Ehe leben ist Leben teilen
Als die Südkoreanerin Jeongmi nach Neuseeland reiste, um einen Englischkurs zu besuchen, ahnte sie nicht, dass sie dort ihren zukünftigen Ehemann treffen würde. Nach ihrem Abschluss wurde sie Mitarbeiterin der internationalen Organisation «Jugend mit einer Mission». Oliver war ihr Zimmernachbar. Nach wenigen Wochen war klar, dass es mehr werden könnte.
Schon als Kind hatte Oliver Menschen aus verschiedenen Kulturen kennengelernt. Bei der Wahl seiner Partnerin hatte er sich nicht auf Schweizerinnen konzentriert. Für Jeongmi hingegen war der Gedanke, jemanden aus einem westlichen Land zu heiraten, fremd. Eine Übereinstimmung in den Werten und Lebensvorstellungen war beiden jedoch wichtig. Im August 2002 heirateten Jeongmi und Oliver in Südkorea, zwei Wochen später wurde die Hochzeit in der Schweiz gefeiert.
Kontinente und Kinder
Nach der Hochzeit zogen sie nach England. Jeongmi belegte weitere Englischkurse, Oliver studierte Theologie. Es war eine herausfordernde Zeit. Das Land, die Umgebung – alles war neu und das wirkte sich auf ihre Beziehung aus. «Zeit für unsere Beziehung zu finden, war nicht immer einfach», erinnert sich Oliver. Während der drei Jahre in England kam das erste Kind zur Welt, in den folgenden zwei Jahren in Neuseeland das zweite. 2007 zog die junge Familie in die Schweiz. «Wir hatten keinen langfristigen Plan, aber wir wussten, dass wir unseren nächsten Lebensabschnitt in der Schweiz verbringen würden.» Jeongmi musste von Grund auf Deutsch lernen und die Schweizer Kultur war ihr fremd. «Die ersten sieben, acht Jahre waren schwierig», gibt die Asiatin zu. Bei beiden keimte immer wieder der Wunsch auf, nach Neuseeland zurückzukehren, doch dazu kam es nicht.
Spannungspotenzial in der Ehe
Die Herausforderungen interkultureller Beziehungen sind bekannt. Das wissen auch Jeongmi und Oliver. So ist die südkoreanische Gesellschaft stark von Familie und Clan geprägt, während die Schweizer individualistischer ausgerichtet sind. Diese Unterschiede können zu Spannungen führen. «Wir mussten herausfinden, welche kulturellen Eigenschaften wertvoll sind, wo wir voneinander lernen können und wo wir uns anpassen müssen», erklärt Jeongmi. In der Ehe von Martis haben die interkulturellen Differenzen jedoch nie zu grösseren Spannungen geführt. Nicht, dass sie keine verspürten, aber diese hatten andere Ursachen. «Im Laufe des Lebens entwickeln wir Verhaltensmuster», erklärt Oliver. «Nicht alle sind gut für eine Ehe.» Oliver und Jeongmi mussten an ihrer Persönlichkeit arbeiten, damit ihre Ehe tragfähig werden konnte.
Prioritäten und Erholung
«Während der Coronazeit wurden bei mir viele Prozesse in Gang gesetzt», erzählt Oliver. «In meinem Arbeitsumfeld gab es Veränderungen und ich musste mein Leben neu überdenken.» In dieser Zeit erkannten die Martis, wie sie ihre Ehe auf ein besseres Fundament stellen konnten. Sie beschlossen, dass Oliver mehr Zeit zu Hause verbringen sollte. Für Jeongmi war das schon lange klar. «Viele Jahre hatte ich dafür gebetet, dass Oliver mehr zu Hause ist – und wir hatten es auch immer wieder versucht…» Jeongmi war überzeugt, dass Oliver so die nötige emotionale Ruhe finden würde. «Obwohl sich die Arbeitssituation nach der Coronazeit sehr schwierig gestaltete, waren wir uns endlich einig, was die Erholung betraf», sagt sie und fügt an: «Davon profitierte auch unsere Ehe.»
Oliver wollte nicht länger Opfer seiner Umstände sein, sondern mehr Freude erleben. Die tiefen Gespräche mit Jeongmi wurden ihm wichtig. Er gibt zu: «In den ersten Ehejahren hatte uns dieser Austausch gefehlt.» Heute nehmen sich die beiden an freien Tagen und abends bewusst Zeit füreinander. «Wir bewegen uns gerne und tauschen uns mit Vorliebe bei Spaziergängen oder auf Wanderungen aus», sagt Jeongmi.
Sich verändern (lassen)
Eines hat das Ehepaar in den vergangenen 21 Jahren gelernt: Eine gelingende Ehe braucht die Bereitschaft zur Veränderung. «Wir sind überzeugt, dass Gott uns hilft, die notwendigen und oft schwierigen Veränderungsprozesse anzugehen», gibt sich Oliver zuversichtlich. Letztlich seien es Egoismus, ungesunde Schutzmechanismen und andere Verhaltensweisen, die das Zusammenleben belasten. Sie wögen oft schwerer als kulturelle Eigenheiten. Oliver hat erfahren: «Die Lösung liegt oft darin, sich und die eigenen Interessen zurückzustellen und zu lernen, zu vergeben und Grosszügigkeit zu üben.»
Dieser Artikel erschien zuerst bei der Hope Fricktal.
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Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
Hope Regiozeitungen