«Die geheimnisvolle Krankheit»
entstand vor 15 Jahren.
Du bist auf dem Heimweg und hörst im Radio, dass in einer kleinen Stadt in Indien eine völlig unbekannte Krankheit grassiert, es ist keine Grippe. Dreiviertel der Bewohner leben schon nicht mehr. Kurz darauf sind im Umkreis des betroffenen Gebiets bereits 30'000 Menschen gestorben. Eingeflogene Mediziner und Wissenschaftler aus der ganzen Welt stehen vor einem Rätsel.
Es dauert nicht lange, bis sich die «geheimnisvolle Krankheit» auf Pakistan, Afghanistan und den Iran ausweitet. Am TV wird dazu aufgerufen, mit Spenden an diese Menschen zu denken, aber niemand weiss, wie die Krankheit zu bekämpfen wäre. Als Frankreich von heute auf Morgen die Grenzen schliesst, ist klar: Die Seuche hat Europa erreicht. Es gibt keine Flüge mehr aus oder in die betroffenen Länder. Panik bricht aus. Offenbar treten die Symptome eine Woche nach Ansteckung auf; vier Tage lang spielt der Körper verrückt – dann stirbt man.
Auch Grossbritannien schliesst die Grenzen, aber es ist zu spät. Tags darauf verbietet der Präsident von Amerika alle Flüge aus Europa und Asien. Sind Familienmitglieder dort, sei das bedauerlich, aber sie könnten nicht mehr nach Hause, bevor ein Heilmittel gefunden sei. Innert kürzester Zeit hat die geheimnisvolle Krankheit die ganze Welt in Angst und Panik versetzt. Menschen verkaufen Atemschutzmasken, Pfarrer verkündigen das Ganze als eine Strafe Gottes.
Der Code ist geknackt
Und dann plötzlich die Nachricht: Der Code der Krankheit ist geknackt, ein Heilmittel kann gefunden, ein Gegengift entwickelt werden. Es muss aus einer Blutprobe hergestellt werden, die noch nicht infiziert ist. In Scharen strömen die Menschen in die Kliniken, um ihr Blut untersuchen zu lassen. Krankenschwestern und Ärzte stechen in die Finger und kleben Etiketten auf die Proben. Deine Frau und deine Kinder waren schon dran. Du wirst gebeten, zu warten, bis dein Name aufgerufen wird. Angsterfüllt wartest du mit vielen anderen auf dem Klinikareal, fragst dich, ob dies das Ende der Welt sei…
Sie brauchen das ganze Blut
Plötzlich kommt ein junger Mediziner angerannt, schreit einen Namen und wedelt mit Papier. Du kannst ihn nicht verstehen. Wieder ruft der Mann. Dann zieht dich dein kleiner Sohn am Ärmel und sagt: «Papa, das bin ich!» Bevor du es kapierst, packen sie deinen Sohn und nehmen ihn mit; seine Blutprobe ist als einzige nicht infiziert. Fünf angespannte Minuten später kommen die Doktoren und Schwestern heraus. Sie weinen und umarmen sich, manche lachen sogar. Es ist das erste Mal seit einer Woche, dass du jemanden lachen siehst. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Alles jubelt und freut sich.
Dann kommt ein alter Doktor auf dich und deine Frau zu, möchte euch sprechen: «Wir waren uns nicht im Klaren, dass der Spender ein Minderjähriger ist, wir brauchen Ihre Unterschrift.» Du setzt zur Unterschrift an, als du plötzlich siehst, dass die Anzahl der Fläschchen, die benötigt werden, nicht eingetragen ist. Du zweifelst, fragst leise: «Wie viele Flaschen?» Da verschwindet das Lächeln des alten Doktors: «Es tut uns leid, in der Hitze des Gefechts ist uns entgangen, dass es sich um ein Kind handelt. Wir benötigen das ganze Blut.» Du versuchst noch einzuwenden: «Aber begreifen Sie denn nicht...», doch der Mediziner drängt: «Wir sprechen hier von der ganzen Welt. Bitte unterschreiben Sie! Es wird uns alle retten.» In eisiger Stille unterschreibst du.
Dann die Frage: «Wollen Sie noch einen Moment zu ihm, bevor wir anfangen?» Kannst du zurückgehen, wagst du dich in den Raum, wo dein Sohn sitzt und fragt: «Papa, was wird hier gemacht?» Kannst du seine kleinen Hände fassen und sagen: «Junge, ich habe dich ganz fest lieb und werde aufpassen, dass dir niemals etwas geschieht, das nicht unbedingt notwendig ist, verstehst du das?» Und als der alte Doktor zurückkommt und sagt: «Es tut mir leid, wir müssen anfangen. Überall auf der Welt sterben Menschen» – kannst du dann hinausgehen? Kannst du weggehen, während dein Sohn ruft: «Papa, Papa, warum hast du mich verlassen?»
«Wisst ihr nicht, was das für mich bedeutet?»
In der folgenden Woche hält man die Zeremonie ab, um deinen kleinen Sohn zu ehren, während manche Menschen einfach liegen bleiben und ausschlafen, andere nicht einmal kommen, weil sie zum Picknick an den See fahren wollen. Unter den Anwesenden sitzen einige da und lächeln scheinheilig, als wäre ihnen dies alles einerlei. Du würdest am liebsten aufspringen und rufen: «Mein Sohn starb für euch! Ist euch das wirklich ganz egal? Wisst ihr nicht, was das für mich bedeutet?»
Vater, jetzt wo ich es durch deine Augen sehe, zerbricht es mir das Herz. Vielleicht beginne ich ein klein wenig zu begreifen, wie unendlich lieb du mich hast. Für mich gingst du nach Golgatha, für mich hast du das Kreuz getragen, für mich liesst du dich verspotten, schlagen und ans Kreuz nageln. Für mich hast du dein Leben geopfert. Herr, deine Liebe ist so gross, dass ich sie nie begreifen kann. Doch danken will ich dir dafür, ich bete dich an.
Die Geschichte stammt aus dem Buch von Arno Backhaus «Bibel dir deine Meinung».
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Arno Backhaus
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Datum: 10.04.2020
Autor: Manuela Herzog / Arno Backhaus
Quelle: Jesus.ch