Alternative Ethik leben

Europa verabschiedet sich von seinen Werten

Die Veränderungen in den Wertehaltungen zum menschlichen Leben und zur Sexualität geschehen in atemberaubendem Tempo – ganz besonders in Europa. Was können Christen tun?
Forscherin in Labor

Die Ereignisse überstürzen sich. Sie erschrecken die einen und sind für die andern überfällig: Das belgische Parlament hat gestern beschlossen, dass auch Kinder Suizidhilfe verlangen können. Die Nationale Ethikkommission der Schweiz plädierte – ebenfalls gestern – für künstliche Befruchtung auch für alleinstehende Frauen und für Lesben. Ein Teil sogar für die Legalisierung der Leihmutterschaft. Der Bundesrat schickte kürzlich einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung, der auch Homosexuellen oder Alleinstehenden das Adoptionsrecht einräumen will. Neue Lehrpläne in Deutschland und der Schweiz sehen vor, die verschiedenen Formen von Sexualität Schülern als gleichwertig zu lehren. Die Weigerung, Homosexualität als gleichwertige Alternative zur ehelichen Sexualität zu anerkennen, führte unlängst zur öffentlichen Ächtung eines spanischen Bischofs.

Medial unterstützter Wertewandel

Der Wertewandel wird gerade in der medialen Öffentlichkeit zum Teil vehement unterstützt. Andersdenkende werden rasch ausgegrenzt. Wer Homosexualität nicht als gleichwertige Alternative anerkennen will, gilt als «homophob». Das ist heute noch fast schlimmer als «antisemitisch», stellt der deutsche Publizist Matthias Matussek in «Die Zeit» fest.

Was können Christen und Menschen, die sich gegen die massiven Veränderungen wehren wollen, überhaupt tun? Zum einen gilt es, anzuerkennen, dass tatsächlich der Mainstream der Haltungen zu sexualethischen und Lebensrechtsfragen in den vergangenen 20 Jahren einen massiven Schlenker gemacht hat. Und die säkular orientierten Medien unterstützen ihn massiv. Auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wagen es selten, sich dem entgegenzustellen.

Was ist passiert? Die Medizinethikerin Ruth Baumann Hölzle sagte dazu in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung NZZ kurz und treffend: «Gegenüber dem menschlichen Leben nehmen wir ganz allgemein zunehmend eine instrumentalisierende Haltung ein. Der Anspruch, das menschliche Leben absolut kontrollieren und im Kern verändern zu wollen, weitet sich aus. Diese Instrumentalisierung betrifft den ganzen Lebensbogen – von der Fortpflanzungsmedizin bis zur Sterbehilfe.»

«Willkür statt Freiheit»

Auf den Einwand, der Zeitgeist sei doch mehr vom medizinischen Fortschritt als vom gesellschaftlichen moralischen Wandel geprägt, sagte sie: «Das eine bedingt das andere: Gewisse medizinische Fortschritte sind nur möglich vor dem Hintergrund eines bestimmten Denkens. Der Wertewandel findet in Bezug auf den moralischen Status des menschlichen Lebens statt. ... Wir verstehen Freiheit zunehmend als ein absolutes, individuelles Einforderungsrecht ohne Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Selbstbestimmung heisst für uns: Ich kann alles machen, es steht mir alles zu. Das aber ist Willkür, nicht Freiheit.»

Gute Analysen dienen dazu, erst mal zu erkennen, was abläuft. Darauf sind die Strategien aufzubauen. Seien es Gegenstrategien oder Überlebensstrategien. Auf dem politischen Parkett kann mit einer schweigenden konservativen Mehrheit gerechnet werden. Aber sie ist sehr klein geworden, wenn man zum Beispiel an die Abtreibung denkt. Bei der Sexualerziehung ist der Widerstand grösser, weil Eltern ihre Kinder gerade bezüglich Sexualität nicht manipulieren lassen möchten. Hier sind die begonnenen Anstrengungen von Arbeitsgruppen und Parteien weiterzuführen.

Letztlich sind Christen im säkularisierten Europa gefordert Toleranz im eigentlichen Sinne des Wortes zu üben. Sie werden viele Veränderungen nicht verhindern können und damit leben müssen. Sie können aber lernen, ihre Positionen gut zu begründen und sprachfähig gegenüber der säkularen Öffentlichkeit zu sein. Zudem gilt es, sich mit Gleichgesinnten zu verbünden und möglichst mit einer Stimme zu sprechen. Und last but not least ihre Überzeugungen nicht nur zu formulieren, sondern auch zu leben. Der Glaube gibt ihnen die Kraft – auch bei viel Gegenwind.

Datum: 14.02.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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