungsbranche oder die private Pflege», erklärte Kampagnenleiter Ueli Haldemann. Er erinnerte an die «Hölle von Gstaad», als Menschenhandel in einem Reinigungsinstitut aufgeflogen war.

EVP-Nationalrätin Marianne Streiff doppelte nach: «Es ist höchste Zeit, in der Schweiz die Augen vor einer brutalen Realität nicht mehr zu verschliessen. Ausbeutung und Menschenhandel finden auch hier in unserem privilegierten Land statt. Direkt vor unserer Haustür geschieht Tag für Tag himmelschreiendes Unrecht.» Die Berner Politikerin hat in dieser Session eine neue Motion eingereicht: Die überwiegende Mehrheit der Frauen wird heute zur Prostitution gezwungen, nicht zuletzt aus purer sozialer Not. 89 Prozent würden ihre Tätigkeit sofort aufgeben, wenn sie könnten. Die Motion fordert, dass Ausstiegswillige in der ganzen Schweiz bedarfsgerecht unterstützende Angebote und Begleitung erhalten. 

Den Opfern eine Stimme geben

Gut 1'000 Personen machten mit ihrer Präsenz darauf aufmerksam, dass im Bereich Menschenhandel die Schweiz nicht einmal die internationalen Standards erfüllt. Rund die Hälfte der Teilnehmenden waren vorher noch nie an einer Kundgebung auf dem Bundeshausplatz. Zehn Organisationen haben sich zusammengetan, um mit einer gemeinsamen Kampagne auf das grosse Unrecht in der Schweiz aufmerksam zu machen und den Opfern eine Stimme zu geben. Gallus Tannheimer wies als Geschäftsführer der Initiantin der Kampagne, der Christlichen Ostmission, auf den kürzlich von der Polizei gestoppten Bus aus Italien hin, der 23 Menschen ohne Fenster eingepfercht nach Frankreich transportieren wollte. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind weltweit rund 50 Millionen Menschen versklavt. Jedes Jahr werden etwa 2,5 Millionen Menschen neu Opfer von Menschenhandel.

Peter Widmer vom Verein Heartwings in Zürich arbeitet seit 14 Jahren auf der Langstrasse. Er warnte vor dieser gefährlichen Entwicklung. Er brachte zwei betroffene Frauen von Menschenhandel mit, denen mittlerweile der Ausstieg gelungen ist. Mit dem Engagement gegen Menschenhandel geht es um befreite Menschen, die Hoffnung schöpfen und einen Neuanfang machen können. Die Bevölkerung kann sich bei Verdacht selber melden oder aktiv werden (Informationen dazu gibt es auf der Kampagnen-Website).

Die Ware Mensch

Warum blüht der Menschenhandel in unserer Zeit so auf?», fragte Manfred Paulus. Der deutsche Erste Kriminalhauptkommissar (ausser Dienst) ist Träger des Bundesverdienstkreuzes für 40 Jahre Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Er erläuterte drei Gründe: das Wirtschaftsgefälle zwischen Herkunftsländern und der Schweiz, die Menschen wollen aus diesen Ländern raus. Die Migrationsbereitschaft wird von Kriminellen und der Mafia im Herkunftsland ausgenutzt. Und drittens stelle die Schweiz die Plattform dafür zu Verfügung, indem sie das Geschehen im Rotlicht als sexuelle Dienstleistungen und als gewöhnliches Gewerbe darstelle. Dabei seien das keine sexuellen Dienstleistende, sondern Opfer von Menschenhandel und Frauen, die sich aufgrund ihrer sozialen und existentiellen Not prostituieren.

Zum Thema:
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Datum: 27.09.2022
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: gegen-menschenhandel.ch

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