Ukraine

Was können wir schon tun?

Wenn wir in diesen Tagen mit den aktuellen Bildern aus der Ukraine konfrontiert werden, dann geht es uns allen sicher ziemlich ähnlich, ob man nun Menschen dort kennt oder nicht: Man fühlt sich sprach-, hilf-, machtlos!
Ukrainische Flüchtlinge an der polnischen Grenze (Bild: Wikipedia / CC BY 4.0)

Spontan schiesst uns dann wohl auch der pessimistisch frustrierte und frustrierende Gedanke durch den Kopf: Was kann ich da schon tun?

Wo ist dein Bruder?

Gott, der Schöpfer, hat die Welt als Familie und als Garten konzipiert – und dieses Konzept liegt weiterhin über allen und allem. Es ist kein Fluch, sondern Verheissung und Segen. Das ist und bleibt so, auch wenn wir alle verrücktspielen wollten. Gott hat uns die Schöpfung anvertraut.

So redet auch heute noch Gottes unbequeme Frage an Kain aus dem 1. Buch Mose zu uns: Wo ist dein Bruder (= Mitmensch)? Und auch heute noch warnt uns die kaltschnäuzige Antwort Kains vor Gleichgültigkeit: Bin ich denn der Hüter meines Bruders (= Mitmenschen)?

Gott lässt uns in unseren bequemen Sofa- und Wohlfühlecken nicht einfach so Zeugen dieser russischen Aggressivität sein, die Jean Michele am 1. März 2022 im Europaparlament als «geostrategischen Terrorismus» bezeichnet hat.

Das ukrainische Volk, dass sich schon seit 2014/2015 heldenhaft auf seinem Pilgerweg der Würde, der Freiheit, der Demokratie befindet, hat unsere Solidarität, unsere Hilfe und Unterstützung zutiefst verdient. Seit 2012 besuche ich regelmässig dieses Land, begleite dort Personen und Institutionen, und habe inzwischen viele ukrainische Freunde und Bekannte.

Was können wir schon tun?

Beten wir für die Hilfe Gottes, ein Ende des Krieges, für Frieden, Heilung, Versöhnung…

Sammeln wir Kleider und Bettwäsche, Hygiene-Artikel und Schuhe für die Flüchtlinge.

Spenden wir für die Hilfswerke, welche jetzt ganz besonders für die Ukraine tätig sind.

In diesen Tagen beginnen viele von uns die Fastenzeit und wir begeben uns gemeinsam auf einen geistlichen Weg der Umkehr und Erneuerung. Mit Jesus wollen wir uns den Weg des Kreuzes und der Auferstehung vor Augen halten. Von seinem Geist unterstützt wollen wir an unserer eigenen Erneuerung und der Erneuerung der Welt arbeiten. Von ihm wollen wir immer wieder neu seinen Frieden empfangen.

Der Friede des Herrn ist das Herz des Friedens! Und da kommen mir die zehn Regeln in den Sinn, welche ein Freund von mir für seine Friedensarbeit im Libanon entwickelt hat.

Zehn Friedensregeln

  1. Ich baue meinen Hass ab – jeden Tag ein kleines Stück. Vom Hass zur Liebe kommen. Denn Hass zerstört, Liebe baut auf.
  2. Ich überwinde meine Rachsucht – jeden Tag ein kleines Stück. Von der Rachsucht zum Wohlwollen kommen. Denn Rachsucht führt in die Spirale der Gewalt.
  3. Ich zügle meine innere Erregung: Ich zähle bis zehn, wenn ein böses Wort hinausrutschen will. Ich ziehe mich zurück, wenn meine Hand im Streit locker wird. Von inneren Stürmen zur inneren Ruhe kommen. Denn Stürme verwirren, Ruhe klärt.
  4. Ich öffne meine Augen, dass ich das Gute im anderen sehe. Der Nächste ist ein wertvoller Mensch. Er verdient meine Ehrfurcht.
  5. Ich öffne meine Ohren, dass ich wahrnehme, wie der andere denkt und fühlt. Der Nächste hat seine Schau der Dinge, seine Ängste und Nöte, Begeisterungen und Träume. Er verdient meinen Respekt.
  6. Ich öffne mein Herz und schenke dem anderen Aufmerksamkeit und Zuneigung. Der Nächste sehnt sich nach herzlicher Liebe. Er verdient mein Wohlwollen.
  7. Ich öffne meine Hand und stehe dem anderen bei. Der Nächste ist oft hilflos. Er verdient meine Hilfe.
  8. Ich denke bei einem Streit so bald wie möglich an Versöhnung. Ein ruhiges Gespräch am nächsten Tag (eventuell mit einer Drittperson) wird uns neu zusammenführen.
  9. Ich bitte Gott jeden Tag: «Schenke deinen Frieden in mein Herz!» Denn «Gott ist der Friede» (Zitat von Niklaus von Flüe).
  10. Ich bitte Gott jeden Tag: «Hilf mir heute zu einer Friedenstat!» Denn Gott weiss besser als ich, wo und wie ich Frieden stiften kann.

Zum Autor:

Klaus Rohrer ist katholischer Priester. Zurzeit lebt er in Andeer im Kanton Graubünden. Davor hat er unter anderem in der Ukraine gelebt.

Zum Thema:
Mit Kindern über Krieg reden: Wenn die Ukraine nach Hause kommt
Kolumne «Selten so gedacht»: Jesus klebt besser
Selten so gedacht: Erschütterndes Beispiel von Gier und Stolz

Datum: 07.03.2022
Autor: Klaus Rohrer
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung