Neuanfang nach Stillstand

Die Uhr der Versöhnung tickt wieder

Turm der Versöhnungskirche

Die «Uhr der Versöhnung» in Berlin ist ein besonderes Symbol für die deutsch-deutsche Teilung durch eine Mauer, die immerhin 28 Jahre dauerte. Und für den möglichen Neuanfang. Die Kirchturmuhr stammt aus einer Kirche im ehemaligen Grenzbereich in Berlin Mitte, die durch die DDR-Behörden stillgelegt, zugemauert und schliesslich abgerissen wurde. Ihre Uhr jedoch wurde gerettet und restauriert. Als «Uhr der Versöhnung» schlägt sie nach 58 Jahren Pause jetzt wieder in der Hauptstadt.Die Versöhnungskirche in der Bernauer Strasse 4 im Berliner Bezirk Mitte erlitt ein tragisches Schicksal. Damit war die 1894 fertiggestellte evangelische Kirche ein Symbol der geteilten deutschen Hauptstadt.

Symbol der Teilung

Die Versöhnungskirche war mit ihrer Lage in Berlin Mitte und ihrer Backsteinoptik eine typische Berliner Kirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie zwar stark beschädigt, doch bis 1950 wieder aufgebaut und für Gottesdienste benutzt. Allerdings stand sie genau auf der Grenzlinie zwischen dem französischen und dem sowjetischen Sektor der Stadt – und ihre Gemeindeglieder stammten aus beiden Teilen.

Als ab dem 13. August 1961 in Berlin die Mauer gebaut wurde, versperrte diese das Portal der Versöhnungskirche in Richtung Westen. Bald darauf wurde auch ihr Besuch von Ostberlin aus verboten, weil sie sich im sogenannten Todesstreifen befand. Stattdessen wurde der 75 Meter hohe Kirchturm als Wachturm für DDR-Grenzsoldaten genutzt und mit einem MG-Stand versehen. Dies dauerte knapp 24 Jahre. Die Bernauer Strasse wurde durch ihre besondere Lage immer wieder für spektakuläre Fluchten aus der DDR genutzt: Anfangs sprangen Menschen aus Hausfenstern in den Westen, später gruben sie Tunnel aus ihren Kellern. Schliesslich beschloss die DDR-Regierung, das Gebiet «übersichtlicher» zu gestalten und störende Gebäude abzureissen. So wurde auch die Versöhnungskirche im Januar 1985 gesprengt.

Symbol des Neubeginns

Nach der Wiedervereinigung wurde auf dem Grundstück eine Kapelle der Versöhnung errichtet, die heute Teil der Gedenkstätte Berliner Mauer ist. Die damals geretteten Glocken der Kirche erklingen auf einem Gerüst vor dieser Kapelle wieder. Und seit ein paar Tagen tickt auch die ehemalige Turmuhr wieder. Dazu musste sie allerdings erst einmal restauriert werden. Unter dem Motto «Gönn’ Dir eine Minute» hatte die Berliner Evangelische Versöhnungsgemeinde monatelang Spenden gesammelt – Interessenten konnten symbolisch Minuten «kaufen». Davon wurde das Uhrwerk restauriert und zum 125-jährigen Bestehen der Evangelischen Versöhnungsgemeinde wieder in Betrieb genommen. Zusammen mit einem Zifferblatt aus der benachbarten Zionskirche tickt die Uhr nun im Eingangsbereich des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrem alten Standort.

Der Uhrenwart der ehemaligen Kirche, Jörg Hildebrandt, unterstrich den symbolischen Wert dieser Aktion. Als die Kirche 1961 geschlossen wurde, hatte er aus Protest die Zeiger auf fünf vor zwölf gestellt. Letzte Woche wurde die Uhr wieder gestartet – natürlich genau um 11.55 Uhr. Hildebrandt meinte dazu: «Seit heute glaube ich wieder an Wunder.» Tatsächlich ist diese Uhr mehr als nur ein Zeitmesser. Sie steht als Symbol dafür, dass mit Gottes Hilfe auch nach langen Stillstand eine neue Zeit anbrechen kann.

Hier kommen Sie zur Webseite der Versöhnungsgemeinde:
Versöhnungsgemeinde

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Datum: 31.08.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / epd

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