«Religionsfrieden und Menschenwürde gewährleisten»
Der Entscheid zur Basler Initiative fiel deutlich mit 108 zu 40 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Die parlamentarische Initiative, mit der der frühere EVP-Nationalrat Walter Donzé (BE) Verfassungs- und Gesetzesänderungen forderte, um «bewährte christliche und freiheitliche Werte» zu schützen, wurde mit 117 zu 29 Stimmen abgelehnt.
Donzé: Bekenner vor Extremisten schützen
Im Nachgang zur Annahme des Minarettverbots hatte Donzé 2010 seinen Vorstoss damit begründet, es müsse für den Respekt vor der Rechtsordnung und den Religionsfrieden mehr getan werden. «Insbesondere wäre zu ergänzen, dass jedes Individuum seine Religion oder sein weltanschauliches Bekenntnis frei wählen, ausüben, kommunizieren und wechseln darf und dass es den Schutz des Staates geniesst, wenn es deswegen von extremen Kreisen benachteiligt oder verfolgt wird.»
Im Gegenzug wollte Donzé die kulturellen und religiösen Organisationen auf die Beachtung der Grundrechte, des Rechtsstaates und der demokratischen Staatsordnung sowie bezüglich Transparenz verpflichten. «Nicht die Neutralisierung der Religion in der Öffentlichkeit, sondern die Gewährleistung unserer angestammten Werte in Bildung und Kultur in einer friedlichen Koexistenz der Bekenntnisse ist anzustreben.»
Religionen und innerer Zusammenhalt des Staates
Die Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff, welche den Vorstoss von ihrem Vorgänger übernahm, sagte in der Debatte, der säkulare Staat müsse zu religiösen Fragen Stellung nehmen. «Er soll sich nicht in religiöse Fragen einmischen, aber den inneren Zusammenhalt, den Religionsfrieden, die Freiheitsrechte und die Menschenwürde gewährleisten.» Es gehe nicht darum, das Christentum als Leitkultur zu verankern, aber auch nicht darum, es lautlos zu versenken.
Die Minarettinitiative habe gezeigt, dass sich Herr und Frau Schweizer sehr wohl Gedanken zum Verhältnis von Staat und Religion machen. «Nehmen Sie das Unbehagen und die Verunsicherung des Schweizervolkes ernst! Vermeiden Sie künftige neue Konfrontationen und Parallelkulturen!» rief Marianne Streiff in den Ratssaal.
Wo hört die Neutralität auf?
Für die Mehrheit der Grossen Kammer bietet die geltende Rechtsordnung genügend Instrumente, den Religionsfrieden zu wahren. Ein Religionsartikel sei problematisch, weil der Staat in religiösen Fragen neutral sein müsse und sich ein wachsender Teil der Bevölkerung keiner Religion mehr zugehörig fühle. Die Initiative Donzé berge ausserdem die Gefahr, dass das Christentum zur Leitkultur erklärt werde. So würden andere Religionen diskriminiert. Damit würde überhaupt erst eine Art Kulturkampf ausgelöst.
In den Abstimmungen mit Namensaufruf stimmte die CVP-EVP-Fraktion geschlossen für den EVP-Vorstoss; die Basler Standesinitiative trug auch die Hälfte der Grünliberalen mit. Von SVP und FDP blieb ein Drittel der Nationalräte den Abstimmungen fern.
EVP hält an ihrem Ziel fest
Trotz dem Nationalrats-Nein ist die EVP überzeugt, dass ein neuer Religionsartikel im obigen Sinn notwendig ist. Sie wird laut einer Medienmitteilung weiter dafür einstehen.
2010 hatte die Partei eine Volksinitiative für einen neuen Religionsartikel in der Verfassung erwogen. Die Vernehmlassung bei kirchlichen Organisationen ergab, dass das Anliegen zwar geteilt wird, die Meinungen über die konkrete Ausgestaltung aber auseinander gehen.
Ohne die geschlossene Unterstützung der Landeskirchen, so die Medienmitteilung, wollte die EVP das grundsätzliche Anliegen nicht gefährden und verzichtete schliesslich auf die Lancierung.
Datum: 19.03.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet