Vom Hooligan zum Theologiestudenten
Die Lebensgeschichte von Andy hat bereits früh falsche Züge angenommen. Seine Eltern trennten sich, als er noch sehr klein war. Dies führte dazu, dass er viel allein war, als seine Mutter arbeiten ging. Um dem entgegenzuwirken, wurde Andy in diversen Gastfamilien fremdplatziert. Im Alter von sechs Jahren gelangte er in eine christliche Gastfamilie. Dort kam er zum ersten Mal mit dem Glauben in Kontakt. Er erzählte auch seiner Mutter davon. Zusammen mit der Gastfamilie besuchten sie ab und zu den Gottesdienst und irgendwann kam seine Mutter zum Glauben. Er besuchte die Jugendgruppe.
Von der Schlägerbande …
Mit 13 Jahren begann Andy, viel Alkohol zu trinken. Zudem kam er in der Schule erstmals in Kontakt mit Ausländern. Gemeinsam mit Freunden begann er, sich gegen diese aufzulehnen. Was spielerisch begann, wurde Schritt für Schritt ernster. Mit den Jahren radikalisierte sich die Gruppe. Teilweise gingen zwanzig bis dreissig Personen an Orte, an denen viele Ausländer waren; sie vermummten sich und überfielen jene. «Uns hat dies Spass gemacht. Wir waren stark und gefürchtet. Das tat unserer Identität gut. Ich achtete immer darauf, dass ich der Erste war, der zuschlug, da mir dies Ansehen in der Gruppe brachte.»
Die Gewalttätigkeit der Gruppe stieg weiter. Sie überfielen Demontrationen und suchten spezifisch Menschen aus der linken Szene zuhause oder am Arbeitsplatz auf. Dies geschah immer bewaffnet und meist auch unter starkem Alkoholeinfluss, was zu hoher Brutalität führte. «Ich habe mich teilweise komplett vergessen und solange auf den am Boden Liegenden eingeschlagen, bis mich jemand rauszog oder die Polizei kam. Eine Hemmschwelle hatte ich keine mehr. Mein Leben bestand aus Alkohol, Rassismus, Konzerten und vielen Schlägereien. Unter der Woche habe ich gearbeitet. Am Freitag war es, als würde ein Schalter umgelegt; am Wochenende war ich ein komplett anderer Mensch.»
… zu den Hooligans
Andy war regelmässig auf der Polizeiwache, musste vor Gericht aussagen und viele Bussen bezahlen. Als einer seiner guten Freunde jemanden angeschossen hatte und dafür eine hohe Haftstrafe erhielt, begann sich bei Andy etwas zu verändern. «Ich wusste, wenn ich so weitermache wie bisher, lande ich früher oder später auch im Gefängnis.» Dies wollte er nicht. Andy begann, seine Ideologie zu hinterfragen. Er nahm Distanz zur Gruppe und beschloss, mit dem Rassismus abzuschliessen. Gewalt faszinierte ihn jedoch weiterhin sehr. So kam Andy zu den Hooligans. Dort konnte er weiterhin Gewalt ausleben, wenn auch in einer etwas organiseren Art und Weise. Die Schlägereien mit gegnerischen Hooligans gaben ihm einen neuen Sinn. Auch hier erfuhr er Annahme und Ansehen der Anderen.
Bei einem Auswärtsspiel wurde Andy von der Polizei aufgegriffen und erhielt Stadionverbot für fünf Jahre. Fussball und Gewalt waren der Lebensinhalt von Andy. Anstatt an diesem Punkt die Chance für einen Neuanfang zu nutzen, wurde er noch viel extremer. Er ging dazu über, grundlos auf Menschen einzuschlagen und hatte das starke Bedürfnis, mit seinen Fäusten etwas zu bewirken.
Ein neues Hobby muss her
Doch dann geschah das Undenkbare. Plötzlich wurde Andy die Sinnlosigkeit seines Handelns bewusst. er schloss von einem auf den anderen Tag mit der Gewalt ab. Diese Veränderung war schwierig, denn nicht nur die Gewalt fiel weg, sondern auch seine Freunde und seine Hobbys. Einzig seine Freundin blieb weiterhin an seiner Seite.
Nun hatte Andy plötzlich viel mehr Zeit. Als neues Hobby besorgte er sich Schafe. Eines Tages besuchte ihn ein Pastor der Gegend, um mit ihm über die Schafe zu sprechen. Andy vermutete, dass es dem Pastor nur um Gott ging. Für ihn war klar, dass er das Gespräch beim Thema Gott direkt abbrechen würde. Das Gespräch ging aber tatsächlich lediglich um die Schafe, was für Andy sehr überraschend kam.
Sinn gefunden
Die Begegnung mit dem Pastor ging Andy nach. Am Sonntag darauf besuchte er, inzwischen verheiratet, mit seiner Frau den Gottesdienst. Die Predigt fühlte sich an, als hätte der Pastor sie ihm persönlich gehalten. Dies markierte den Start seines Glaubenslebens. «Ich erkannte, dass der Sinn des Lebens tiefer ist als Wochenende, Fussball, Frauengeschichten, Alkohol und vor allem Gewalt. Das Leben hat mehr zu bieten! Vorher musste ich mich immer beweisen. Bei Jesus kann ich einfach sein.»
Andys Leben hat sich radikal verändert. Er hat neue Freunde gefunden und in der Familie einiges wieder gut machen können. Seit seiner Bekehrung hat Andy mit Aggressionen kein Problem mehr. Seine Neigung zu Gewalt war mit einem Mal weg. Andy darf auch wieder ins Fussballstadion gehen. Er studiert Theologie und hat heute eine achtjährige Tochter.
Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin wort & wärch vom Mai 2023.
Sehen Sie sich ein Video vom conTENT in Konolfingen mit Andy Imhof an:
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Datum: 06.05.2023
Autor:
Linda Steiner
Quelle:
Wort+Wärch EGW