Youssef

«Terrorführer baute unser Gemeindezentrum»

Heute haben es die Christen in Algerien besser, als in den Terrorjahren, sagt Youssef*, ein einheimischer Christ. Damals war das nordafrikanische Land für alle Einwohner gefährlich. Keiner wusste, ob das Gegenüber nachts zu den raubenden Banden gehörte. So entpuppte sich der Bauherr von Youssefs Gemeindezentrum als Terrorführer.
Junger arabischer Muslim (Symbolbild)
Der Kafrida-Wasserfall in der Kabylei – Algerien besteht nicht nur aus Wüste. (Foto: Vermondo/Wikipedia)
Hauptstadt Algiers

Heute leben die Christen in Algerien sicherer als damals, wenn auch nicht ohne Gegenwind. Youssef: «Aus der restlichen arabischen Welt erntete Algiers nur Kopfschütteln ob soviel Toleranz. Unsere Regierung wurde bedrängt, «„etwas“ zu tun, um das Ganze zu stoppen.» Aber auf der anderen Seite sei die Regierung sehr empfindlich gegenüber der Meinung des Westens.

Das war nicht immer so: «In der Vergangenheit wurden wir sehr eng überwacht. Polizei, Militär und Sicherheitspolizei kontrollierten unsere Häuser, Telefone und sogar die Briefe. Unsere Versammlungen führten wir verdeckt in privaten Häusern durch. Um vor den Fundamentalisten sicher zu sein, wechselten wir jede Woche den Orte und manchmal wurden wir der Polizei verhört.»

Während den Terrorjahren

Die Jahre des Terrors seien die schlimmsten in der Geschichte Algeriens gewesen. Youssef erzählt: «Die Fundamentalisten wollten als Hauptziel die Regierung stürzen und einen islamischen Staat etablieren. Alles, was nicht nach ihrem Glauben oder ihrer Überzeugung war, wurde zu ihrer Zielscheibe. Die christliche Gemeinschaft war damit in extremer Gefahr. Aber auch die Polizei, Armee und die Regierung. Viele, viele Christen rund um die Welt dachten, dies sei nun das Ende für die Christen in Algerien.

Durch diese enorm schweren Jahre hindurch multiplizierte sich die Gemeinde. Das grösste Wachstum das in Algerien je geschah, passierte in den Kriegsjahren zwischen den Jahren 1992 bis 2002.

Vieles was durch die Terroristen geschah, öffnete den Menschen in der Regierung und in der Bevölkerung die Augen, über den Islam. Die Menschen fragten sich, warum Allah dies alles in unserem Land zuliess. Warum dieses grauenhafte Töten und Abschlachten?

Waren es seine Engel?

Viele, viele wurden offen für das Evangelium, weil sie darin etwas anderes sahen. Ich glaube, dass die Kirche gerade auch in dieser Zeit stark gewachsen ist, durch fasten und beten. Gerade in diesen Jahren hat die algerische Kirche auch ihre Angst überwunden. Durch Gottes Gnade und Schutz leben wir das christliche Leben normal. Wir haben Programme, Bibelstudium und Camps.

Eines der grössten Wunder ist, dass meines Wissens kein einziger Christ durch die moslemischen Terroristen umgebracht wurde. Dabei haben die Terroristen genau das oft versucht. Oft hatten sie etwas geplant. Aber Gott beschützte uns. Und die Freiheit wuchs, weil die Regierung herausfand, dass die Gefahr nicht von den Christen ausgeht.

Gottes Schutz war unermesslich. Einmal, in einer Horror-Nacht in der Kabylei wüteten die Fundamentalisten die ganze Nacht. Und dort war auch ein Gebetstreffen. Die Terroristen suchten die Ortschaft heim und sie wollten auch diese Gemeidne attackieren. Es waren bittere Gefechte mit der Armee und der Polizei. Aber die Gemeinde blieb unversehrt. Ein Wunder. Gott verhinderte, dass sie kommen konnten. Vielleicht hat er Engel gebraucht, die den Platz umgaben, vielleicht sonst etwas. Auf jeden Fall war den Christen in der Kirche nichts geschehen.

Oder einmal sollte einer unserer Versammlungsplätze angegriffen werden. Eigentlich wäre ein Treffen von uns vorgesehen gewesen. Irgendwie hatte Gott dieses Meeting verschoben. An diesem Abend kamen die Terroristen, um zu attackieren. Aber niemand war da. Solche Situationen gab es immer wieder.

Aktiver Terrorist baut Kirche

Im Westen Algeriens, in der Gegend von Oran, bauten wir das «Oasis Home». Ein christliches Werk. Der Bauleiter war Terrorist, die Basis nur 30 Meter von unserem Gebäude entfernt. Wir waren fast Nachbarn. Er war als Bauherr geschätzt, von seiner zweiten Tätigkeit wusste niemand. Aber während dem Bürgerkrieg wusste man ohnehin nicht, wer die Feinde waren.

Als christliche Gemeinde machten wir vieles und dieser Bauleiter wusste natürlich davon, er arbeitete ja in unserem Haus. Tagsüber arbeiteten sie ganz normal in unserer Kirche, nachts planten sie dann ihre grauenhaften Massaker im Namen des Islams. Um uns herum geschahen unglaubliche Attacken. Menschen wurden getötet, ja, regelrecht abgeschlachtet.

All diese unglaublichen Geschichten hörten wir am Morgen. Gott beschützte unsere Station in diesen Jahren wunderbar. Zweimal wollte uns ein Terrorkommando in der Nacht heimsuchen. Wir wussten nicht, ob unter den potentiellen Attentätern womöglich sogar Bauarbeiter waren, die bei uns ein und ausgingen; denn wir öffneten das Tor natürlich nicht. Sie polterten eine Weile daran. Erschrocken warteten und beteten wir. Wir hatten keine Ahnung, was nun geschehen würde. Aber Gott sei wirklich Dank: Sie zogen jeweils wieder ab. Wir hatten die Türe ja jeweils so oder so verriegelt. Sie suchten nach uns und wollten herausfinden, ob wir da waren.

Jeder konnte der Feind sein

Wir versuchten, den Menschen in der Gegend zu helfen. Zum Beispiel den Armen. Wir waren ein gutes Zeugnis. Aber wir waren Christen und zeugten vor Moslems.

Wir lebten also Tür an Tür mit einer Terror-Gruppe und nichts passierte uns. Ich glaube, Gott hat uns beschützt. Ohne ihn hätten sie das Ganze leicht stoppen können. Sie hätten dann Hunderte und Hunderte von Christen töten können. Aber ich glaube, dass Gott seine Engel und seine Gnade genutzt hat, um die Gemeinde zu beschützen, weil er einen Plan mit ihr hat.

Wir wussten also nicht, dass unser Bauleiter ein Terrorist war. Wir dachten, er wäre ein Arbeiter, wie jeder andere auch. In diesem Bürgerkrieg konnte dein Feind ein Bauarbeiter, ein Lehrer, ein Mechaniker oder ein Ingenieur sein. Jeder konnte es sein. Im Bürgerkrieg lebten die Menschen ihr normales Leben. Aber sie hatten ihre Geheimnisse und ihre geheimen Pläne. Diese wurden dann am Abend oder in der Nacht ausgeführt.

Unser Baumeister kam am Morgen, wir öffneten ihm die Türe und er machte sich an die Arbeit. Und er erzählte mir alle Geschichten die in der Nacht passiert waren. Wie viele Menschen ums Leben kamen und wie jemand abgeschlachtet wurde, wie jemand umgebracht wurde. Und ich war erstaunt, weil er das alles in Details erzählte. Und ich wusste nicht, dass er mit dahinter steckte und dass er Terrorist war. Als es dann herausgekommen war, kam die Polizei und die Armee und sie kreisten die ganze Ortschaft ein. Aber diese Gruppe hatte sich interessanterweise einen Tag vorher aus dem Staub gemacht. Sie wussten, dass die Truppen kommen würden.

Später fanden wir heraus, dass er bei dieser Gruppe dabei war. Denn einer von ihnen wurde von der Polizei gefangen genommen und die Namen wurden veröffentlicht. Er selber flüchtete an ein anderes Ort. Wir wurden einmal von der Polizei aus verschiedenen Gründen gerufen. und ich fand sein Bild dort. Er gehörte zu den am meisten gesuchten Terroristen des Landes. Und es gab eine Menge Geld für den, der Informationen über ihn hatte. Es waren harte Jahre. Eines meiner grössten Mysterien in meinem Leben ist die Frage, wie die algerische Gemeinde all diese Jahre überstehen konnte. Niemand hat die Antwort.

Kein Haar kann gekrümmt werden

Gott tat uns in diesen Jahren viel Gutes. Ich verstehe nun sehr gut, dass nichts passieren kann, das er nicht erlaubt. Wenn Jesus sagt: «Kein Haar fällt von dir ohne dass ich es erlaube», dann glaube ich das sehr überzeugt. Wenn der algerischen Gemeinde etwas hätte geschehen sollen, wäre es in diesen Jahren passiert. Ich bin überzeugt, dass er uns beschützt hat. Jetzt verstehe ich warum. Das sie stark wird und schnell wächst. Sie ist eine der inspiriertesten Kirchen in der arabischen Welt und sie ist eine grosse Ermutigung in vielen moslemischen Ländern. Die Menschen dort sagen: «Schaut: Wenn Gott das in Algerien tun kann, dann kann er es überall tun. Wir haben zu beten und hart zu arbeiten. Und auf Gott vertrauen, dass er etwas tut.» Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass die algerische Kirche ein Segen für die ganze arabische Welt ist.

* aus Sicherheitsgründen bleiben wir bei seinem Vornamen. Er tritt damit öffentlich auf, auch im Internet.

Youssef spricht am Samstag, 29. September am 20-Jahr-Jubiläum von OM (Operation Mobilisation). Die Programm beginnt um 9.30 Uhr in Aarau, an der Delfterstrasse 14 in der Freien Christen Gemeinde. Infos: www.ch.om.org

Datum: 28.09.2007
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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