Neues Buch von Giuseppe Gracia
Giuseppe Gracia, dass Sie als
Journalist und Autor gerne etwas provozieren, ist bekannt. Bei Ihrem neuen
Roman «Der letzte Feind» ist gemäss der Beschreibung des «Fontis»-Verlags wohl
auch Spannung garantiert. Da ist zum Beispiel von einem Mordkomplott auf den
Papst die Rede. Können Sie schon etwas mehr verraten?
Giuseppe Gracia: Es geht um
eine weltweite Verschwörung. Einflussreiche, internationale Kreise sehen Christentum
und Religion als Feinde des Fortschritts. Sie streben ein progressives, multikulturelles Wohlstands-Paradies an,
auf der Grundlage eines sich selbst erlösenden, digital gerüsteten Menschen.
Kein Christentum, am liebsten überhaupt keine Religion. Aber kann eine solche
Gesellschaft noch frei sein und menschlich bleiben? Das ist die Frage, um die
sich der Roman dreht.
Ihr Roman spielt im Vatikan, einem Ort, der
Ihnen als Katholik natürlich emotional sehr nah ist. Warum sollte auch jemand
wie ich, der seinen Glauben eher in einer Freikirche auslebt, Ihr Buch lesen?
Im
Grunde geht es nicht um die Kirche, sondern um den Kampf zwischen dem
jüdisch-christlichen Erbe Europas und einer neuen, rein instrumentell denkenden
High-Tech-Kultur. Der südkoreanische Philosoph Byung-Chul Han spricht von einer
gegenwärtigen Herrschaft der Optimierung. Der Mensch als sein eigener Schöpfer,
mittels Transhumanismus und anderen Techniken. Wissenschaft und Forschung als
Potenzmittel des Handels, die Politik als Gouvernante und
Human-Ressources-Abteilung. Eine Totalverwertung des Lebens.
Am Dienstag, 23. Juni 2020 werden Sie Ihr
Buch im Rahmen eines Podiumsgesprächs im LZ Auditorium in Luzern vorstellen.
«Brauchen wir das Christentum noch?» lautet die Frage, die dort diskutiert
wird. Wie entscheidend ist das Christentum Ihrer Meinung nach, um eine humane
Gesellschaft zu erhalten?
Schon
im 19. Jahrhundert war der politische Denker Alexis de Tocqueville überzeugt:
Wenn die Menschen nicht mehr an Gott glauben, an ein ewiges Leben, das sie über
die gesellschaftlichen Realitäten hinaushebt, dann schrumpft das Individuum zum Herdentier. Gemäss
Tocqueville ist die Freiheit eine Tochter des Christentums. Der Despotismus
kann auf Religion verzichten, die Freiheit nicht.
Während der Coronakrise war
die Meinung der Kirche und der Christen eher nicht gefragt. Wichtiger waren
Naturwissenschaftler, Epidemiologen usw. – Stimmen Sie mir in dieser
Beobachtung zu?
Kirche und Glaube sind offensichtlich nicht systemrelevant. Das überrascht
mich nicht. Heute dürften viele davon überzeugt sein, dass ein gelungenes Leben
und eine offene Gesellschaft ohne Christentum sehr gut möglich sind. Ja, sogar
viel besser ohne das rückschrittliche, intolerante Christentum. Hinzu kommt,
dass zumindest die katholische Kirche viel
um sich selbst kreist, um interne Fragen des Lehramts oder der kirchlichen
Ordnung. Ein institutioneller Narzissmus. Und viele Bischöfe gehen vor dem
Zeitgeist in die Knie, was die Medien natürlich dankbar aufnehmen.
Was sollte die Kirche denn
tun, um wieder mehr gehört und auch ernstgenommen zu werden?
Sie sollte aufhören, die eigenen institutionellen Fragen zum Thema
machen. Sie muss wieder
Gott und die Sehnsucht nach wahrer, ewiger Liebe in den Vordergrund rücken. Sie
sollte die falschen Versprechen der heutigen Zeit entlarven und die wahre
Hoffnung sichtbar machen. Wenn die Kirche, statt über sich selbst, über die
herrschende Gegenwartskultur spricht, könnte sie den Menschen wieder geistliche
Nahrung bieten, einen Kompass für die Herzen.
Ihr Roman heisst «Der letzte
Feind». Wer ist denn dieser Feind im Buch?
Alle Figuren haben ihren eigenen letzten Feind. Für die Gegner des
Christentums ist es die Religion. Aber für die Verteidiger des Christentums ist
der Feind eine Gesellschaft, die sich von Gott entfernt. Weil es ohne Gott
keine Freiheit, keine wahre Liebe geben kann. Und natürlich muss ich beim Titel
auch an den Apostel Paulus denken. Er sagt, dass der Tod der letzte Feind ist,
der vernichtet wird.
Zum Buch:
«Der letzte Feind»
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Datum: 19.06.2020
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet