Hilfe von Christen unerwünscht

«Compassion International» zieht sich aus Indien zurück

Nach 48 Jahren muss das christliche Hilfswerk «Compassion International» seine Arbeit in Indien aufgeben. Die Bedingungen für christliche Organisationen verschlechtern sich zusehends in einem Land, das sich selbst als die grösste Demokratie bezeichnet.
Essensausgabe von Compassion International
Santiago «Jimmi» Mellado
Kinder in Indien
Besonders Dalits leiden unter Armut und Verfolgung.

Laut «Compassion International» (CI) blockierte die indische Regierung seit März 2016 jeden Monat 3,5 Millionen Dollar an Spendegeldern. So konnten die Projekte mit den örtlichen Gemeinden im Land nicht mehr unterstützt werden.

Vorwurf der Missionierung

Das indische Innenministerium machte deutlich, dass CI auf einer Liste besonders überwachter Organisationen stehe. Grund dafür sei, dass das Hilfswerk Menschen zum christlichen Glauben führte. CI bestreitet dies und erklärte, dass sich das Hilfswerk an die Regeln des Landes halte und mit Gemeinden vor Ort arbeite.

Mitte März nun beendet «Compassion International» seine Arbeit in Indien. Damit ist unklar, wie es mit der Betreuung von 145'000 Kindern in den 589 Projekten im Land weiter geht. Seit dem Stopp der Hilfsgelder vor einem Jahr arbeiteten noch etwa 40 Prozent der lokalen Gemeinden und Gruppen weiter, so die Angaben von CI.

Der Schritt sei frustrierend, erklärte der Präsident von CI, Santiago «Jimmi» Mellado». Man habe alles versucht, um die Arbeit weiterführen zu können. Dessen ungeachtet seien in den letzten Jahren «erstaunliche Dinge» in Indien geschehen.

«Wir haben weiter Hoffnung»

Mellado erklärte: «Die Kirche war vor uns da und wird auch nach unserem Weggang da sein.» Er erinnerte daran, dass CI auch die Arbeit in Indonesien von 1985 bis 1988 aussetzen musste. Manche der dort betreuten Kinder habe man bei der Rückkehr als Pastoren oder Mitarbeiter wieder getroffen. «Wir verlassen Indien, aber wir haben weiter Hoffnung.»

Der Rückzug von CI wirft ein Schlaglicht auf die schwierigeren Bedingungen von Nichtregierungsorganisationen (NGO), vor allem der christlichen, in Indien. Bei der harten Haltung der indischen Regierung blieb es trotz Unterstützung der US-Politik. So hatte der Ausschuss des US-Repräsentantenhauses eigens eine Anhörung zur Situation der Hilfswerke in Indien durchgeführt. Der frühere Aussenminister John Kerry und dessen Nachfolger Rex Tillerson hatten sich für die Arbeit der Hilfswerke in Indien gegenüber der indischen Regierung persönlich eingesetzt

Gelder aus dem Ausland werden streng überwacht

Hebel für die strenge Kontrolle ausländischer Gelder ist der FCRA (Foreign Contributions Regulatory Act). Das Gesetz unterwirft alle Finanzzuflüsse von NGOs aus dem Ausland einer strengen Kontrolle durch das Innenministerium. Die Regelung wurde 2010 verschärft. Seither müssen FCRA-registrierte Organisationen alle fünf Jahre ihre Lizenz erneuern. Ohne sie können keine ausländischen Finanzmittel mehr eingeführt werden. Seit der Verschärfung verloren 25 Organisationen ihre Lizenz, etwa 11'000 konnten ihre Lizenz nicht erneuern.

«Indien den Hindus»

Schon seit einigen Jahren werden die Bedingungen für Hilfswerke in Indien immer schwieriger. Die von der hinduistischen Partei BJP (Bharatiya Janata Party) geführte Regierung zeigt sich gegenüber anderen Religionen zunehmend restriktiver, so die Beobachtung von Menschenrechtlern und christlichen Hilfsorganisationen.

Starken Einfluss auf die Regierungspartei BJP hat die fanatische Hindu-Bewegung RSS, der auch Premierminister Narenda Modi angehört. Die RSS ist die radikal-hinduistische «Nationale Freiwilligenorganisation». Narenda Modi ist seit 2014 im Amt. Seitdem hat sich das Klima gegenüber den Religionen weiter verschlechtert. Und auch die Gewalt gegen Christen nahm seitdem stark zu. Die RSS verbreitet die Parole «Indien den Hindus». Premierminister Modi spricht sich zwar offiziell für Pluralismus aus, schweigt aber zu radikalen Äusserungen und Übergriffen von Hindus gegenüber Christen und Muslimen.

Kastenlose werden am meisten bedrängt

Das internationale Hilfswerk «Open Dors» weist darauf hin, dass Christen aus traditionellen Kirchen im Land immer wieder Vandalismus und Gewalt vor allem von extremistischen Hindus erleben. Christen, die früher Hindus waren, müssten die Hauptlast von Einschüchterung und Gewalt tragen. Es sind vor allem die Menschen, die keiner Kaste angehören (die sogenannten Dalits), die zum christlichen Glauben finden und dafür angefeindet werden. Es wird geschätzt, dass 30 Millionen der 64 Millionen Christen im Land zu dieser Gruppe gehören.

Zudem seien Christen aus protestantischen Freikirchen, so «Open Dors», ebenfalls ein Hauptziel von Angriffen, da sie das Evangelium im Land aktiv verbreiteten. In einigen Bundesstaaten von Indien wurden Gesetze erlassen, die den Wechsel der Religion verbieten, ausgenommen sind dabei Übertritte zum Hinduismus.

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Datum: 06.03.2017
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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