«Ohne Jesus hätte ich das nicht geschafft»
Ich bin die Tochter eines Deutschen und einer Jüdin. Als Hitler an die Macht kam und man die Menschen plötzlich in Arier und Juden einteilte, fragte ich meine Mutter, was denn mit mir sei. Sie sagte: «Du zählst zu den Unerwünschten.» Und das bekam ich immer stärker zu spüren.
In der Grundschule wurde ich von den Mitschülern mit Pferdeäpfeln beworfen, man schimpfte mich «Juden-Göre», obwohl ich wie alle anderen «Heil Hitler» brüllen und nationalistische Lieder singen musste. Aus Angst verliess uns mein Vater. Kurz darauf stand die Gestapo vor der Tür und brachte meine Mutter, meine Schwester und mich nach Breslau in ein jüdisches Ghetto.
Liebe inmitten von Hass
In Breslau lernte ich eine deutsche Familie kennen, die sich nicht an die antisemitischen Vorschriften hielten. Sie behandelten uns sehr freundlich und respektvoll. Und irgendwann fragten sie mich, ob ich mit in die Kirche kommen möchte. Ich war noch nie in einem Gottesdienst gewesen und ging gespannt hin.
Die Kirche beeindruckte mich sehr. Sie hatte wunderschöne grosse Glasfenster, auf denen die Geburt, das Leben, Sterben und die Auferstehung Jesu bebildert war. Ich konnte meine Augen nicht abwenden. Ich war überwältigt. Etwas veränderte sich in mir. Christus kam in mein Leben, in mein Herz und in meine Seele. Ich spürte einen Frieden in mir, den ich vorher nicht gekannt habe und fühlte mich zum ersten Mal seit langem so geborgen und sicher. Es war völlig egal, wie schlimm die Lage da draussen war, ich wusste, Jesus ist da und er hält mich. An diesem Tag entschied ich ganz still für mich, für immer mit Jesus durch mein Leben zu gehen.
Einmal kam der Pfarrer zu uns nach Hause, schenkte jedem von uns eine Bibel und sagte: «Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie zu uns in die Kirche kämen.» Das hätte ihm das Leben kosten können, aber er sagte: «Niemand kann mich daran hindern, Gottes Volk zu helfen!» Von da an gingen wir gemeinsam in die Kirche und auch meine Mutter wurde Christ. Die Gemeinde war ein grosser Halt in diesen Zeiten der Angst.
Es wird noch dunkler
Die Lage spitzte sich zu und der Pfarrer bemühte sich um Ausreisedokumente für uns. Meine Schwester Hella verliess das Land, meine Mutter und ich sollten wenige Tage später nachkommen. Doch dann zog Deutschland in Polen ein und niemand durfte mehr ausreisen.
Es folgten Jahre voller Angst vor der Gestapo. Immer wieder holten sie Leute ab und brachten sie weg. Und dann waren auch wir dran. Am 7. Januar 1944 kam meine Mutter ins KZ Theresienstadt und sieben Monate später wurde ich in ein menschenunwürdiges Arbeitslager gebracht, ich war nun 19 Jahre alt. Bei der Arbeit verletzte ich mich und die Wunde entzündete sich, aber ich durfte mir nichts anmerken lassen. Wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde erschossen oder totgeprügelt. Jeden Tag flehte ich zu Jesus, dass er mich stark macht.
Hoffnung in der Finsternis
Im Lager lernte ich andere Christen kennen, die Jesus lieben. Immer wieder flüsterten wir uns heimlich Bibelverse zu und ermutigten uns damit. Besonders Römer, Kapitel 8, Vers 28: «Das eine aber wissen wir: Wer Gott liebt, dem dient alles, aber auch alles zu seinem Heil.» Inmitten dieser schrecklichen Zeit Jesus so nahe zu sein, war ein Trost und gab uns Mut. Wir beteten aber auch, dass wir irgendwie entkommen können. Und Gott erhörte unser Gebet.
Abenteuerliche Flucht
Im Januar 1945 mussten sich Hitlers Streitkräfte zurückziehen, zusammen mit vier anderen Frauen sollte ich in ein anderes Lager. Unser Fahrer war ein Pole und wir bestachen ihn mit ein paar Zigaretten und etwas Kleingeld, uns am nächsten Bahnhof rauszulassen.
Doch der einzige Zug am Bahnhof war voller deutscher Soldaten. Ich flehte zu Gott, nahm all meinen Mut zusammen und sprach einen von ihnen an. Ich sagte, wir kämen aus dem Ort, würden vor den Russen fliehen und fragte, ob sie noch Platz für uns hätten. Die ganze Fahrt hindurch bemerkten sie nicht, wer wir waren. Als wir in Sachsen ausstiegen, konnten wir unser Glück nicht fassen. Vier Tage später war der Krieg vorbei.
Wie durch ein Wunder hat auch meine Mutter überlebt. Als wir uns wieder sahen, waren wir so fassungslos, dass wir nichts sagen konnten, dann fielen wir uns in die Arme, weinten und priesen Gott.
Das ist nun sehr lange her. Aber die Liebe und Treue, mit der mich Gott durch diese Zeiten getragen hat, kann ich nicht vergessen. Wir sind durch sehr schweres Leid gegangen, aber mein Jesus weiss, was leiden heisst. Und das hat mir den Mut geschenkt, niemals aufzugeben.
Anita Dittman ist nach dem Krieg in die USA ausgewandert, wo sie bis heute lebt.
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«Geborgen im Schatten deiner Flügel»
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Datum: 09.02.2020
Autor: Miriam Hinrichs
Quelle: Jesus.ch / cbn.com / hitlershell.com