Auch ohne Verfolgung?

Wie christliche Einheit möglich wird

In gewisser Weise fehle den Christen im Westen etwas Wichtiges, sagte Andrew White, der «Pfarrer von Bagdad», im Gespräch mit Livenet: «Euch fehlt die Verfolgung.» Braucht es Verfolgung, um nahe bei Jesus zu bleiben und christliche Einheit zu erleben?
Kreatives Element am Allianzgottesdienst vom 14. Januar 2018 der Evangelischen Allianz Basel.
Die Freikirchen in Wettingen und Baden spannen oft für gemeinsame Anlässe (hier: Allianzgottesdienst) zusammen.

«Euch fehlt die Verfolgung. Deshalb ist es für euch schwieriger, nah bei Jesus zu bleiben», betonte Andrew White. Für verfolgte Menschen sei es ganz klar, dass sie ganz nah am Messias dranbleiben müssen. «Jesus ist in Zeiten grausamer Verfolgung und Gewalt für viele das einzige, was sie noch haben!» Und das bringe sie auch zusammen. Zu praktizierter Einheit – und zum Friedenstiften. So die Erfahrung von Andrew White, der die Verfolgung und Vertreibung von Christen in Nahost hautnah erlebt hat.

Brauchen wir Verfolgung?

Man hört in unseren Gemeinden hin und wieder den Stossseufzer: Brauchen wir Verfolgung, damit die Gemeinden wieder lebendiger und die Christen glaubwürdiger leben? Eine gute Frage. Und für etliche ist die Antwort auch klar: Ja! Dennoch ist dieses Ja biblisch nicht begründet. Sonst hätte Paulus den zerstrittenen Korinther Verfolgung gewünscht, statt sie aufgefordert, ihre Streitigkeiten zu beenden und nach dem Kern des Evangeliums zu fragen.

Das Gebet von Jesus «... dass sie alle eins seien» im Johannes-Evangelium, Kapitel 17, hat Christen immer wieder bewegt. Es war auch immer aktuell angesichts der historisch entstandenen Vielgestaltigkeit der Kirche und den Auseinandersetzungen in den örtlichen Gemeinden über unterschiedlichste Differenzen. Das heisst: Einheit bleibt eine Herausforderung und muss auch permanent im Visier stehen.

Die christliche Einheit weltweit ...

Die weltweite Einheit der Christen suchten erst die Evangelische Allianz und später der Ökumenische Rat der Kirchen. Der Impuls zur Gründung der Weltweiten Evangelischen Allianz wird auf die Methodisten Goerge Wesley und George Wihitefield zurückgeführt. Die Gründungsversammlung fand am 3. Oktober 1845 in Liverpool statt. Bereits 1875 entstand die Schweizerische Evangelische Allianz, 1952, die Europäischen Evangelischen Allianz. Während die Evangelische Allianz die Einheit der evangelischen Christen stärken will, setzte sich der Ökumenische Rat der Kirchen zum Ziel, alle Christen weltweit zu vereinen.  Er wurde m 23. August 1948 in Amsterdam gegründet und gilt als zentrales Organ der ökumenischen Bewegung. Er verbindet 348 Mitgliedskirchen in mehr als 120 Ländern auf allen Kontinenten, ist von seinem Ziel aber noch weit entfernt.

... beginnt in der eigenen Gemeinde

Wer sich als Christ dem zentralen Anliegen von Jesus Christus, «dass sie alle eins seien» nicht entzieht, sondern es in einer christlichen Gemeinde, einem Verband oder Kirche aufnimmt, stellt sich gewiss einer Herausforderung. Anstösse dazu gibt es zwar viele in Büchern, Predigten und Diskussionen. Doch es braucht die Bereitschaft, sich unangenehmen Situationen zu stellen, die viele Ursachen haben. Und es braucht die Selbstverpflichtung, das Ziel im Auge zu behalten und zu verfolgen. Schön ist, wenn statt Verfolgung Erweckungserlebnisse Christen einander näher bringen. Aber sie sind seltener als Verfolgung.

Und die Herausforderung bleibt

Das heisst, immer wieder über den eigenen Schatten zu springen, Andere trotz ihrer Unterschiedlichkeit und trotz (aus meiner Optik) falscher Meinungen und Überzeugungen anzunehmen und zu lieben. Und es braucht die Bereitschaft und den Willen, solche Menschen näher kennenzulernen, gerade auch Christen aus ganz anderen Traditionen. Es gibt zum Beispiel unter westlichen Christen grosse Vorbehalte gegenüber den Ostkirchen. Und umgekehrt. Während sich evangelische Christen, Protestanten und Katholiken gerade im Reformationsjahr näher gekommen sind, bleibt die Herausforderung, auch mehr Nähe zu den Orthodoxen zu finden und aufzubauen. Auch wenn uns das nicht passt und die Vorbehalte auch der Ostchristen noch gross sind. – Das Trainingsfeld dafür bleibt meine eigene Gemeinde.

Zum Thema:
Andrew White an der Explo: «Den Christen im Westen fehlt etwas: die Verfolgung»
Eins sein: Einheit ist mehr als ein Vorschlag

Change! – Thesen für die Kirche: Einheit im Glauben ist möglich – und wird die Welt verändern!

Datum: 15.01.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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