Schwuler Vater

Vater Samuel und Sohn Marc Jost im grossen NZZ-Gespräch

«Ehre deinen Vater, auch wenn er schwul ist? Ein prominenter Freikirchler im Gespräch mit seinem Vater, der sich geoutet hat.» Diesen Titel setzt die Neue Zürcher Zeitung NZZ über ein sehr ausführliches Vater-Sohn-Gespräch zu einem aktuell umstrittenen Thema.
Marc Jost und sein Vater im Gespräch bei NZZ

Wie geht ein Sohn mit der Krise um, die ein Vater über die Familie bringt, indem er sich plötzlich als schwul outet? Insbesondere, wenn er dieses Coming-out auch aus theologischen Gründen ablehnt. Kann man auch mit zeitlicher Distanz noch über einen solchen Bruch sprechen?

Ein exponierter Sohn – im öffentlichen Gespräch mit dem Vater

Marc Jost und sein Vater Samuel können das, wie sie in einem ausführlichen Interview mit der NZZ belegen. Dazu eingeladen hatte die NZZ-Redaktion, die von der speziellen Konstellation im Hause Jost wusste. Marc Jost ist Grossrat der Berner EVP und Generalsekretär der Schweizerischen Evangelische Allianz (SEA), die sich öffentlich kritisch gegenüber Ehe für alle und der erweiterten Anti-Rassismus-Strafnorm äussert. Er ist im Thema durch seine öffentlichen Funktionen bereits stark exponiert. Nun hat er zusammen mit seinem Vater einen offenen Einblick in die Familiengeschichte gewährt. Jost Senior und Junior mussten dabei auch ganz heiklen persönlichen Fragen standhalten.

Daraus ist ein beispielhaftes Vater-Sohn-Gespräch entstanden, das unterschiedliche Standpunkte über gelebte Homosexualität zur Sprache bringt und gleichzeitig deutlich macht, dass diese den persönlichen Umgang miteinander nicht beeinträchtigen. Der Vater äussert Verständnis für seinen Sohn, der Sohn für den Weg seines Vaters. Und die Familie ist daran nicht zerbrochen, weil, ... ja, warum denn nicht?

Wenn der eigene Vater vor dem Suizid steht

Zwar fand Vater Samuel bei seiner Mutter kein Verständnis, wohl aber bei Sohn Marc: «Ich empfand vor allem Bedauern. Ich verstand, wie verzweifelt er gewesen sein muss. Wenn man hört, dass der eigene Vater sich das Leben nehmen wollte, kommt man nicht zuerst mit Vorwürfen.» Und Samuel Jost bestätigt das, wenn er sagt: «Marc beschäftigte sich mit seiner intellektuellen und rationalen Art mit meinem Coming-out, er trug die ganze Familie durch diese schwierige Zeit.» Und Marc Jost setzt nach: «Mich beschäftigte vor allem die Frage, weshalb uns unser Vater nicht genug vertraute, um uns früher zu informieren.»

Gut informiert, das hilft

Denn Marc Jost weist darauf hin, dass er ähnliche Geschichten kennt und sich auch bewusst ist, dass es zwar Männer gibt, die ihre sexuelle Ausrichtung korrigieren konnten und glückliche Väter sind. Er kennt aber auch solche, denen das nicht gelang und die daran verzweifelten. Das Coming-out seines Vaters habe ihm geholfen, Verunsicherungen in der Beziehung zu ihm einzuordnen.

Marc Jost erklärt dazu: «Natürlich hat es mich sehr getroffen, und ich brauchte Zeit, um darüber hinwegzukommen. Ich war verunsichert. Homosexuelles Empfinden an sich war für mich zwar schon damals nie ein Problem. Ich kann einfach keinem Menschen empfehlen, diese Art der Sexualität auszuleben.»

Versöhnt, trotz unterschiedlichen Standpunkten

Damit setzt Marc Jost auch eine Marke, die ihn vom Vater abgrenzt. Er habe kein Ja zur gelebten Homosexualität und wünsche sich von Betroffenen, dass sie darauf verzichten, wie es auch viele Singles tun. Sexualität gehöre in eine Ehe von Mann und Frau. Dennoch bestätigt sein Vater: «Du hast mir meine Homosexualität nie zum Vorwurf gemacht.» Und er stellt seinen Angehörigen ein grossartiges Zeugnis aus: «Du und der Rest unserer Familie, ihr habt mich nie im Stich gelassen», und dies, obwohl er mit seinem Coming-out allen viel Schmerz zugefügt habe.

Das Interview in der Neuen Zürcher Zeitung ist ein Zeugnis gelebter christlicher Kommunikation geworden, das auch Vorurteile gegenüber Freikirchen, insbesondere im Zusammenhang mit der laufenden Diskussion, aufweichen könnte. Marc Jost ist dabei mit seiner Expertise und seiner sozialen Beziehungskompetenz ein Motivator.

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Datum: 22.01.2020
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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